Missionarisch Kirche sein - ein Wortpaar, das oft eher gut gemeint als Floskel in irgendeinem Papier auftaucht, als dass es wirklich in die Tat umgesetzt wird. Gehört halt dazu. Dass das einmal auch hierzulande so richtig anders war, hat mir mein erster Besuch in Fulda bewusst gemacht.
Bisher kannte ich die Stadt nur als ICE-Stopp auf dem Weg nach Berlin. Hätte ich gewusst, was für eine wunderbar barocke Welt sich hinter dem schnöden Bahnhof verbirgt, wäre ich schon viel früher einmal ausgestiegen. Auf dem Weg zu einer Veranstaltung wollte ich noch den Dom besichtigen und sah schon von Weitem eine große beeindruckende Statue. Ein Mann mit langem Bart und Haar streckt dort ein Kreuz in die Höhe, in der anderen Hand hält er ein Buch. Auf dem Sockel eine goldene Inschrift: "Verbum Domini manet in aeternum" - Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit. Es ist Bonifatius, der im Dom zu Fulda begraben liegt.
Eine Bilderbuchbasilika, die hervorragend restauriert den Besucher nur staunen lässt. Das zieht dann wohl auch die vielen Gruppen an, die ständig durch das Gotteshaus geführt werden und ein stilles Gebet fast unmöglich machen. Unter dem Hochaltar brennen in der Gruft zahlreiche Kerzen vor Bonifatius' letzter Ruhestätte. Ein Relief dient als Altarbild, dargestellt ist seine Ermordung - er ist zur Seite geneigt, ein Messer wird in seinen Kopf gestoßen.
Einige Besucher schockiert dieses Bildprogramm. Auch für die umliegenden Statuen brauchen sie Übersetzungshilfe. Warum dieser Frau da etwas aus dem Kopf wächst, will einer wissen. "Weil dargestellt ist, wie ein Dämon aus ihr ausfährt und sie Christin wird", erklärt die Führerin. Die Gruppe schweigt und zieht weiter, eine Kerze zündet niemand an.
Ich bleibe und beginne mich kurz mit Bonifatius' Vita zu beschäftigen, dem "Apostel der Deutschen". Für das, was er getan hat, kann man nun wirklich die Wortkombination "missionarischer Eifer" anbringen. Zig Klöster und Gemeinden hat er begründet, auch diese Kirche hier. Und wenn ich ihn da so anschaue im Augenblick seines Todes, frage ich mich, wie groß der Glaube sein muss, um so weit zu gehen. Mit der gleichen Frage stand ich schon einmal sehr bewegt in Rom vor dem Grab der heiligen Cäcilia, einer jungen Frau, die starb, weil sie Christin war, und von der eine zarte Figur geschaffen wurde, die sie so zeigt, wie man sie im Grab gefunden hat: auf der Seite liegend, mit drei ausgestreckten Fingern.
Selbst im Tod bekannte sie sich noch zum dreifaltigen christlichen Gott. Märtyrer gibt es bekanntlich auch heute noch. Als ich ein Bild vom Altarraum auf Instagram poste, kommentiert es ein junger Freund aus dem Iran: "Pray for us" - und ich muss schlucken. Mich beeindruckt die Ernsthaftigkeit, mit der er seinen Glauben lebt. Der Streit um Kreuze - ob in bayerischen Amtsstuben oder auf dem Tempelberg - muss ihm lächerlich vorkommen.
Eine Gedenktafel fällt mir auf. Johannes Paul II. hat hier einmal die Messe gefeiert und Folgendes gepredigt: "Mit Bonifatius begann gewissermaßen die Geschichte des Christentums in eurem Land. Viele sagen, die Geschichte neigt sich jetzt ihrem Ende zu. Ich sage euch: Diese Geschichte des Christentums in eurem Land soll jetzt neu beginnen, und zwar durch euch, durch euer im Geist des heiligen Bonifatius geformtes Zeugnis." Dafür habe ich dann auch mein Kerzlein angezündet.