Alexander Schmitt

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„Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale“: Baerbock stellt China-Strategie vor

Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesaußenministerin © Quelle: IMAGO/photothek

Lange war sie diskutiert worden, nun ist sie beschlossen: Die China-Strategie der Bundesregierung soll die Partnerschaft zwischen Deutschland und dem asiatischen Land stärken – und gleichzeitig Abhängigkeiten verringern. „Wir wollen uns von China nicht abkoppeln, sondern Risiken soweit wie möglich mindern“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock.

Berlin. Die Bundesregierung will wirtschaftliche Abhängigkeiten zu China verringern – aber keinen grundlegenden Kurswechsel. So heißt es in der heute vom Bundeskabinett beschlossenen China-Strategie. „Die Bundesregierung strebt keine Entkoppelung von China an.“ An der wirtschaftlichen Verflechtung mit China solle festgehalten werden – dennoch: „Abhängigkeiten in kritischen Bereichen wollen wir jedoch verringern, um von ihnen ausgehende Risiken zu mindern.“

Im Nachgang an die Entscheidung im Bundeskabinett stellte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Donnerstag weitere Einzelheiten der China-Strategie vor. „Für Deutschland bleibt China Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale – aber der Aspekt des systemischen Rivalen ist in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund getreten“, sagte Baerbock im Berliner China-Institut Merics.

Baerbock: Europa ist „Hebel und Schutzschild zugleich“

China habe sich verändert, deshalb müsse sich auch die China-Politik der Bundesregierung verändern, so die Ministerin. „Wir wollen uns von China nicht abkoppeln, sondern Risiken soweit wie möglich mindern.“ Gleichzeitig wolle man den Wettbewerb in Europa schützen, etwa mit einem „Instrument gegen Zwangsmaßnahmen“ – Europa sei hierbei „Hebel und Schutzschild zugleich“. Heißt: Durch Zölle und Handelsbeschränkungen auf europäischer Ebene sollen Unternehmen in der EU mit mehr Sicherheit rechnen können. „Wir haben Derisking zum Gebot der Stunde gemacht.“

„Wir wollen diversifizieren, aber auch die Zusammenarbeit mit China weiter ausbauen, weil wir sie brauchen“, so Baerbock. „Um uns unabhängiger zu machen, investieren wir in unsere globalen Partnerschaften.“ Man wolle sich etwa beim Thema Seltene Erden auch an anderen Staaten orientieren. „Wir haben angefangen, neue Quellen zu erschließen.“

„Klar ist, ohne China werden wir es nicht schaffen die Klimakrise einzudämmen“

Beim Thema Klimakrise mahnte Baerbock zur Zusammenarbeit. China sei für einen sehr großen Anteil der weltweiten Emissionen verantwortlich – würde aber auch beim Thema Solarenergie weltweit führend sein. „Klar ist, ohne China werden wir es nicht schaffen die Klimakrise einzudämmen.“

Baerbock schlug jedoch auch kritische Töne an, etwa in der Frage der Menschenrechte und der Spannungen um Taiwan. „Menschenrechte in den Lieferketten dürften nicht verletzt werden.“ Auch können die Spannungen um Taiwan nicht egal sein, denn diese würden „auch gefährlich für Europa und die Welt“.

Das Bundeskabinett hatte die China-Strategie am Donnerstag beschlossen. Je weiter sich China von den „Normen und Regeln“ der regelbasierten internationalen Ordnung entferne, desto mehr könnten sich kritische Abhängigkeiten auch einzelner Branchen oder Unternehmen vom chinesischen Markt als Problem erweisen, heißt es im Papier der Bundesregierung.

Für Firmen sei es im volkswirtschaftlichen wie auch im unternehmerischen Interesse, übergroße Risiken zu vermeiden und Anreize für ihren raschen Abbau zu schaffen: „Die Bundesregierung arbeitet auf ein Derisking der Wirtschaftsbeziehungen zu China hin.“ Zugleich heißt es, der chinesische Markt bleibe für viele Unternehmen von großer Bedeutung.

Corona-Pandemie hat Abhängigkeiten offengelegt

Die Bundesregierung werde weiterhin für chinabezogene Risiken „sensibilisieren“ und den Austausch mit Unternehmen intensivieren. Weiter heißt es: „Die Bundesregierung erwartet, dass die Unternehmen sich im Rahmen der bestehenden Risikomanagement-Prozesse konkret mit relevanten chinabezogenen Entwicklungen, Zahlen und Risiken auseinandersetzen. Wir werden uns mit gegenüber China besonders exponierten Unternehmen vertraulich über deren chinabezogene Risikoanalysen austauschen, um Klumpenrisiken frühzeitig zu erkennen.“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wollte ursprünglich konkretere Vorgaben für deutsche Unternehmen, um Risiken zu verringern. Habeck hatte bereits deutlich gemacht, einseitige Abhängigkeiten zum Beispiel bei wichtigen Rohstoffen sollten vermieden, Lieferwege breiter aufgestellt und neue Märkte abseits von China erschlossen werden.

In der China-Strategie heißt es weiter, die Corona-Pandemie habe Abhängigkeiten, zum Beispiel bei Medizintechnik und Arzneimitteln, offengelegt. Auch in anderen wichtigen Bereichen, etwa bei seltenen Erden und Vorprodukten, die für die Energiewende benötigt würden, gebe es kritische Abhängigkeiten. „Eine Konzentration auf wenige oder nur ein Herkunftsland bei Vor-, Zwischen- und Endprodukten kann Abhängigkeiten in kritischen Bereichen zur Folge haben. Dies hat sich auch am Beispiel Russlands gezeigt.“

Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale

Das Bundeskabinett hatte an diesem Donnerstag nach langer und teils kontroverser Diskussion die mit Spannung erwartete deutsche China-Strategie beschlossen. Schon in der Nationalen Sicherheitsstrategie wird China im Einklang mit Formulierungen auf EU-Ebene als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale bezeichnet. „Wir sehen, dass dabei die Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs in den vergangenen Jahren zugenommen haben“, heißt es in dem Dokument.

Baerbock hatte bereits am Mittwoch am Rande des Nato-Gipfels im litauischen Vilnius angekündigt, von der Strategie solle die Botschaft ausgehen, „dass wir gemeinsam mit allen Partnern auf dieser Welt, mit allen Ländern auf dieser Welt in Frieden und Freiheit leben wollen – und dass wir zugleich nicht naiv sind“. Einseitige Abhängigkeiten müssten als Lehre aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine reduziert werden.

In der Ampel gibt unterschiedliche Akzente gegenüber Peking

In der Bundesregierung gibt es unterschiedliche Akzente in der China-Politik. Die Grünen treten mit Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck für einen härteren Kurs ein als Kanzler Scholz. Das zeigte sich zuletzt vor allem bei der Beteiligung des chinesischen Staatsunternehmens Cosco an einem Container-Terminal im Hamburger Hafen, die gegen den Widerstand der Grünen zustande kam.

Mit Besorgnis wird in Deutschland neben der Einschränkung von Freiheits- und Menschenrechten sowie dem Umgang mit Minderheiten in China vor allem das Großmachtstreben des Landes in der Indopazifik-Region gesehen.

Militärische Eskalation um Taiwan wäre ein „Horrorszenario“

Baerbock hatte zudem eine militärische Eskalation um das von China beanspruchte Taiwan bei ihrem China-Besuch Mitte April ein „Horrorszenario“ für die Welt genannt. 50 Prozent des globalen Handelsverkehrs gingen durch die Meerenge der Taiwanstraße.

Dennoch bekräftigte Baerbock die Ein-China-Politik, wonach Peking als einzig legitime Regierung Chinas anerkannt wird und keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan unterhalten werden. Eine gewaltsame Veränderung des Status quo sei aber nicht zu akzeptieren, sagte sie damals.

Peking kritisierte schon die Sicherheitsstrategie

Schon die deutsche Sicherheitsstrategie war in China auf deutliche Kritik gestoßen. Internationale Beziehungen aufzubauen, „indem man andere als Konkurrenten, Rivalen oder sogar Gegner betrachtet und normale Zusammenarbeit in Fragen der Sicherheit und Politik verwandelt, wird unsere Welt nur in einen Strudel der Spaltung und Konfrontation treiben“, hatte Außenamtssprecher Wang Wenbin gesagt.

Auch nach der jetzigen Vorstellung der China-Strategie dürfte es Kritik aus Peking geben. Wobei viele Punkte dort schon bekannt sein dürften – die Bundesregierung hatte ihre Meinung zum Umgang mit China in den vergangenen Monaten auch öffentlich immer wieder deutlich gemacht.

(13.07.2023)

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