Alexandra Eul

Autorin, Moderatorin, Podcasterin, Köln

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MeToo-Debatte in Indien: Jetzt entlädt sich die kollektive Wut der Frauen

Indien gilt als eines der gefährlichsten Länder für Frauen. Wer sich hier wehren will, braucht viel Mut und noch mehr Unterstützung. Doch nun scheint das Schweigen gebrochen - durch den Tweet einer eher unbekannten Komikerin.

Es brauchte keinen großen Skandal wie die Weinstein-Affäre, um die MeToo-Debatte in Indien loszutreten. Mahima Kukreja, 28, war eine eher unbekannte Komikerin und Autorin. Doch sie hatte den Mut, etwas zu tun, das nur wenige Frauen wagen: sich offen gegen einen Mann aus ihrer eigenen Branche zur Wehr zu setzen und ihm sexuelle Belästigung vorzuwerfen.

Dieser Mann ist der Comedian Utsav Chakraborty, damals Mitglied der angesagten Comedy-Gruppe All India Bakchod - und ein erklärter Frauenversteher, ausgerechnet. Anfang Oktober twitterte Mahima Kukreja: „Ich möchte, dass alle wissen, dass @Wootsaw (so der Twittername von Chakraborty, Anm. d. Red.) ein Stück Scheiße ist. Er hat mir Fotos von seinem Schwanz geschickt und dann rumgeheult, dass ich seine Karriere ruiniere, wenn ich es erzähle. Ich habe zwei der einflussreichsten Männer der indischen Comedy-Szene informiert. Es ist nichts passiert."

Es dauerte nicht lange, da meldeten sich zahlreiche Frauen bei Kukreja, die von ähnlichen Erfahrungen berichteten. Chakraborty geriet unter Druck und entschuldigte sich („Ich war ein Stück Scheiße!"), aber es war zu spät. Er flog aus der Comedy-Truppe. Und die Inderinnen begannen, MeToo zu sagen.

„Was würde passieren, wenn eine einzige Frau die Wahrheit über ihr Leben erzählte? Die Welt würde aufreißen," schrieb einmal die amerikanische Feministin Muriel Rukeyser - und es scheint, als würde diese berühmte Prophezeiung nun ausgerechnet in Indien Realität werden.

Der Tweet der Autorin Kukreja hat einen Nerv in einem Land getroffen, in dem sexuelle Übergriffe noch oft verschwiegen werden. Indien gilt als eines der gefährlichsten Länder für Frauen, wer sich wehren will, braucht viel Mut und noch mehr Unterstützung. Dafür scheint die Zeit nun reif. Immer mehr Frauen, die Diskriminierung und sexuelle Belästigung erlebt haben, melden sich in diesen Tagen, Netzwerke entstehen, eine gesellschaftliche Debatte beginnt, die von Delhi bis Chennai reicht. (...)

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