SENDETERMIN So, 28.02.16 | 23:05 Uhr | Das Erste
US-Künstler fordern die Selbstermächtigung der Schwarzen
Noch ist völlig offen, wer am 8. November das Rennen um das höchste Amt in den Vereinigten Staaten macht. Eines aber steht schon heute fest: Nach Barack Obama wird diesmal nicht wieder ein Schwarzer oder eine Schwarze ins Weiße Haus einziehen.
Vor allem Hillary Clinton und Bernie Sanders, die beiden Kandidaten der Demokraten, werben um die Stimmen der Afroamerikaner. Unterstützung finden sie bei schwarzen Künstlern und Intellektuellen wie Beyoncé, dem Rapper Kendrick Lamar und dem Autor Ta-Nehisi Coates, der gerade mit seinem hochgelobten Buch "Zwischen mir und der Welt" für Aufsehen sorgt.
Protest gegen Ausgrenzung und GewaltAngesichts der rassistischen und fremdenfeindlichen Kampagne von Donald Trump ist die Stimmung in den USA gespannt - zumal in den letzten Monaten immer wieder Fälle von maßloser Polizeigewalt gegen junge Afroamerikaner Proteste im ganzen Land ausgelöst haben.
Dagegen formiert sich die "Black-Lives-Matter"-Bewegung, die die systematische Diskriminierung der Schwarzen anprangert. Sie erhält Auftrieb durch spektakuläre Aktionen von Künstlern oder die Kampagne #oscarsowhite, die vor der Oscar-Verleihung auf die mangelnde Repräsentation der Schwarzen in Hollywood aufmerksam macht.
Auftritt in KettenBei der Grammyverleihung sorgte der Rapper Kendrick Lamar für Furore, der in diesem Jahr für sein hochpolitisches Album "To Pimp a Butterfly" ausgezeichnet wurde. Er nutzte die Preisverleihung, um mit einer Performance in Ketten den alltäglichen Rassismus im amerikanischen Justizsystem anzuprangern und einen Bogen zu schlagen von der Sklaverei in die Gegenwart.
Schwarz und stolzNur eine Woche zuvor hatte Beyoncé, die ungekrönte Königin des globalen Pop, beim Super Bowl in Kalifornien ein Millionenpublikum in Wallung versetzt: Die 34-Jährige bekannte sich öffentlich zu ihrer schwarzen Identität. "I like my negro nose with Jackson Five nostrils", heißt es in ihrem Song "Formation".
Doch damit nicht genug: Die Choreografie ihres Auftritts war eine unmissverständliche Hommage an die Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre und ihren charismatischen Anführer Malcom X, dessen Ermordung 1965 Anlass war für die Gründung der Black Panther Party.
"Sie wollte ein klares politisches Statement setzten und bringt uns mitten hinein in die aktuelle Diskussion um die Epidemie von Polizeigewalt gegen schwarze und braune US-Bürger", sagt die Journalistin Syreeta McFadden, die unter anderem für den Guardian schreibt und in den sozialen Medien präsent ist. "Die Verneigung vor den Black Panthers war eine wunderbare Geste. Es war eine Bewegung für soziale Gerechtigkeit, die sich spiegelt in vielen der aktuellen Protestbewegungen. All diese Aktivisten, alle diese verschiedenen Generationen sind im selben Kampf vereint."
Beyoncés Auftritt stieß allerdings auch auf vehemente Kritik. Vor allem ihre Verbeugung vor der radikalen Black Panther Bewegung versetzte das weiße Amerika in Unruhe. "Schwarze Entertainer haben auch früher schon schwarze Realität interpretiert", erläutert Marcellus Blount, Professor an der Columbia University für Black American Studie. "Aber sie wurden nicht unbedingt als politische Statements verstanden. Jetzt jedoch nutzen Künstler wie Beyoncé den Augenblick. Sie wissen um ihre Macht, ihr Publikum zu überzeugen, und sie verknüpfen die alte mit neuen Bewegungen wie Black Lives Matter."
Die Zukunft ist schwarzDie USA sind noch immer ein tief gespaltenes Land. Für viele Afroamerikaner haben sich die Hoffnungen, die sie mit Barack Obama verknüpften, nicht erfüllt. Und sie stehen jetzt vor der Frage, wer in Zukunft ihre Interessen vertritt. Hillary Clinton, für die sich Beyoncé stark macht? Oder Bernie Sanders? Beide werden damit umgehen müssen, dass die Schwarzen wie die Bürgerrechtsbewegung in den 1960er-Jahren auch heute wieder mit großer Energie ihre Selbstermächtigung fordern.
Stand: 29.02.2016 11:35 Uhr