Strom aus Windkraft, eigene Heizanlagen: Der Rhein-Hunsrück-Kreis deckt seinen Energiebedarf seit Jahren selbst. Dabei ist das Potenzial nicht einmal ausgeschöpft.
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Nur ein paar Windräder – mag man meinen. Aber diese hier sind Teil eines Energiemixes, der einen ganzen Landkreis unabhängig von Putins Gas macht.
Der Rhein-Hunsrück-Kreis hat das geschafft, wovon viele Gemeinden und Landkreise in Deutschland derzeit träumen: Klimaneutral und unabhängig von Energieimporten wie Gas oder Kohle sein.
Frank-Michael Uhle, Klimaschutzmanager Rhein-Hunsrück-Kreis
»Bis 1995 wurde im Land, in unserem Landkreis, keine einzige Kilowattstunde Energie selber erzeugt. Alles musste importiert werden. Dann gab es mutige Visionäre, die haben gesagt: Kriege werden um Öl und Gas geführt. Wir müssen etwas dagegen tun. Sie haben Geld eingesammelt für das erste Windrad. Das hat Strom produziert für zweihundert Haushalte. Heute haben wir 279 Windräder, die umgerechnet Strom für 300.000 Haushalte produzieren.«
Dabei leben hier nur etwas mehr als 100.000 Menschen. Auf 1,5 Milliarden Kilowattstunden im Jahr kommt der Landkreis – und deckt somit 310 Prozent des eigenen Strombedarfs ab.
Anfang der 2000er-Jahre begann die Kreisverwaltung, Gebäude zu sanieren und nach und nach auf Erneuerbare Energien umzurüsten. Heute werden Schulen, öffentliche Gebäude, Haushalte und Schwimmbäder mit dem eigenen Energiemix versorgt.
Das macht eine Mischung aus Windkraft, Solar und Biokraftstoff möglich. Selbst die eigenen Baum- und Strauchabfälle werden dafür genutzt – und es gibt noch Potenzial nach oben.
Thomas Lorenz, Rhein-Hunsrück Entsorgung
»Wir nutzen momentan ungefähr die Hälfte der anfallenden Abfälle und könnten, wenn wir jetzt komplett alle Materialien, allen Baum- und Strauchschnitt, entsprechend aufbereiten würden, noch mindestens drei weitere Heizanlagen betreiben. Dann könnten wir theoretisch sechs Anlagen betreiben. Und wie gesagt, wir haben jetzt ungefähr ein Potenzial von einer Million Heizöl-Äquivalent pro Jahr. Also im Grunde genommen könnten wir mit unserem Baum- und Strauchschnitt in einem Landkreis mit 100.000 Einwohnern eigentlich jährlich 2 Millionen Liter Heizöl ersetzen durch entsprechende Heizanlagen.«
Am Montag gab der russische Staatskonzern Gazprom bekannt, noch weniger Gas durch die erst kürzlich wieder in Betrieb genommene Gas-Pipeline Nord Stream 1 zu liefern. Nur noch ein Fünftel der möglichen Kapazität sollen nach Deutschland gelangen. Der angebliche Grund: Die Reparatur einer Turbine.
Die Bundesrepublik insgesamt soll bis 2045 klimaneutral werden. Schon bis 2030 sollen Erneuerbare Energieträger einen Anteil von 80 Prozent am Strommix ausmachen.
Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters hat die Energie-Umstellung im Rhein-Hunsrück-Kreis noch einen zusätzlichen Vorteil gebracht: Die Kommune soll schuldenfrei sein und Finanzreserven von 99 Millionen Euro vorhalten.
(26.07.2022)
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