Allerdings noch ohne DJ. Jetzt kommt Edward Sizzerhand ins Spiel. Sizzerhand: Richtig. Ich habe Ali 1996 kennengelernt. Er war gerade zurück aus den Staaten und arbeitete bei BamBam Records, einem Plattenladen in der Nähe vom Hofbräuhaus. Wir waren sofort auf einer Wellenlänge. Nach einigen Wochen stellte er mir auch Iman vor. Schnell entstanden erste Tracks, die wir live präsentierten. Auf den Flyern stand noch Rasul & Sizzerhand oder Power Equality. Auf den Namen Square One einigten wir uns erst später, kurz vor dem ersten Maxi-Release.
Scott alias Gianni Dolo hat das Quartett dann als zweiter MC komplettiert. Sizzerhand: Mit der ersten Maxi kamen weitere Bookings. Scott war immer mal bei Shows dabei, aber durch eigene Projekte nicht regelmäßig verfügbar. Als Square One mehr und mehr Fundament bekam, wurde Scott dann festes Mitglied. Durch Scott wurde der Sound abwechslungsreicher. Ali und ich hatten den Tick, unsere Tracks in Farben einzuteilen. Während wir beide melancholisch Richtung Erdtöne tendierten, Eddie als Underground-DJ "dark like chocolate" war, brachte Scott den bunten Farbklecks rein. Wenn Scott nicht dabei gewesen wäre, hätten wir wahrscheinlich nie Tracks wie "Can't Mess" oder "Countdown" gemacht.
"Ali Rasul hat mal gesagt, De La Soul hätten ihm gezeigt, dass Rap nicht aus dem Ghetto kommen muss und sich alle Leute zugehörig fühlen können. Einen ähnlichen Effekt hatte Square One auf mich. Sie kamen aus Deutschland mit einem Anspruch und Niveau, das sich international nicht verstecken musste. Plötzlich war mir klar: Auch wir können HipHop." - DJ Kitsune, Starting Lineup Recs.
Ende der Neunziger ging es mit Deutschrap richtig los. Das hat es für euch als englischsprachige Gruppe sicherlich nicht einfacher gemacht. Sizzerhand: Unser Ziel war eigentlich nicht der deutsche Markt. Von der Art der Beats, Rhymes und Scratches haben wir uns eher in New York gesehen. Deshalb wollten wir auch dort Fuß fassen und veröffentlichen. Über einen Deal in Deutschland haben wir überhaupt nicht nachgedacht und nie damit gerechnet, dass sich hier ein Label für uns interessieren könnte. Uns war bewusst, dass es jede englischsprachige HipHop-Gruppe, die nicht aus den Staaten kommt, doppelt schwer haben würde - egal ob in Deutschland, Europa und erst recht in den USA. Das hat uns aber nicht abgehalten. Wir hatten diesen unbedingten Willen und die Überzeugung, ein Album machen zu wollen.
Dann wurde Showdown Records aus Hamburg auf euch aufmerksam. Sizzerhand: Wir hatten damals in München einen festen Clubabend, wo wir hin und wieder Gast-DJs gebucht haben. Dort war unter anderem auch DJ Tomekk, dem wir unser Demotape steckten. René: 1997 arbeitete ich mit Tomekk an Mix-Compilations für verschiedene Plattenfirmen. Im Zuge unserer Zusammenarbeit erzählte er mir von einer englischsprachigen Rap-Crew aus München, die ich mir unbedingt mal anhören sollte. Nach einem ersten Telefonat mit Ali hatte ich kurze Zeit später ein Demo in der Post. Die Qualität der Lyrics in Einheit mit Beats, Samples und Scratches begeisterte mich sofort. Dabei war es für uns als Label völlig egal, ob die Macher aus München, London oder New York kommen. Es war einzig und allein die Qualität der Musik die uns überzeugte. "It ain´t where you from, it´s where you at." Ausschlaggebend für uns, bei Showdown zu unterschreiben, war in erster Linie die Tatsache, dass die Label-Macher Ahnung von HipHop hatten und musikalisch mit uns auf einer Wellenlänge lagen. So konnten wir die Musik machen, die wir wollten, ohne dass uns ständig jemand in die Produktion reinredet. Zudem hatte Showdown, mit der WEA als Partner im Hintergrund, die Strukturen eines Majors.
Bereits die beiden Maxisingles "Mind.Body.Soul" und "State Of The Art" konnten für Aufsehen sorgen, und die Ampeln für einen Albumrelease standen auf Grün. Mit den Aufnahmen dazu haben wir Anfang 2000 in meiner damaligen Ein-Zimmer-Wohnung begonnen. Mein Home Setup bestand aus einer MPC 3000, einem S 3000 XL Sampler und einem G4 Rechner mit Logic. Ich hatte noch eine circa 1,5 qm große Abstellkammer, die rasch zur Booth umgewandelt wurde. So konnten wir sogar die meisten Vocals direkt bei mir Daheim aufnehmen. Mitte April 2001 ging es zum Mischen in die riesigen Boogiepark Studios nach Hamburg. Das war für mich ein extrem wichtiger Part der gesamten Produktion. Ich wollte mir Zeit nehmen und hatte dafür rund drei Wochen eingeplant. Als Mixing-Partner stand mir Sebi von Deichkind zur Seite. Boogiepark war damals Sebis zweites Zuhause. Er kannte sich nicht nur gut aus, er hatte vor allem ein extrem gutes Gehör. Dazu haben wir uns soundtechnisch sehr gut verstanden. Während der Mixing-Session haben wir in Hamburg auch noch die Vocals mit Heidi Vogel und Patrice aufgenommen. Im Anschluss daran bin ich mit Ali, René und Götz Gottschalk, unserem damaligen Verleger, für eine Woche nach New York geflogen, um die Ami-Features aufzunehmen und das Album abschließend von Tony Dawsey mastern zu lassen. Dawsey war damals eine Institution im HipHop-Mastering - und unsere erste Wahl.
"Iman und Ali waren für mich der kongeniale Kern von Square One, die sich gegenseitig zu Höchstleistungen trieben. Mit Scott als zweitem MC und ihrem extrem guten DJ wurde daraus eine klassische HipHop-Crew, die ihre individuellen Qualitäten auf dem Höhepunkt ihres Schaffens zu einem zeitlosen Album bündelte." - Götz "GG" Gottschalk, Premium Blend Music
15 Jahre sind vergangen, "Walk Of Life" hat inzwischen Klassikerstatus. Sizzerhand: Ob es ein Klassiker ist oder nicht, müssen andere beurteilen. Wir haben lediglich versucht, gute Musik zu machen und waren in allen Elementen gut aufgestellt. Unser Ziel war es immer, Musik zu machen, die langlebig ist, unabhängig von Zeit und Raum. Für ein Debüt war "Walk Of Life" sicher mehr als ordentlich. René: Wir hatten schon damals im Entstehungsprozess des Albums alle das Gefühl, etwas Großes zu schaffen. "Groß" nach unserem Verständnis von HipHop, der Liebe zum Detail, komplexen Lyrics, gut selektierten Samples und ausgefeilten Scratches. Besonders Ali war von Anfang an der festen Überzeugung, dass das Album ein All Time Classic werden wird. Er sollte Recht behalten.
Dennoch blieb euch, trotz Kritikerlob, der ganz große Durchbruch verwehrt. René: Das Album hat um die 15.000 Einheiten verkauft, was auch für damalige Verhältnisse eine durchaus solide Zahl war. Eine Basis, auf die wir als Label aufbauen wollten, um weitere Projekte mit Square One zu realisieren. Leider war die Erwartungshaltung innerhalb der Crew teilweise eine andere, was zu internen Differenzen führte. Ich kann mich erinnern, dass wir ganz zu Beginn im Showdown-Büro saßen und genau über diese Erwartungshaltung gesprochen haben. Beide Parteien waren sich absolut im Klaren darüber, dass wir keine Gruppe sind, die mit ihrem Debütalbum gleich in den Charts landen würde. Wir wollten langfristig arbeiten, uns von Album zu Album steigern, um dann mit dem dritten oder vierten Longplayer Chartluft zu schnuppern. Nachdem sich unsere zweite 12-Inch "State Of The Art" jedoch relativ schnell über 10.000 Mal verkauft hatte, stiegen die Erwartungen innerhalb kürzester Zeit rapide. Davon haben wir uns leider alle etwas blenden lassen. Sizzerhand: Dennoch haben wir bis zu fünfzig Shows im Jahr gespielt, die Gigs waren stets gut besucht mit positivem Feedback. Von daher kann ich nicht von einem Misserfolg sprechen.
"Square One bildeten hierzulande nach Rock Da Most, L.S.D., Walkin' Large und der Kinzmen Clikk die nächste Evolutionsstufe im englischsprachigen Rap. Bis heute sind sie für mich international qualitativ herausragend." - Chris Maruhn, 2001 JUICE-Chefredakteur
Apropos Ausland: In welchen Ländern wurde das Album vertrieben? René: Es war zu Beginn nicht geplant, die Jungs weltweit zu platzieren. Aber nach der Entwicklung mit den ersten 12-Inches, dem Beitrag zur "Superrappin"-Compilation, den Touren mit Lootpack und High & Mighty merkten wir, dass wir uns nicht zu verstecken brauchten. Auf meinen Reisen nach New York, London und Paris hatte ich dann immer Kartons mit Vinyls dabei und so kam es, dass die Scheiben irgendwann in den Regalen bei Fat Beats und Mr. Bongos standen und sich auch international Fans für Square One interessierten. Unser Vertrieb konnte das Album damals in mehrere Länder exportieren. In Japan wurde es sogar von einem kleinen Label lizensiert und in einer leicht veränderten Version veröffentlicht.
Wie war das Feedback aus dem Ausland? René: Positiv - insbesondere von Leuten, die auf klassischen HipHop-Sound standen. Die waren zuerst überrascht, so nach dem Motto: "From Germany? Really?" - und dann sehr angetan. In den USA waren um die Jahrtausendwende mit Timbaland, Swiss Beatz und den Neptunes eher minimalistisch klingende Produktionen ohne Samples erfolgreich. Als dann eine Crew aus München mit klassischen, sampleheavy Tracks daherkam, hat das durchaus für Verwunderung gesorgt. Sizzerhand: Wir bekommen selbst heute noch Reaktionen auf unser Album. Schon nach der ersten 12-Inch ging das los. Aus Frankreich, Japan und sogar Neuseeland kamen gute Resonanzen. Mit der "State Of The Art"-Maxi gab's dann einen richtigen Schub.
Nun jedoch der Re-Release von "Walk Of Life" zum 15. Jubiläum. Das Album war seit Jahren vergriffen. Es wird jetzt erstmals über digitale Kanäle erscheinen und auch wieder auf Vinyl und CD erhältlich sein. Fans und Sammlern spendieren wir eine limitierte 4-Vinylbox samt Instrumentals und einem Mixtape. Darauf gibt es unveröffentlichte Beats und Songs aus der Produktionszeit 1998-2001 zu hören. Sizzerhand: Ein Zeitsprung zurück in die Golden Era, deshalb haben wir die auch "Day One" genannt.
"Schon die erste Single ‚Mind.Body.Soul' hat mich total geflash. Es war dieser amerikanisch klingende Sound und der krasse Flow von Ali." - Sascha "Busy" Bühren, Truebusyness
Zu Alis Soloalbum "Writing Colours" (erschienen als Juice-CD-Beilage #137) hast du wieder einen Beat beigesteuert. Edward hat 2006 eine Square-One-Myspace-Seite eingerichtet, was die Hoffnungen auf eine Reunion nährte. Sizzerhand: Ich habe die Seite damals gestartet, weil immer noch sehr viel Feedback aus aller Welt kam und ich Fans eine Plattform geben wollte, mit uns in Kontakt treten zu können. Ali zog nach Kanada, Scott in die USA, Myspace hat uns zumindest digital wieder zusammengebracht. 2008 haben Ali und ich langsam wieder Kontakt aufgenommen und dabei tatsächlich über eine Square-One-Reunion gesprochen. Er sollte zuerst sein Album fertig machen, danach wollten wir wieder loslegen.
Dazu ist es nicht mehr gekommen. Ali Rasul verstarb am 11. Mai 2010 an einem Herzinfarkt in Vancouver. Welchen Bezug habt Ihr heute noch zur HipHop-Szene? Sizzerhand: Ich lege immer noch regelmäßig auf und plane weitere Releases. Seit 2010 mache ich in Honig und habe in München meine eigene Imkerei sizzerbees.com gegründet. Ich höre mir viele Sachen an, kann aber mit dem Großteil wenig anfangen - egal ob aus Deutschland oder Amerika. Sehr hohe Quantität, aber wenig Qualität. Interessant finde ich seit circa zwei, drei Jahren die Instrumental-Musik-Szene, die einige gute Produzenten hervorbringt. Ich selbst war seit fünf Jahre überhaupt nicht mehr aktiv. Erst letztes Jahr, als ich die Anfrage für einen Masta-Ace-Remix erhalten habe, packte mich wieder die Lust. Es macht wieder Spaß, Beats zu basteln. Schaun mer mal, was in Zukunft kommt.
Text: Andreas Purzer Fotos: Mika Väisänen