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Interview

Jason Derulo im NOIZZ-Interview – über sein Riesen-Ego, TikTok-Fame und ausgeschlagene Zähne


Seitdem der US-amerikanische Singer-Songwriter Jason Derulo mit "Watcha Say" im Alter von 20 Jahren seinen ersten Hit hatte, sind die weltweiten Charts sein zweites Zuhause. Im Interview hat der heute 30-Jährige NOIZZ verraten, wie es sich nach über zehn erfolgreichen Jahren im Musik-Business anfühlt, jetzt TikTok-fame zu sein, ob er sich für sein virales Video wirklich die Vorderzähne ausgeschlagen hat – und warum er in jedem Song seinen Namen singt.

Ich muss nur Jason Derulo sagen, und schon hast du die Stimme des US-amerikanischen Singer-Songwriters im Kopf, die der 30-Jährige immer zu Beginn seiner unzähligen Hits singt. Gleichzeitig mit Derulos Stimme ploppen auch einige Begleitvorstellungen auf: ein bisschen Nostalgie, ein bisschen Tanzlust – und bei vielen auch ein bisschen Belustigung. So richtig ernst genommen, wird der Künstler hierzulande nämlich lange nicht von allen.

Dabei gehört Jason Joel Desrouleaux, wie Derulo bürgerlich heißt, ob man nun auf seine Musik steht oder nicht, seit Jahren zu den weltweit erfolgreichsten Künstler*innen im Game und – was viele nicht wissen – zu den aktuell größten Stars auf TikTok.

Vor dem NOIZZ-Interview mit Derulo weiß ich trotzdem nicht, worauf ich mich einstellen soll: Bisher fand ich, kam der Typ immer gleichzeitig erfrischend selbstironisch und etwas zu selbstverliebt rüber. Beispiel: Auf der einen Seite schlägt er sich (und Will Smith) auf TikTok fürs reine Entertainment die Zähne aus; auf der anderen Seite postet er ein Bild seines halb steifen Penisses auf Instagram und verkündet, nachdem das Quasi-Dick-Pic von der Plattform gelöscht wird, dass sein steifer Penis ein noch ganz "anderes Biest" sei.

Riesen-Ego und dabei ultra-sympathisch – wie geht das?!

Der Jason, den ich im Interview kennenlerne, ist dann ... irgendwie auch beides: Er nimmt sich sehr ernst und dann wieder nicht – und das auch noch auf die charmanteste Art möglich. Er lacht zum Beispiel herzlich, als ich ihn frage, ob er nach den Desaster-Kritiken noch einmal im Musical-Film "Cats" (2019) mitspielen würde; oder antwortet nach langer Überlegung ehrlich auf meine Frage nach seinem enormen Selbstbewusstsein. Dann sagt er wieder Sachen wie: "Ich kann zwei Stunden lang auf der Bühne stehen, und die Leute kennen jedes Lied" oder "Ich mache einfach großartige Musik".

Am Ende ist mir der Typ trotzdem verdammt sympathisch. Und die Wahrheit ist: Jason Derulo kann sich das Selbstbewusstsein leisten. Denn, wie man es auch dreht, was dahinter steckt, ist eine Menge harter Arbeit und eine Menge Erfolg.

Denk nur mal drüber nach: "Watcha Say", "In My Head", "Ridin' Solo", "Don't Wanna Go Home", "Talk Dirty", "Trumpets", "Wiggle (feat. Snoop Dogg)", "It Girl", "Want to Want Me", "Take You Dancing", "Savage Love", ... die Liste ist lang. Bei wie vielen Jason-Derulo-Songs kannst du auf Anhieb mitsingen? Mit wie vielen verbindest du eine konkrete Erinnerung aus deiner Jugend oder Kindheit? Wie oft hast du mindestens einen Song in dieser Woche irgendwo im Hintergrund spielen hören? Siehst du. (Wenn du mir nicht glaubst, dann klick dich doch mal durch Derulos Spotify.)

Seit der Sänger 16 ist, schreibt er Songs für sich und andere namhafte Künstler*innen, im Alter von 20 Jahren kommt mit "Watcha Say" schließlich sein erster Nummer-eins-Hit. Zuletzt schaffte Derulo es mit seiner aktuellen Single "Savage Love" wieder an die Spitze der weltweiten Charts. Damit hatte der 30-Jährige offiziell in drei aufeinander folgenden Jahrzehnten Top-10-Hits.

Im NOIZZ-Interview erzählt er, dass der Erfolg sich trotzdem immer wieder aufs Neue besonders anfühlt. Wir sprechen außerdem über seine allererste Tour mit Lady Gaga, seine Freundschaft zu Will Smith und potentielle TikTok-Stalker*innen.

Jason Derulo im NOIZZ-Interview

NOIZZ: Du singst in deinen Songs am Anfang immer deinen Namen. Wieso eigentlich und wie kam es dazu?

Jason Derulo: Als ich angefangen habe, wollte ich, dass die Leute wissen, wer in dem Song singt. Ich schätze, ich wollte mich der Welt vorstellen. Dann hat sich das so durchgesetzt. Ich habe zwischendurch damit aufgehört und es in den Ruhestand geschickt (lacht) – aber die Nachfrage danach war ziemlich groß, also habe ich es in diesem Jahr wieder zurückgebracht.

"Watcha Say" war dein erster Nummer-eins-Hit vor über zehn Jahren. Du warst damals 20 Jahre alt – und jetzt bist du immer noch hier, immer noch super erfolgreich. Mir kommt das wie eine Ewigkeit vor. Wenn du an diese Zeit zurückdenkst, an deine Anfänge, was geht in deinem Kopf vor?  

Derulo: Ich war jung und war noch dabei alles herausgefunden, weißt du. Ich war damals schon sehr ehrgeizig und hatte große Träume. Ich schaute zu erfolgreiche Menschen hoch und versuchte, herauszufinden, wie ich genauso sein kann wie sie. Wie ich einer der Großen werden kann mit einer sehr langen Karriere.

Lange Zeit war es nur eine Suche, der Versuch, mich selbst zu finden. Ein paar Jahre später, wurde mir klar, dass es ausreicht, einfach ich selbst zu sein und gute Lieder zu machen. Mir wurde klar, dass ich großartige Songs mache und dass das schon reicht.

Hattest du jemals damit zu kämpfen, so jung so viel Aufmerksamkeit zu bekommen?

Derulo: Ich glaube, ich habe in einem guten Alter angefangen. Mein erster Song kam heraus, als ich 19 war. Zu diesem Zeitpunkt war ich alt genug, um die Höhen und Tiefen des Lebens zu kennen.

Hast du eine Lieblingserinnerung von dieser Zeit? 

Derulo: Alles war so frisch und neu für mich. Meine erste Tournee war mit Lady Gaga. Ich musste ein 30-minütiges Set vor ihr performen. Ich erinnere mich daran, zu denken: Wie zum Teufel soll ich 30 ganze Minuten auf der Bühne füllen?

Ich hatte zu dieser Zeit nur zwei Lieder raus. Also habe ich zusätzlich zu "Watcha Say" und "In my Head" eine akustische Version von "In my Head" und eine Hip-Hop-Version von "Watcha Say" gemacht, um die Zeit zu füllen. Es ist schon interessant, in ein vollständiges Set von Hits zu wachsen. Jetzt kann ich zwei Stunden lang auf der Bühne stehen, und die Leute kennen jedes Lied. 

Jason Derulo, der "King of TikTok"?

Du hast über 35 Millionen Follower auf TikTok. Einige nennen dich sogar den "King of TikTok". Wie bist du überhaupt zu der App gekommen?  

Derulo: Eine Freundin von mir fragte mich, ob ich eine Challenge mit ihr machen würde. Ich dachte, ich probier's mal aus. Ich war schon auf Musically, habe dort aber nichts gepostet. Danach probierte ich eine weitere Challenge aus und merkte, dass es sehr viel Spaß macht, also machte ich weiter. Und jetzt bin ich hier.

Was gefällt dir an TikTok? 

Derulo: Die Freiheit, die du hast. Du kannst alles machen. Andere Apps können ein bisschen eindimensional sein – und oberflächlich. TikTok ist das genaue Gegenteil davon. Die Leute kommen dort hin, um sie selbst zu sein. Auf anderen Seiten protzen Leute mit Autos und Schmuck – auf TikTok kümmert sich niemand darum. Die Leute dort wollen sehen, wer du bist und was du gerne machst. Es ist einfach viel künstlerischer und macht viel mehr Spaß – und ich liebe es, Spaß zu haben. Für mich ist es die perfekte App.

Du hast für deine Videos auf TikTok auch mit Will Smith zusammengearbeitet. Wie ist das genau zustande gekommen? Seid ihr befreundet? 

Derulo: Ja, jetzt sind wir es. Er hat mich kontaktiert und mir gesagt, dass er meine Arbeit schätzt. Also haben wir beschlossen, etwas zusammen zu machen. Es hat großen Anklang gefunden, also haben wir einfach weiter gemacht. 

Dein Running Gag auf TikTok ist, dir oder jemand anderem – zum Beispiel Will Smith – die Vorderzähne auszuschlagen. Wie kommst du auf solche Ideen? 

Derulo: Es ist so ähnlich wie beim Schreiben von Liedern: Etwas Lustiges passiert in deinem Leben, und du denkst dir: Oh, das könnte ein TikTok sein. 

Also, hast du dir wirklich einmal deine Vorderzähne ausgeschlagen? 

Derulo: (zögert) Nein, wir dachten einfach, es wäre lustig. 

Das Durchschnittsalter auf TikTok ist ziemlich jung. Einige von den Leuten dort kennen deine Anfänge wahrscheinlich gar nicht so genau, sondern kennen dich eher als TikTok-Star. Ist der TikTok-Fame irgendwie anders als der, den du zuvor kanntest? 

Derulo: Die Leute kennen mich einfach viel besser. Auf TikTok haben sie einen Einblick in mein Leben. Sie sehen, wer meine Nichte ist, wie mein Schlafzimmer aussieht, meine Küche, meine Persönlichkeit ... Mit Musik bekommst du diese Art von Einblick nicht.

Machst du dir denn gar keine Sorgen um deine Privatsphäre, wenn die Leute so viel über dich wissen? 

Derulo: Hmmm ... yeaaaah?! Ja, es könnte ein wenig seltsam sein, schätze ich. Ich sehe bisher niemanden, also im Moment ist alles in Ordnung (lacht). Ich bin einfach in meinem Haus, also ... ich weiß auch nicht. Ich schätze, wenn ich anfange, Leute vor meiner Haustür zu sehen, dann weiß ich nicht, wie ich mich fühle. Aber jetzt gerade macht es Spaß. 

Auf Sozialen Medien ist man anfälliger für Kritik und Trolle. In den Kommentaren können Leute ganz schön gemein sein. Wie gehst du mit dieser Negativität um? Oder juckt dich das gar nicht? 

Derulo: Natürlich lese ich Kommentare. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mich gar nicht berührt, wenn ich etwas Negatives lese. Aber ich habe immer im Hinterkopf, dass ich ein Vorbild bin. Deshalb werde ich so jemandem nicht antworten (lacht). Meine Vorbildfunktion ist viel wichtiger als die sofortige Genugtuung, die ich bekäme, wenn ich einem Hater Kontra geben würde. 

Welchen Einfluss hat TikTok auf deine Musik? Der Beat für "Savage Love" kam schließlich von TikTok, richtig? 

Derulo: Ich glaube nicht, dass TikTok meine Musik beeinflusst. Es ist wichtig, eingängige Sounds zu finden, die sich neu anfühlen und dich etwas fühlen lassen. Ich bin immer auf der Suche nach solchen Sounds und frischen neuen Produzenten. Es liegt nicht unbedingt an TikTok, ich mache einfach großartige Musik. Die qualitativ beste Musik zu finden, die es draußen gibt, ist vorausschauendes Denken. 

Jason Derulo über sein Riesen-Ego

Du scheinst in allem, was du tust, super selbstbewusst zu sein. Ist das wirklich so? Und wenn ja, wie bist du zu diesem Selbstbewusstsein gekommen?  

Derulo: (denkt) Ich schätze, es liegt einfach an meiner Arbeitsmoral. Wenn du so hart arbeitest wie ich, kannst du viel selbstsicherer sein, weil du weißt, wo du stehst. Ich kann das auf die Zeit beziehen, als ich Theater studiert habe. Wenn ich die ganze Nacht geprobt habe und den ganzen Tag damit verbracht habe, an einem Monolog zu arbeiten, ist das ist ein großer Unterschied dazu, als wenn ich den Monolog nur etwa 30 Minuten geübt hätte.

Wenn ich nur 30 Minuten hineingesteckt hätte, würde ich vor der Klasse stehen und verdammt nervös sein – weil ich weiß, dass ich den Monolog nicht kann. Aber wenn ich mich darauf vorbereite, werde ich mir meiner Arbeit sicher sein. Das kannst du auf jede Art von Arbeit beziehen. Je besser du vorbereitet bist, desto mehr Selbstvertrauen kannst du in dich selbst haben. Ich schätze also, mein Selbstbewusstsein kommt von der Arbeit, die ich investiere. 

Derulo bei der Weltpremiere von "Cats"

Du hattest mit "Cats" letztes Jahr dein Hollywood-Debüt. Nun haben die Leute den Film ja nicht gerade geliebt. Würdest du es trotzdem noch einmal machen? 

Derulo: (lacht laut los) Ja, ich würde es trotzdem noch einmal machen. Ich habe mit einigen der größten Talente der Welt zusammengearbeitet – mit den besten Schauspieler*innen, Tänzer*innen, Musiker*innen, einem erstklassigen Regisseur. Ich bin wie ein Schwamm: immer bereit, neue Dinge zu lernen. Das Ganze war eine riesige Lernerfahrung, und ich würde das nicht eintauschen wollen, nur weil es nicht gut angekommen ist. Erfahrungen sind viel wertvoller.

Du bist letztes Jahr 30 Jahre alt geworden. Einen großen Teil deines Lebens hast du erfolgreich in der Musik-Branche verbracht. Was hoffst du, halten deine 30er für dich bereit? Hast du irgendwelche konkreten Ziele? 

Derulo: Meine 20er waren fantastisch, um mich vorzubereiten, und meine 30er sind meine Gelegenheit, einfach meine Ziele zu verfolgen. Jetzt ist meine Zeit. Die 30er sind erst der Anfang, die Goldenen Jahre.