Text: Daniel Nutz und Alexandra Rotter
Wir stehen auf einer Bühne und haben rote Nasen im Gesicht.
Dämlich? Ja, ein bisschen. Aber diese Aufmache gehört zum Workshop von
Andreas Moldaschl. Für die NGO „Rote Nasen" bietet der ausgebildete
Clown Lachseminare für Unternehmen an. Sie dauern einen ganzen oder
einen halben Tag oder in der Kurzform zwei Stunden. Wir haben die
Kurzvariante gebucht. Moldaschl will, dass wir auf der Bühne den Clown
machen, spaßig sind, auf Zuruf, ohne Vorbereitung, einfach aus uns
heraus. So plaudert jeder von uns drauflos, versucht die anderen spontan
zu unterhalten. Der eine tut sich leichter, der andere kommt schwerer
in die Gänge. Am Ende lachen wir aber alle – über uns und mit den
anderen. Die Atmosphäre wird lockerer und kreativer. Als zweiten Punkt
geht es um die Simulation eines Verkaufsgesprächs. Ein Rollenspiel. Auf
Zuruf des Publikums müssen wir unsere Emotionen ändern. Ja, wir spielen
den Clown, es tut gut und man spürt, wie das Selbstbewusstsein in einem
steigt „Uns geht es darum, dass die Teilnehmer dieses Gefühl in die
Firma mitnehmen", sagt Moldaschl. Denn Spaß hilft, um auch im Job
voranzukommen – egal, ob es um eine knifflige Präsentation oder um ein
schwieriges Verkaufsgespräch geht, so weit die Verheißung des
Spaß-Trainers.
Spaß und Beruf, das gehört eigentlich nicht
zusammen. Beginnt doch spätestens mit dem Eintritt ins Erwerbsleben der
sprichwörtliche Ernst des Lebens. Den Witz bekommen die meisten aber
schon vorher ausgetrieben, in der Schule, wo der Klassenclown zwar immer
zu den Beliebteren zählte: Aber frag lieber nicht nach der
Karriereperspektive. Und es stimmt: Bloß witzig sein, ist zu wenig. Denn
Humor ist viel mehr als ein guter Witz: Das sagt Jumi Vogler. Die in
Berlin lebende Autorin hat eine Reihe von Büchern zum Thema Humor
verfasst und bringt diesen in Form von Vorträgen auch in Unternehmen.
„Humor beginnt dort, wo der Spaß aufhört", sagt sie. Aber eines muss
klar sein: Gute Chefs und gute Führungskräfte sind keine Clowns. Ihr
humorvoller Umgang mit Problemen und Krisen hilft ihnen vielmehr dabei,
diese auch zu bewältigen. „Humor ist Wachstum. Er ist eine Philosophie
für Veränderungsprozesse. Man erreicht dieses Ziel durch eine Mischung
aus Intelligenz, Menschlichkeit, Wertschätzung und Fehlertoleranz", sagt
Vogler. Somit wird Humor auch zu einer betriebswirtschaftlichen
Kategorie – die allerdings in vielen Unternehmen noch nicht angekommen
ist.
Erfolg lacht
Die noch relativ junge Humorforschung – seit zehn bis 15 Jahren wird
sie ernsthaft betrieben – bestätigt: Spaß hat wichtige Funktionen für
die Gesellschaft und das persönliche Vorankommen. Einer der Pioniere in
der deutschsprachigen Humorforschung ist Willibald Ruch. Der gebürtige
Kärntner mit Professur an der Universität Zürich erklärt die Wirkung des
Humors anhand eines profanen Beispiels: „Wenn ich bei der Arbeit ein
Problem habe und wie ein kopfloses Huhn herumrenne, komme ich auf keine
Lösung. Aber wenn ich auch die lustige Seite eines Problems sehe, kann
ich mich distanzieren und mein Kopf wird frei, mein Blickwinkel wird
dadurch breiter und ich kann Lösungen sehen." Angst bewirkt, dass
Handlungsoptionen eingeschränkt werden. Beim Tigerangriff können die
meisten an nichts anderes mehr als ans Weglaufen denken – positive
Stimmungen wie Humor haben dagegen genau die umgekehrte Funktion:
„Positive Emotionen erweitern das Verhaltensrepertoire." Außerdem helfen
sie dabei, langfristig Ressourcen aufzubauen. So würden etwa junge
Schimpansen in spielerischer Form miteinander kämpfen. Ruch: „Sie üben
den Kampf ein und probieren spielerisch etwas aus, denn im
Erwachsenenleben haben sie viele Feinde und müssen effektiv kämpfen
können."
In der Arbeitswelt lassen sich Humor und Spaß für genau
dieselben Zwecke einsetzen: Wer nach einer kreativen und innovativen
Lösung sucht – anstatt nach „more of the same" –, kommt eher ans Ziel,
wenn er seine Handlungsoptionen ausschöpft. Und dabei hilft es, sich auf
eine ernste Situation spielerisch vorzubereiten. Wissenschaftliche
Tests bestätigen die Wirkung von Humor auf das Wachstum von Kreativität.
Ruch: „Konfrontiert man Probanden der einen Gruppe zuerst mit lustigen
Filmen, und gibt man ihnen danach einen Kreativitätstest, sind sie
kreativer als eine andere Gruppe, deren Humor nicht aktiviert wurde."
Humorvolle Unternehmen
Humor ist also so etwas wie die Grundlage von Erfolg – jedenfalls
wenn es um kreative Herausforderungen geht. Der Arbeitswelt scheint aber
noch der Witz zu fehlen, sich auf diese innovative Kraft einzulassen
und somit ihr Potenzial auszuschöpfen. Wieso? Humortrainerin Jumi Vogler
glaubt die Antwort zu kennen. „Humor ist das Gegenteil von Macht. Das
Problem ist, dass unsere Arbeitswelt noch immer über Macht definiert
wird. Unsere kriegsgeprägte Großelterngeneration hat sich in einer Welt
voller Mängel durchgesetzt. Und das steckt noch in uns." Das Konzept der
Industrialisierung ist nach dem organisatorischen Vorbild der Armee
aufgebaut. Für Humor ist darin kein Platz. Arbeit darf keinen Spaß
machen, so wie Medizin bitter schmecken muss. Wenn es ums reine
Überleben geht, ist Humor tatsächlich nicht zweckdienlich. Humor ist
demnach auch nicht notwendig, um die Fließbänder und Maschinen des
Industriezeitalters zu bedienen und dadurch die Produktivität zu
steigern. Doch was tun wir, wenn diese im wahrsten Sinne des Wortes
spaßfreien Produktionsstätten aus Kostengründen nach China oder in
andere Schwellenländer wandern? Wenn die Wirtschaft der Zukunft auf
Innovation und Wissensarbeit basiert, funktionieren auch die Denkmuster
des industriell geprägten Wirtschaftssystems nicht mehr. Dort, wo es um
mehr als stupide Arbeiten geht, wo Teams miteinander komplexe Aufgaben
lösen müssen, bietet der Spaß den Zündstoff für Innovationen. Er ist
somit gleichzusetzen mit Unternehmenskultur. Doch wie bringt man ihn ins
Unternehmen?
Philipp Albrecht versucht Spaß in Neuerungs- und
Entwicklungsprozesse zu bringen. Für den Gründer der Erfindler GmbH ist
das räumliche Umfeld entscheidend, um Spaß und in weiterer Folge
Kreativität zu fördern. Er hat daher das Format Dreamalab ins Leben
gerufen, bei dem für Unternehmen außergewöhnliche Ideen gefunden werden.
Der Ansatz dahinter: Ideen sprudeln – das kennen wir alle – am besten,
wenn wir nicht in unserem gewohnten Umfeld sind, sondern an einem
anderen Ort, wo jede verrückte Idee, jeder noch so absurde Gedanke
erlaubt und sogar erwünscht ist. Neue Dinge brauchen Raum, um sich zu
entfalten. „Immer, wenn wir in einem Unternehmen kreativ sein sollen,
gibt es Erwartungen, es gibt Rahmen, und es gibt davor und danach
Stress", sagt Albrecht. Kreativität werde aber nicht durch Einengungen
und stressige Rahmenbedingungen hervorgerufen, sondern „durch Freiheit
und Vertrauen".
Freiräume schaffen
Freiheit und Vertrauen: Diese Gemütszustände führt Albrecht bei den
Teilnehmern seiner Dreamalabs hervor, indem er mit ihnen für drei Tage
aus dem Alltag aussteigt und eine Berghütte, einen See oder einen
Bauernhof aufsucht. Alles wird an diesen drei Tagen spielerisch und
humorvoll angegangen, aber der Hintergrund dieser Zusammenkünfte ist
eigentlich ernst, denn es geht darum, für ein Unternehmen Innovationen
zu finden, die letzten Endes den betriebswirtschaftlichen Erfolg
fördern. Ein solcher Auftrag könnte zum Beispiel heißen: Wir wollen
völlig neue Kundenschichten erschließen und sind auf der Suche nach
komplett neuen Wegen, das zu tun. Die Teilnehmer sind immer ein bunt
gemischter Haufen, zum Beispiel Medienmenschen, Designer und Lehrer, und
sie kommen bewusst nicht aus dem Unternehmen, das den Auftrag erteilt
hat. Wer sich bereiterklärt mitzumachen, weiß am Anfang weder, wer die
anderen Teilnehmer sind, noch, wer der Auftraggeber ist oder was konkret
die Aufgabe sein wird. Und: Selbst der Auftraggeber kennt die
Teilnehmer nicht. „Der Auftraggeber muss sich von allen Erwartungen
lösen", sagt Albrecht.
Am ersten Tag wird noch gar nicht
gearbeitet: „Wir gehen baden, essen gemeinsam und trinken Wein. Es geht
darum, auf eine Frequenz zu kommen, Vertrauen zu schaffen. Nur dann kann
man sich öffnen." Erst ab dem zweiten Tag werden Ideen gesponnen – auf
der Wiese, im Whirlpool, im Wasser. Um in die Gänge zu kommen, werden
auch Improvisations- und Kreativitätsübungen gemacht. „Dadurch fühlt es
sich überhaupt nicht wie Arbeit an, sondern macht unglaublich viel Spaß.
Bei einem Kunden sind dabei 90 Ideen herausgekommen, verrückte Sachen,
die auch mit relativ wenig Geld umzusetzen waren", sagt Albrecht.
Lustige Chefs
Spaß kann auch auf radikale Weise falsch verstanden werden. Den Beleg
liefert etwa eine amerikanische Supermarktkette, die vor einiger Zeit
ihren Mitarbeitern das Lachen verordnete. Oder manche Werbeagentur, wo
nach 18 Uhr die Prosecco-Korken knallen. Der Slogan „Unsere Arbeit macht
Spaß" droht dann zu einem oberflächlichen Etikett zu verkommen. Humor
auf Befehl – den gibt es in autoritären Staaten. Und auch dort findet
das nur die Obrigkeit lustig. Beim Humor im Unternehmen ist es so wie
bei einem guten Witz: Auch der entsteht von selbst und nur in einer
entspannten Atmosphäre.
So weit, so gut. Doch wie werden
Unternehmenskulturen nun humorvoller? Viele wünschen sich eine Anleitung
zum Lustigsein. Mit dieser Schwierigkeit hat Humortrainerin Jumi Vogler
häufig zu kämpfen. „In der Wirtschaft wollen die Leute
Standardlösungen", klagt sie. Der Spaß lässt sich aber nicht über ein
Einheitsmuster ins Unternehmen bringen. Humor ist immer eine
Kulturfrage. Gute Chefs lassen Humor zu und sind in vielen Fällen auch
selbst humorvoll. Und wer zum Lachen noch immer in den Keller geht, darf
sich trösten. „Über Humor verfügen die meisten. Bei manchen ist er nur
sehr tief verschüttet", meint Vogler. Es lohnt sich jedenfalls, danach
zu graben. Denn das Geschäftsleben ist ernst genug, und es gibt Zeiten,
in denen einem manche Probleme den Schlaf rauben. Humor kann helfen, in
solchen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren.