Der Besuch von Wallfahrtsorten gehört zum Katholischsein dazu. Dort stößt man immer wieder auf Wände mit Dankesbekundungen - "Maria hat geholfen" ist da zu lesen neben Bildern von ersehnten Kindern. Sie machen anderen Hoffnung, dass vielleicht auch ihr Gebet erhört werden wird.
Mit diesem Wunderglauben kam ich das erste Mal durch meine Großmutter in Berührung. Sie hatte eine Plastikflasche in Form einer Madonna bei sich stehen, gefüllt mit Wasser aus der Quelle von Lourdes - dem Wallfahrtsort in Frankreich, wo Maria 1858 an einer Quelle erschienen ist und wohin heute massenhaft Menschen pilgern, um das Wasser zu trinken, darin zu baden und um Heilung zu bitten.
Die Flasche meiner Oma hatte ich fast vergessen, bis ich neulich durch einen Auftrag wieder an Lourdes erinnert wurde. Ich sollte die Kurzbiografie einer Frau verfassen, die dort tatsächlich geheilt worden war. Die Frau litt seit Kindheitstagen an schwerer Tuberkulose, später mussten ihr große Teile des Magens entfernt werden und sie erblindete. Als bei der Prozession in Lourdes der Priester mit der Hostie an ihrem Krankenbett vorbeiging, wurde sie bewusstlos. Ihre Begleiter hielten sie für tot, doch sie kam wieder zu sich und verkündete, sie sei geheilt und könne wieder essen. Tatsächlich aß sie kurz darauf ein ganzes Menü und später - für mich am eindrücklichsten - kehrte auch ihr Augenlicht zurück. Bei einem von der Tuberkulose zerstörten Sehnerv ist das eigentlich unmöglich. Das kann man nicht vortäuschen.
Im Christentum sind Wunderheilungen nichts Ungewöhnliches. Die Bibel ist voll von solchen Geschichten, und auch heute werden sie immer wieder bezeugt. Nur spricht man darüber in Kirchenkreisen nicht so gern - es scheint nur schwer vereinbar mit einer aufgeklärten Kirche. Dabei hoffen heute immer mehr Menschen auf unkonventionelle "Therapien". Das kann man auch an der wachsenden Anzahl von Filmen über "Selbstheilungskräfte" sehen, die gerade auf den beliebten Streaming-Portalen zur Auswahl stehen. So zum Beispiel die amerikanische Dokumentation Heal aus dem Jahr 2018. Sie porträtiert Menschen, die trotz einer fatalen Diagnose gesund wurden.
Es wird auch das Beispiel einer kranken Frau erzählt, deren Bruder mithilfe einer Facebook-Gruppe Hunderte zum Gebet für sie animiert. Er erzählt ihr davon, sie wird gesund. Eine Gruppe von Wissenschaftlern versucht danach zu erklären, warum es etwas nützt, wenn andere für uns beten und wenn Menschen heilige Orte aufsuchen. Sie kommen dem Phänomen jedoch nicht ganz auf die Spur. Was die Doku aber feststellt: "Unser Glaube daran, dass der Krebs uns tötet, ist größer als unser Glaube an die Kraft Gottes." Hier kann die Kirche zu mehr Vertrauen und positiven Gedanken motivieren, wenn sie es wieder wagt, Kranke bewusst zu Wallfahrten einzuladen - und ihnen damit auch die Hoffnung schenkt, dass nicht alles von einem allein und von der Medizin abhängt.