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Es ist geschafft: Der britische König Charles ist gekrönt. Und hat London hat damit mal wieder einen Tag voller Prunk und Spektakel hinter sich – allerdings die erste Krönungszeremonie seit 1953, als Elizabeth den Thron bestieg. Wie verlief der Samstag nun im Vergleich zu dem der Krönung vor 70 Jahren?
Jörg Schindler, DER SPIEGEL:
»Es war alles gleich und trotzdem alles anders.«
Denn das Prozedere der Krönung, die Rituale, die Traditionen, die Eide, die gesprochen wurden – daran ist nichts neu. Am Rahmenprogramm aber hat Charles viel verändert.
Jörg Schinder, DER SPIEGEL:
»Er hat sehr, sehr großen Wert darauf gelegt, dass das eben eine sehr inklusive Veranstaltung wird. Es waren Bischöfinnen da, es war ein schwarzer Gospel-Chor da. Der Premierminister Rishi Sunak, ein Hindu, hat aus der Bibel gelesen. Die ganzen Weltreligionen waren vertreten und haben einen Gruß an den König gesprochen. Das heißt, er hat versucht, wirklich jeden in diesem Land, das ja ein viel multiethnischeres und mulitreligiöseres Land ist als Deutschland mitzunehmen.«
Ein König des gesamten Volkes – das sollte wohl die Botschaft sein. Und die Veränderungen kamen bei vielen gut an, sie ändern aber nichts an der Tatsache, dass eine solche Veranstaltung mit geschätzten Kosten von bis zu 100 Millionen Pfund nur sehr wenig mit dem normalen Leben der Briten zu tun hat.
Jörg Schinder, DER SPIEGEL:
»Das normale Leben der Briten ist zurzeit ehrlich gesagt nicht besonders lustig. Die Leute haben ganz schön gelitten, durch die Pandemie, durch Brexit, den Krieg. Wir haben riesige Inflationsraten, es wächst nichts. Wenn überhaupt, wächst die Ungleichheit. Mit den normalen Leuten, da kann Charles sich auf den Kopf stellen, hat das erstmal nichts zu tun.«
Und dennoch dürfte klar sein, dass Charles einiges anders angehen wird, ein anderer König sein wird, allein schon, was den Gemütszustand angeht.
Jörg Schindler, DER SPIEGEL:
»Ich glaube, es gab niemanden mit einem größeren Pokerface als Elizabeth. Neben der hätte ja ein Meteorit einschlagen können und dann hätte sie wahrscheinlich einfach nur kurz gesagt: ›Oh dear, that came unexpected.‹«
Charles ist da ganz anders.
Jörg Schindler, DER SPIEGEL:
»Er ist grundsätzlich weniger dazu in der Lage, mit seiner Meinung und seinen Gefühlen hinterm Berg zu halten. Er ist auch leichter gerührt als seine Mutter. Das hat man auch bei seinem Besuch in Deutschland gesehen am Brandenburger Tor und an anderen Orten. Das hat natürlich auch eine negative Seite, siehe den Vorfall mit dem berühmten Füller, der ausgelaufen ist, als er sein Accession Document unterzeichnet hat, wo er sich sehr aufgeregt hat.«
Hinzu kommt: Über den 74 Jahre halten Charles ist heute schon viel mehr bekannt als über Elizabeth zur Zeit ihrer Krönung, sie war damals erst 27. Charles hatte also viel mehr Zeit, sich weltpolitisch zu äußern und hat das auch getan: Er setzte sich für Klimaschutz ein, Diversität, bessere Architektur – so sind viele Positionen des neuen Königs längst bekannt.
Jörg Schindler, DER SPIEGEL:
»Er wird auf jeden Fall – ob er das will oder nicht – ein ›Meddling Monarch‹, also ein Einmischkönig werden, als es seine Mutter jemals war.«
Die große Frage ist dann vor allem, wie das bei seinem Volk ankommt.
Jörg Schindler, DER SPIEGEL:
»Wir sind jetzt im Jahr 2023, es kann sein, dass das die Leute sehr zu schätzen wissen, dass wir einen König haben, der sich äußert, der auch mal Kontroversen versucht auszuhalten, auch anzusprechen. Es kann aber auch gut sein, dass wenn er sich immer in die eine Richtung positioniert, dass dann ein Teil seines Volkes aufschreit und sagt: Der soll mal schön die Klappe halten, das ist nicht sein Job. Das ist die große Frage, die jetzt noch nicht zu beantworten ist.«
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