Vor Kurzem wurden die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die untersucht hat, wie viele Priester, Diakone und pastorale Mitarbeiter sich eigentlich noch an den vorgeschriebenen Ablauf eines katholischen Gottesdienstes halten. Das Ergebnis hat mich nicht überrascht: Mehr als die Hälfte nimmt regelmäßig Veränderungen vor. Mehr als die Hälfte! Das deckt sich leider auch mit meinem persönlichen Erleben, es ist fast schon ein Glückstreffer, in manchen Teilen der Republik eine ordentliche Sonntagsmesse zu finden - bin ich die Einzige, die das dramatisch findet?
In den letzten Wochen habe ich das immer wieder mal angesprochen, und einige fanden es tatsächlich positiv, dass ein Seelsorger versucht, auf die Bedürfnisse der Gemeinde einzugehen, und die vermeintlich starren römischen Vorgaben abändert. Ich dagegen kann gar nicht mehr alle Momente aufzählen, in denen ich mich im Gottesdienst geärgert habe, weil ein Priester sein theologisches Verständnis über die Einheit der Kirche und die Kraft des Rituals gestellt hat. Die schmerzhafteste Stelle ist für mich das Hochgebet bei der Wandlung. Dieser Moment ist doch der Kern, wo eigentlich alles still wird, wo das bewegende Kreuzesgeschehen im Mittelpunkt steht, wo die Ungeheuerlichkeit dieses Opfers und dieser Liebe Gottes zu den Menschen wahrhaft präsent wird - und das die immer gleichen Worte lebendig werden lassen. Dass dies in allen katholischen Kirchen gleich vollzogen wird, habe ich immer als etwas sehr Besonderes und Verbindendes erlebt. Wie kann man daran nur Hand anlegen?
In den letzten fünf Jahren bin ich mehrfach umgezogen, vom Neckar an die Spree bis zur Isar, und habe auch im Ausland gelebt. Im Gottesdienst war ich immer zu Hause und fand im Ritual Kraft für den Alltag. Allerdings vorausgesetzt, dass ich eine Gemeinde gefunden habe, die mir eine ganz normale katholische Messe bieten konnte. Dabei sollte das die Regel sein - das Kirchenrecht spricht dem Gläubigen nicht ohne Grund ein Recht auf eine ordentliche Liturgie zu. Auch das Zweite Vatikanische Konzil schreibt, dass niemand, "auch wenn er Priester wäre, nach eigenem Gutdünken in der Liturgie etwas hinzufügen, wegnehmen oder ändern" darf (SC 22). Diese Perspektive fehlt mir bei Geistlichen, die "ihre" Messe feiern, statt sich an die Vorgaben zu halten.
Dabei habe ich gar nichts dagegen, wenn in kleineren, vertrauten Gruppen etwas abgeändert wird. Es gibt dafür ja durchaus auch zulässige Spielräume. Bei Exerzitien habe ich das auch schon als schön erlebt. Der Unterschied zur Gemeindemesse, die öffentlich ist und jeder besuchen kann, ist nur, dass sich bei einer solch intimen Feier alle kennen und ein Konsens besteht. Diese Zustimmung gebe ich nicht, wenn ich eine normale Sonntagsmesse besuche. Dort erwarte ich eine Liturgie, die mich in der Einheit mit der Kirche beten lässt. Ich möchte nicht durch Unerlaubtes aus diesem Gebet gerissen werden. Priester, die sich und ihre eigenen theologischen Erkenntnisse demütig hinter dem vorgeschriebenen Ablauf zurücknehmen, sind für mich die wahren Helden. Durch sie lebt die Kraft des Rituals weiter und damit ein Zuhause bei Gott, das man überall finden kann.