Alexander Schmitt

Journalist // Videos @DERSPIEGEL & News @RND

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Interview

Helfer verteilten schon 190 Schlafsäcke bei 100 Fahrten

Der Kältebus des katholischen Hilfsvereins St. Ansgar ist in Hamburg unterwegs. Wer einen obdachlosen Menschen sieht und meint, dass diesem geholfen werden sollte, kann Ehrenamtliche anrufen, die sich kümmern.

Der Kältebus, ein Projekt des katholischen Hilfsvereins St. Ansgar, der die Tagesstätte „Alimaus“ in Altona betreibt, ist seit dem 5. Januar in Hamburg unterwegs. Er kann bis Ende März in den Abendstunden telefonisch erreicht werden. Über das Projekt berichten „Alimaus“-Leiterin Christiane Hartkopf und der ehrenamtliche Helfer Michael Knuth.

Neue Kirchenzeitung: Welches Angebot machen Sie?

Christiane Hartkopf: Unser Kältebus wird gleich mit Schlafsäcken, Isomatten, warmer Kleidung und Tee beladen. Das Hauptangebot besteht aber darin, Menschen, die wir auf der Straße antreffen, anzusprechen und in eine warme Winternotprogramm-Unterkunft zu fahren. Dazu gibt es auch eine Telefonnummer: 0151 / 65 68 33 68. Die steht auch auf dem Bus. Sie kann jeder Hamburger anrufen, wenn er irgendwo einen obdachlosen Menschen sieht, von dem er meint, dass er Hilfe benötigt.

Neue Kirchenzeitung: Können Sie Erfolge vermelden?

Hartkopf: Seit dem Einsatz des roten Busses ist kein Obdachloser auf Hamburgs Straßen ums Leben gekommen. Bis 17. Februar haben unsere ehrenamtlichen Helfer bei 100 Transporten Menschen in städtische Unterkünfte des Winternotprogramms gebracht. In 810 Arbeitsstunden haben sie 190 Schlafsäcke und 130 Isomatten gegen die Kälte verteilt.

Neue Kirchenzeitung: Welche Parallelen gibt es zum Berliner Kältebus oder zum Mitternachtsbus der Diakonie?

Hartkopf: Das Konzept des Berliner Kältebusses ist durchaus mit unserem vergleichbar. Wir sehen uns nicht als Versorgungsbus. Ja, wir haben alles Nötige an Bord, womit wir einen Menschen ausstatten können, dass der heil durch die Nacht kommt. Der Hauptauftrag besteht allerdings darin, Menschen zu transportieren – und wenn es denn gewünscht ist, in eine warme Bleibe zu fahren. Und diese Versorgung ist ausschließlich für die Menschen gedacht, die draußen bleiben möchten. Das ist auch einer der großen Unterschiede zum Mitternachtsbus in Hamburg, der von der Diakonie eingesetzt ist. Da geht es um die Versorgung. Und dieser Bus ist auch auf einer festen Route, mit festen Standplätzen unterwegs. Das sind wir nicht.

Neue Kirchenzeitung: Ist der Kältebus eine Konkurrenz zum Winternotprogramm der Hansestadt Hamburg?

Hartkopf: Unser Bus wird ausschließlich über Spenden finanziert – von ganz vielen Privatspendern. Das sind auch zwei Firmen in Hamburg, aber das ist nicht die Stadt. Ich würde es auch nicht als Konkurrenz sehen, sondern einfach als Ergänzung. Wenn es zum Beispiel Menschen sind, die sich nicht gut orientieren können, die nicht wissen, wie sie überhaupt in diese Übernachtungsschlafstätten kommen. Oder deren Kräfte einfach nicht mehr ausreichen, um nochmal eben zwei bis drei Kilometer am Abend zu Fuß zurückzulegen. Denen können wir damit helfen.

Neue Kirchenzeitung: Was wünschen Sie sich von staatlicher, aber auch von kirchlicher Seite?

Hartkopf: Es wäre schön, wenn einerseits die Winternotprogramm-Unterkünfte auch tagsüber geöffnet wären. Denn auch am Tage ist es im Moment ziemlich kalt draußen – und das schwächt den Körper genauso wie das Unterwegssein in der Nacht. Und insgesamt scheint dieses Konzept überarbeitet oder noch einmal durchdacht werden zu müssen. Denn es gibt nach wie vor viele Menschen, die einfach nicht in diese Übernachtungsstätten möchten. Aus unterschiedlichen Gründen.

Neue Kirchenzeitung: Wie kann man Ihr Projekt unterstützen?

Hartkopf: Eine große Unterstützung für uns und für die Menschen draußen ist es natürlich, wenn diese Telefonnummer, die auf dem Bus zu sehen ist, einfach im Handy abgespeichert und auch wirklich angerufen wird. Wenn man irgendwo einen Menschen sieht und sich vielleicht auch gar nicht sicher ist, ob der überhaupt Hilfe braucht, wenn man sich vielleicht auch gar nicht traut, ihn anzusprechen, dann einfach diese Nummer anrufen in der Zeit von 19 bis 24 Uhr – und sich so darum kümmern, dass irgendjemand nach diesem Menschen schaut. Das ganze Projekt ist wie gesagt spendenfinanziert. Wir brauchen nach wie vor finanzielle Spenden. Aber auch Sachspenden, vor allem Winterschlafsäcke, Isomatten, richtig warme Winterjacken, Handschuhe. Also alles das, was man im Winter draußen benötigt, um den Körper warm zu halten.

Neue Kirchenzeitung: Was ist Ihr Ziel?

Michael Knuth: Ich würde das so formulieren: dass ich gerne denjenigen, denen es vielleicht nicht so gut geht wie mir, etwas geben möchte, ein bisschen helfen möchte. Ich denke, dies ist ein Beitrag, den jeder bringen kann. Das Beste wäre natürlich, wir würden den Kältebus gar nicht brauchen.

Neue Kirchenzeitung: Gab es im Zusammenhang mit dem Bus einen sehr bewegenden Moment?

Knuth: Ich habe auf der ersten Tour mit einer Obdachlosen gesprochen, der es definitiv nicht gut ging, die aber auch absolut nicht dazu zu überreden war, in eine Notunterkunft in Hamburg zu gehen. Und die habe ich eine Woche später wieder getroffen – vor der Notunterkunft. Und sie war ganz fröhlich, winkte mir zu und sagte: „Du hast gewonnen, ich bin jetzt hier.“ Das ist ein schönes Erlebnis.

(24.02.2019)