Alexander Stirn

Freier Wissenschaftsjournalist, München

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Esa-Astronaut Gerst: Der Mann soll zum Mond

Esa-Astronaut Gerst: "Der Mond ist das nächste logische Ziel" (Foto: ESA)

Die geplante Mondmission der Nasa bringt die Europäer in die Bredouille: Gern würden sie Alexander Gerst dafür nominieren. Doch dann bräuchte die Esa einen anderen deutschen Astronauten für Flüge zur ISS. Und wer sollte das sein?

Von Alexander Stirn

Längst sind noch nicht alle Bilder bearbeitet, alle Daten ausgewertet und alle wissenschaftlichen Ergebnisse der jüngsten Mission veröffentlicht - dennoch: Gut sechs Monate nach der Landung ihres Raumfahrt-Stars Alexander Gerst planen die Deutschen bereits den nächsten Flug ins All. Ende 2018 soll ein deutscher Astronaut zur Internationalen Raumstation ISS fliegen, dort leben, arbeiten und forschen.

Entsprechende Pläne der Europäischen Raumfahrtagentur Esa hat Johann-Dietrich Wörner, Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE nun erstmals bestätigt: "Es wird, voraussichtlich Ende 2018, wieder einen Flug eines deutschen Astronauten oder einer deutschen Astronautin zur ISS geben."

Einen entsprechenden Beschluss hätten vergangenen Dezember die Minister der Esa-Staaten in Luxemburg gefasst, die für den Flug verantwortlich sind. "Vor zwei Wochen hat dies der zuständige Programmdirektor für die bemannte Raumfahrt im Esa-Rat noch einmal bestätigt", sagt Wörner. Auch die Finanzierung des deutschen Anteils der Mission, so ist aus dem Bundestag zu hören, sei bereits beschlossene Sache. Gersts Flug hat die Deutschen, zusätzlich zu ihrem Anteil an den Esa-Kosten, nach DLR-Angaben rund 21 Millionen Euro gekostet.

Ob Alexander Gerst, der mit seinen Aktivitäten in den sozialen Netzwerken zuletzt einen kleinen Raumfahrt-Boom in Deutschland ausgelöst hat, erneut fliegen wird, ist allerdings noch offen. Die Deutschen haben mit ihm eigentlich Größeres vor: "Alex zum Mond" steht etwas versteckt auf Seite 5 einer Präsentation, die das DLR-Raumfahrtmanagement bereits im Vorfeld von Gersts erstem Flug verteilt hat.

Die Idee dahinter: Um ihren Anteil an den ISS-Betriebskosten zu finanzieren - und damit die Fluggelegenheit im Jahr 2018 erst möglich zu machen - baut die Esa für die Amerikaner das sogenannte Servicemodul des nächsten US-Raumschiffs "Orion". Darin stecken ein eigener Antrieb, die Energieversorgung sowie Wasser und Sauerstoffvorräte fürs Raumschiff. 2018 soll "Orion" mitsamt dem Servicemodul zunächst unbemannt den Mond umrunden; 2021 plant die US-Raumfahrtbehörde Nasa dann eine bemannte Mission - vermutlich zum Mond, vielleicht auch zu einem Asteroiden.

Insgeheim hoffen die Europäer, dabei einen der bis zu vier Sitzplätze an Bord des Mondfliegers ergattern zu können. Und Deutschland, das mit etwa 40 Prozent den Löwenanteil der europäischen ISS-Kosten trägt, stünde in der ersten Reihe.

Bislang sind das nur Gedankenspiele. "Die Details müssen wir mit der Nasa abstimmen", sagt Wörner, der im Juli vom DLR-Chefposten auf den der Esa wechseln wird. "Noch ist nichts endgültig entschieden." Gerst selbst würde es freuen. Bei seiner ersten Pressekonferenz nach der Landung im vergangenen November meinte der Geophysiker: "Der Mond ist das nächste logische Ziel. Ich hätte nichts dagegen, wenn es eine Mission dorthin geben würde."

Doch bekäme Deutschland die Chance, Gerst zum Mond zu schießen, müsste ein anderer Landsmann 2018 Dienst auf der Raumstation schieben. Nur wer? Unter den sechs jungen Esa-Astronauten, die die Agentur 2009 aus 8413 Bewerbern ausgewählt hat, befindet sich mit Gerst nur ein Deutscher.

Allerdings existiert eine Nachrückerliste mit Kandidaten, die zwar geeignet gewesen wären, die es aber - vor allem aus Gründen des Nationalitätenproporzes - nicht ins Astronautenkorps geschafft haben. Auf dieser "Shortlist" soll, so heißt es beim DLR, auch mindestens ein Deutscher sein. Eine Frau, die dringend gesuchte erste deutsche Astronautin (nach bislang elf Männern), findet sich dort indes nicht.

Statt erneut einen teuren und langwierigen Bewerbungsprozess zu starten, überlegt die Esa derzeit, auf diese Shortlist zurückzugreifen - sofern Bedarf an zusätzlichen Astronauten besteht.

Viel Zeit kann sie sich nicht lassen: Luca Parmitano, erster ISS-Bewohner aus der neuen Astronautenklasse, begann im September 2009 seine Grundausbildung, 14 Monate später wurde er offiziell zum Astronauten ernannt. Ins All startete er allerdings erst im Mai 2013, nach einer etwa zweijährigen Missionsausbildung. Selbst wenn sich der Prozess straffen ließe, müsste bei einem Flug Ende 2018 bald die Entscheidung für einen neuen Astronauten fallen.

Theoretisch gibt es noch eine andere Möglichkeit. Auch vor 2009 beschäftigte die Esa bereits Astronauten. Zehn aktive Raumfahrer aus dieser Ära listet die Homepage des Europäischen Astronautenkorps auf. Darunter sind auch zwei Deutsche: zum einen Reinhold Ewald, 58, der zuletzt 1997 im All war, 2005 aber als Ersatzmann für eine Mission zur ISS trainiert hat. Der zweite ist Hans Schlegel, der 2008 von seiner bislang letzten Mission zurückkehrte. Schlegel ist 63 Jahre alt.

Gemäß dem Esa-Motto "einmal Astronaut, immer Astronaut" könnte einer der beiden zur Not reaktiviert werden. Ganz ausschließen will das nicht einmal Johann-Dietrich Wörner, auch wenn er bei dem Gedanken schmunzelt. John Glenn, sagt Wörner, einst der erste Amerikaner im Orbit, sei bei seinem letzten Flug schließlich auch knapp 80 Jahre alt gewesen.

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