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Die ständige Suche nach Frieden

Der israelische Botschafter Aviv Shir-On in einer Debatte zum Nahostkonflikt.

"Wir befinden uns zwar im Nahen Osten, jedoch nehmen wir am Eurovision Songcontest teil und spielen in Europa Fußball. Zuletzt beispielsweise haben wir gegen Rapid gewonnen!", eröffnet der israelische Botschafter Aviv Shir-On die Diskussion "Botschaften aus Europa", die der Standard in Kooperation mit dem Europäischen Wirtschaftsforum veranstaltet. Mehr als 50 Schüler haben sich zur Debatte in der Wiener Hauptbücherei eingefunden.

Nachdem der Botschafter den Schülern die Problematik, mit der sich Israel konfrontiert sieht, nähergebracht hat, meint ein Jugendlicher: "Es ist erschreckend, wie lange in Israel schon kriegs-ähnliche Zustände herrschen und was sich in der Region alles ereignet hat." Shir-On erzählt von Theodor Herzl, der in Wien lebte und die zionistische Bewegung Ende des 19. Jahrhunderts gegründet hat. "Der erste zionistische Kongress, der in Basel abgehalten wurde, forderte einen politisch unabhängigen Staat im Heiligen Land." Nachdem Shir-On ausführlich das politische System Israels beschrieben hat, wundert sich Gregor Trieb, Schüler des Caritas-Ausbildungszentrums: "Wie funktioniert es, dass in Israel fünf bis acht Parteien eine Koalition bilden und ihre Vorstellungen vereinbaren können?" In Wien könne er sich das nicht vorstellen. Shir-On lacht und meint, dass dieses System notwendig sei, um die funktionierende Demokratie aufrechtzuerhalten.

Der Botschafter, der zur Überraschung der Schüler keine Kippa trägt, betont, dass er damit den Großteil der Bevölkerung repräsentiere. Immer wieder stellt er die friedlichen Ambitionen Israels in den Vordergrund und meint, dass sich das Land gegen die umliegenden Staaten verteidigen müsse: "Denn diese wollen uns auslöschen." Daraufhin wirft Moderator Christoph Prantner (Ressortleiter der Standard-Außenpolitik) ein, dass dies aus der Sicht der Palästinenser vermutlich anders aussehe. Für einen Moment ist die Spannung am Podium spürbar. Shir-On hält an der Unschuld Israels fest und manövriert sich aus der Situation: "Eine Million Palästinenser haben die israelische Staatsbürgerschaft." Ihm sei aber bewusst, dass Israel und Europa verschiedene Positionen gegenüber dem Nahostkonflikt haben.

"Was sind Ihre Aufgaben als israelischer Botschafter in Österreich?", will Karoline Padivy, Schülerin der HLW 19 Straßergasse, wissen. Er vertrete Israel und dessen politische Interessen. Außerdem müsse immer ein gemeinsamer Nenner in Streitfragen gefunden werden. An dieser Stelle erzählt Prantner den Schülern von schweren Irritationen in den diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Israel: "Während der blau-schwarzen Regierung wurde der israelische Botschafter sogar aus Wien abgezogen." Auch unter Kreisky, der sich für die Palästinenser engagierte, unter Bundespräsident Waldheim, der eine nationalsozialistische Vergangenheit hatte, habe es Probleme gegeben, ergänzte Shir-On. Aber inzwischen stünde alles wieder zum Besten.

Die Lehrerin Michaela Reiner von der HLW 19 beschreibt die Stimmung ihrer Schüler auf der Heimfahrt: "Alle waren begeistert und schockiert zugleich. Sie haben gemerkt, wie schwierig es sein kann, Probleme zu lösen oder auch nur zu entscheiden, wer im Recht ist." 

(Alicia Prager, DER STANDARD, Printausgabe, 11.5.2011)

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