Besonders für die Frauen verheißt die Machtübernahme der Taliban nicht Gutes. Die 29-jährige Parlamentsabgeordnete Farzana Kochai will für ihre Werte kämpfen. Von Alexander Schmitt
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Straßenszenen aus Kabul vom Dienstag. Vordergründig herrscht Ruhe, doch was die Zukunft bringt, weiß keiner. Grund zur Verunsicherung haben alle Gegner der Taliban – und vor allem Frauen. Jedenfalls jene, die selbstbestimmt leben wollen.
Farzana Kochai, afghanische Parlamentsabgeordnete:
»Ein Szenario ist: Sie werden uns nicht davon abhalten, zur Schule, zur Universität oder zur Arbeit zu gehen, aber sie werden Einschränkungen erlassen. Sowas in der Art. Ein anderes Szenario ist: Sie werden die Frauen komplett aus der Gesellschaft reißen. Das ist das Schlimmste und damit kann keiner umgehen. Frauen in Afghanistan dürfen das nicht tolerieren. Wir sind eine Generation, die mit Werten aufgewachsen ist und die können wir nicht aufgeben.«
Farzana Kochai ist 29 Jahre alt und sitzt im afghanischen Parlament. Noch. Denn über die Zukunft ist nur eines klar – dass sie ungewiss ist.
Farzana Kochai, afghanische Parlamentsabgeordnete:
»Keiner weiß, wo es hinführen und enden wird. Gibt es Frieden? Gibt es eine neue Regierung? Gibt es eine Übergangsregierung oder wird es wieder Bürgerkrieg geben?«
Die Prognosen, wohin sich das Land unter der Herrschaft der Taliban entwickelt, sind düster. Dennoch hat Kochai nicht versucht, Afghanistan zu verlassen. Und das will sie auch jetzt nicht. Im Gegenteil. Sie will kämpfen.
Farzana Kochai, afghanische Parlamentsabgeordnete:
»Ich habe Angst diese Dinge zu verlieren, weil für mich, für dich, für alle, ist es kein gutes Leben, wenn man nicht arbeiten, sprechen oder ausgehen kann. Das kann man nicht Leben nennen, absolut nicht. Wenn wir keinen guten Deal mit den Taliban machen, wenn die Taliban die Menschen in Afghanistan nicht zumindest etwas zufriedenstellen, gibt es Widerstand.«
Wie dieser allerdings aussehen kann, bleibt offen. Die Menschen im Land sind offenbar kriegsmüde – in den vergangenen Wochen stellte sich so gut wie niemand, nicht einmal die Armee der Regierung, der radikalislamischen Miliz entgegen. Wer konnte, versuchte am Montag per Flugzeug zu flüchten. Keine guten Aussichten für all jene, die die Werte der neuen Herrscher ablehnen.
(18.08.2021)
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