10 000 jüdischen Kindern konnte Susanne Medas in der Nazi-Zeit gerade noch ins freie England ausreisen. Und wurde dort, trotz ihrer tragischen Familiengeschichte, glücklich.
Vom verrückt gewordenen Kontinent aus muss ihnen dieses Land wie ein einziges großes Versprechen vorgekommen sein, der Ärmelkanal wie ein Burggraben gegen den Nationalsozialismus, der keine Grenzen mehr kannte. Deshalb setzten sie ihre Kinder in den Zug nach England, alleine. Es war die einzig richtige Entscheidung. Nur wenig später sollte England aus dem von den Nazis überschwemmten Europa herausragen wie eine Insel.
Susanne Bernstein war fast 16, als sie am 30. Juni 1939 in Prag in den Zug stieg. Ob ihre Mutter sie zum Bahnhof gebracht hat, sie weiß es einfach nicht mehr. Sie reiste mit gleichaltrigen Mädchen und Jungen, jüdisch, wie sie. Einige von ihnen kannte sie aus dem sozialistischen Jugendverband Rote Falken, es war ein Gefühl wie vor einer Klassenfahrt.
Wahrscheinlich, sagt Susanne Medas – so heißt sie heute – habe sie ihrer Mutter gesagt, sie solle sie nicht zum Bahnhof bringen. Wieso auch, sie war ja schon oft alleine verreist, und ihre Mutter hatte ihr erklärt, sie würden sich bald wiedersehen. Es gab keine Abschiedsszene, jedenfalls keine dramatische, deshalb hat sie es vergessen. Was sie weiß, ist das: „Wäre ich nicht nach England gegangen, wäre ich mit meinen Eltern nach Auschwitz gekommen.“
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