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Gasverbrauch sinkt in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nicht ausreichend | MDR.DE

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Der Verbrauch von Erdgas ist in Mitteldeutschland dieses Jahr bisher nur moderat gesunken. Das geht aus einer Umfrage des MDR unter Netzbetreibern in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hervor. So verzeichnet etwa Mitnetz Gas bei Haushaltskunden bis Ende September im Jahresdurchschnitt nur einen Rückgang beim Gasverbrauch von 6,6 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum der Jahre 2019 bis 2021. Bei Industriekunden lag das Minus lediglich bei 2,9 Prozent. Mitnetz Gas gehört zur enviaM-Gruppe und betreibt Leitungen mit einer Gesamtlänge von rund 7.000 Kilometer in Gebieten aller drei Bundesländer.

Der Energieversorger Eins aus Chemnitz meldet ähnliche Größenordnungen. Das Unternehmen stellte bis Ende September bei der Industrie einen Verbrauchsrückgang um etwa zehn Prozent fest im Vergleich zu den Vorjahren. Bei Haushalts- und Gewerbekunden fiel der Rückgang mit fünf Prozent geringer aus. Hier ging auch das Jahr 2018 in den Vergleich ein. Eins betreibt ein Gasnetz von mehr als 7.500 Kilometern Länge in Südsachsen.

Die Thüringer Energienetze, größter Betreiber des Freistaates mit über 6.100 Kilometern Gasnetz, registrierten bei Industriekunden bis einschließlich August einen um 6,3 Prozent verringerten Verbrauch im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zur Gasnutzung von Privathaushalten und Gewerbe konnte das Unternehmen keine Zahlen nennen.

Versorger Haushalte und Gewerbe Industrie

Mitnetz Gas

-6,6 Prozent

-2,9 Prozent

Eins

-5 Prozent

-10 Prozent

Thüringer Energienetze

-

-6,3 Prozent

Verschiedene Angaben je nach Vergleichszeitraum

Die Angaben der angefragten Versorger gehen allerdings teils weit auseinander. Große Unterschiede ergeben sich je nach Vergleichswerten und betrachteten Zeiträumen. Mit Blick auf das von der Bundesnetzagentur genannte Ziel von 20 Prozent Einsparungen im Vergleich zum Vorkrisenniveau teilt etwa Sachsenenergie mit: "Einsparungen in dieser Größenordnung können wir in den letzten Monaten bei unseren Privat- und Gewerbekunden bereits erkennen." Sachsenenergie betreibt in der Osthälfte des Freistaates ein Erdgasnetz von mehr als 5.000 Kilometern Länge.

Angekündigte Preiserhöhungen, die Angst vor hohen Nachzahlungen und Appelle der Politik haben darüber hinaus womöglich insbesondere in den vergangenen Wochen zu Verhaltensänderungen geführt. So verzeichnete Mitnetz Gas Anfang Oktober erheblich stärkere Rückgänge. Privathaushalte verbrauchten vom 3. bis 9. Oktober demnach 20 Prozent weniger Gas. Vom 10. bis 16. Oktober sogar 26 Prozent weniger. Auch bei der Industrie war das Minus mit acht beziehungsweise 15 Prozent viel kräftiger als im Jahresdurchschnitt.

In diese Richtung deuten auch Zahlen für September. Der Versorger Eins registrierte im vergangenen Monat bei Industriekunden im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang um 28 Prozent, für Haushalte und Gewerbe um circa 8 Prozent. Allerdings bestehen hier wiederum starke regionale Unterschiede. Bei den Magdeburger Stadtwerken nahm der Gasverbrauch im Vergleich zum Vorjahr beispielsweise insgesamt nur um etwa 1,2 Prozent ab.

Die Stadtwerke in Leipzig und Erfurt wollten keine Angaben machen.

Wetter und andere Einflüsse

Die Entwicklung richtig zu erfassen, ist auch deshalb schwierig, weil der Verbrauch von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Eine sehr wichtige Rolle spielen die Außentemperaturen, wie mehrere Versorger betonen. So war es im September zum Beispiel durchschnittlich kühler als im vergangenen Jahr. Die oben genannten Rückgänge deuten also auf ein tatsächliches Sparverhalten hin. Im Januar und Februar war es hingegen wärmer als in den Vorjahren, wodurch der Gasverbrauch Anfang des Jahres auch ohne Sparanstrengung gesunken sein dürfte.

Außerdem gibt es noch andere Gründe, warum Verbräuche steigen oder sinken, heißt es von Seiten der Versorger. Bei der Industrie spielten etwa konjunkturelle Einflüsse eine Rolle. Im Gebäudebestand sorgen zum Beispiel neue Heizungsanlagen oder energetische Sanierungen für einen reduzierten Verbrauch.

Bundesweit zu geringe Einsparungen

Die genannten Rückgänge in Mitteldeutschland fügen sich ins bundesweite Bild. So sank der Gasverbrauch bei Haushalten und Gewerbekunden bis Ende September nach Zahlen der Bundesnetzagentur um acht Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum der Jahre 2018 bis 2021. Bei der Industrie fiel der Rückgang mit aufgerundet zwölf Prozent kräftiger aus.

Für September vermeldete auch die Bundesnetzagentur stärkere Einsparungen. Bei Haushalten und Gewerbe gab es demnach einen Rückgang von knapp 12 Prozent, bei der Industrie von gut 19 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren.

Doch auch mit dieser Reduktion ist Deutschland von den ausgegebenen Zielen noch ein gutes Stück entfernt. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hatte Anfang August erklärt, dass Verbraucher mindestens 20 Prozent Gas einsparen müssten, um eine sogenannte Gasmangellage zu verhindern. Und diese Einsparung reichten auch nur in den besten Szenerien.

Neue Studie setzt höhere Zielmarke

Eine am Donnerstag veröffentlichte Studie des Forschungsverbundes "Ariadne" geht von einer noch größeren Diskrepanz aus. Mit Blick auf das erste Halbjahr 2022 sehen die Wissenschaftler bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern nur geringe Einsparungen. Den Wettereffekt rausgerechnet, kommen die Wissenschaftler nur auf eine Gasreduktion von drei Prozent. Demgegenüber gehen die Forscher des „Ariadne"-Projekts davon aus, dass der Gasverbrauch sogar um 30 Prozent sinken müsste im Vergleich zum Niveau vor Beginn der Energiekrise. Mit Einsparungen in dieser Größenordnung könne man nicht nur eine Gasmangellage mit Lieferunterbrechungen vermeiden, sondern auch die Gaspreise und Importabhängigkeiten auf ein erträgliches Maß begrenzen.

Das größte Potenzial für die kurzfristige Senkung des Gasverbrauchs im Gebäudesektor liegt nach Angaben der Fachleute in einem geänderten Heizverhalten. Christoph Kost vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE sprach sich für das Absenken der Raumtemperatur um ein oder zwei Grad, die Nutzung der Heizung nach Bedarf statt im Dauerbetrieb und intelligente Heizungsregler aus. Nötig seien zudem ein beschleunigter Einbau von Wärmepumpen und eine stärkere energetische Sanierung von Gebäuden. So könne das Ziel von 30 Prozent Einsparung kurzfristig erreicht werden.

Wirtschaft und Verbraucher wissen seit dem Frühjahr, dass gespart werden muss. Ende März rief das Bundeswirtschaftsministerium die Frühwarnstufe des Gasnotfallplans aus. Die zweite Alarmstufe wurde am 23. Juni aktiviert. Seitdem kann der Bund beispielsweise in den Markt eingreifen und Unternehmen stützen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 21. Oktober 2022 | 15:30 Uhr

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