257.000 Kinder kommen am Donnerstag in Hamburg wieder in die Schulen. Die Behörde hat Luftfilter bestellt, die sind aber noch nicht da. Eine Schulleiterin zeigt sich entspannt, Elternvertretung und eine Kinderärztin eher nicht. Ein Video von Benjamin Braden und Alexander Schmitt.
Lesen Sie hier das Videotranskript
Katja Schlünzen, Schulleiterin Stadtteilschule Hamburg-Wilhelmsburg
»Oh, hier ist ja gar nicht abgeschlossen. Ja, hier sieht man eine Sekundarstufenklasse. Hier sind 23 Kinder in der Klasse …«
Rundgang durch die Stadtteilschule in Hamburg-Wilhelmsburg, einen Tag vor dem Ende der Sommerferien.
Katja Schlünzen, Schulleiterin Stadtteilschule Hamburg-Wilhelmsburg
»Hier sieht man einmal die Lehrer der Oberstufe, die sich vorbereiten auf den Unterricht und auf die Situation, wie sie morgen unterrichten werden.«
Hamburg startet als drittes Bundesland in das neue Schuljahr, in manchen Klassen warten schon kleine Willkommensgrüße auf die Schulkinder. 257.000 Schülerinnen und Schüler werden ab dem 5. August in Präsenz unterrichtet, und das möglicherweise kurz vor der vierten Corona-Welle. Das viel diskutierte Impfangebot für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren kommt zumindest für Hamburg zu spät.
Annette Lingenauber, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin
»Also, wir erwarten eine Zunahme der Infektionen, und wir sehen dem schon mit gemischten Gefühlen entgegen. Wir wissen nicht genau, was in den Schulen verändert worden ist zum Schulstart vor einem Jahr.«
Die Abstandsmarkierungen von 2020 in Wilhelmsburg werden nicht mehr benutzt, grundlegend verändert haben sich die Hygieneregeln hier aber nicht. Das "Sicherheitskonzept" basiert weiterhin auf Abstand, Masken, Testpflicht und Lüften.
Katja Schlünzen, Schulleiterin Stadtteilschule Hamburg-Wilhelmsburg
»Alle Klassenräume haben ein CO2-Messgerät. Grün heißt optimal, optimaler Bereich, dann geht es so langsam nach orange und dunkelrot. Bei Orange fangen die Kollegen an zu lüften.«
Das Lüften ergänzen sollen in Hamburg mobile Luftfilter, 10.000 Geräte hat die Stadt für die Schulen bestellt. Geliefert wurden sie allerdings noch nicht. Anfang Oktober sollen die Klassenräume spätestens ausgestattet sein – für Ines Moegling von der Elternkammer kommt das alles viel zu spät.
Ines Moegling, Elternkammer Hamburg
»Ich bin etwas skeptisch, weil der Markt ist ja bei vielen Sachen schnell leergefegt. Das hatten wir zu Zeiten auch, wo dann Maskenpflicht war, wo die Plexiwände eingesetzt werden sollten etc. Also ich finde es wirklich sehr sportlich, in den zwei Monaten 10.000 Geräte passgenau in die Klassenräume zu stellen.«
Auch in Hamburg-Wilhelmsburg steht in keinem der Klassenräume ein Luftreiniger. Schulleiterin Schlünzen sorgt sich deshalb aber nicht.
Katja Schlünzen, Schulleiterin Stadtteilschule Hamburg-Wilhelmsburg
»Wir sehen das sehr gelassen, weil wir in einem Stadtteil sind, in dem wir sehr hohe Infektionsraten hatten in der ersten Welle, in der zweiten Welle, und wir einfach die Erfahrung gemacht haben, dass wir mit dem regelmäßigen Lüften, mit der Kohorten-Einteilung, mit der strengen Maskenpflicht, aber auch damit, dass wir Kinder, die Krankheitssymptome gezeigt haben, schnell nach Hause geschickt haben, dass wir das damit eigentlich gut im Griff hatten. Wir freuen uns, dass die Luftfilter kommen.«
Katja Schlünzen, Schulleiterin Stadtteilschule Hamburg-Wilhelmsburg
»Das hast du ja schön gemacht mit den kleinen Tafeln….«
Etwas anderes als die Luftreiniger treibt die Schulleiterin deutlich stärker um: die Gefahr, dass die Schulkinder erneut in den Wechselunterricht gehen müssen, mit beengten Wohnverhältnissen und Eltern, die sich nicht gut um ihre Kinder im Hybridunterricht kümmern könnten.
Katja Schlünzen, Schulleiterin Stadtteilschule Hamburg-Wilhelmsburg
»Die Schule ist für unsere Kinder der Ort, wo Lernen stattfindet, wo soziale Beziehungen und Erfahrungen stattfindet, Austausch mit Mitschülern stattfindet. Und das ist für ein Kind in der Entwicklung der Persönlichkeit ganz, ganz wichtig.«
Das sieht die Elternvertretung grundsätzlich genauso, erinnert aber zugleich an Plan B.
Ines Moegling, Elternkammer Hamburg
»Die Politik will Präsenzunterricht auf "Deubel komm raus” beibehalten. Meine Vermutung ist, dass wir uns im Herbst wieder mit Hybrid- und Wechselunterricht beschäftigen werden. [...] Was der Senat tun muss: Wenn wir früher oder später in einen Hybrid-Wechselunterricht gehen oder wenn eben Schüler*innen sich in Quarantäne aufhalten müssen zwangsweise, dass dann der Distanzunterricht, der zwangsweise dann zum Tragen kommt, bitte eine vergleichbare Qualität hat wie das, was im Präsenzunterricht stattfindet.«
Der Preis des Präsenzunterrichts könnten mehr Infektionen unter den Schulkindern sein. Dies ließe sich durch Herdenimmunität verhindern – dass in diesem Zusammenhang derzeit vor allem über das Impfen von Kindern und Jugendlichen diskutiert wird, hält Annette Lingenauber für falsch.
Annette Lingenauber, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin
»Und da haben wir eine große Gruppe von Erwachsenen zwischen 18 und 59, die noch nicht einmal geimpft sind. Und wir haben sogar Ungeimpfte bei den über 60-Jährigen. Und das ist für uns der erste Ansatzpunkt, dass wir diese Gruppe ganz gezielt impfen.«
»Regt Sie das auf?«
»Ja. Das macht einen schon, in der täglichen Diskussion mit Eltern, die sich vielleicht nicht impfen lassen wollen, da merkt man schon, dass man schwierig argumentieren kann.«
(04.08.2021)
Zum Original