New Yorks Antidiskriminierungsbeauftragte kommt aus einer Einwandererfamilie und ist mit einer Frau verheiratet. Carmelyn P. Malalis weiß genau, wogegen sie kämpft.
An einem heißen Donnerstagvormittag irrt Carmelyn P. Malalis durch das größte Verwaltungsgebäude New Yorks. Im 24. Stock muss sie den Aufzug wechseln, dann den Flur runter über abgetretenen Terrazzoboden, schließlich steigt sie durch ein schmales Treppenhaus, weiter rauf. Oder geht es eine halbe Treppe runter? Sie dreht sich um, fixiert ihre Pressesprecherin. Die zuckt mit den Schultern. Ihr Stabschef wischt sich Schweiß von der Stirn. Da öffnet sich auf dem nächsten Absatz eine Tür. "Hier seid ihr richtig", ruft eine freundliche Frau mit grauen Haaren.
1 Centre Street ist ein Klotz im Süden Manhattans, unübersehbar von außen, unübersichtlich von innen. Eine Million Quadratmeter Bürofläche auf 40 Stockwerken, 180 Meter hoch, obenauf ein Türmchen. Bei seiner Fertigstellung 1914 war es das dritthöchste Gebäude der Welt. Selbst Stalin soll beeindruckt gewesen sein. Allerdings sollte man sich auskennen, wenn man hineingeht. Sonst verliert man sich.
Ganz ähnlich ist es mit Malalis' Job. Sie ist New Yorks Kommissarin für Menschenrechte und als solche die oberste Antidiskriminierungsbeauftragte einer Stadt mit 8,5 Millionen Einwohnern. 36 Prozent der New Yorker sind in einem anderen Land geboren, sie sprechen mehr als 800 verschiedene Sprachen und glauben an so ziemlich alle Götter, die man sich vorstellen kann. Es ist die Vielfalt, auf die so stolz ist. Es sind aber auch vielfältige Gründe, einander zu misstrauen und zu übergehen. In dieser Gemengelage soll Malalis dafür sorgen, dass die Menschen einander respektieren - unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Religion, Bankkonto oder sexueller Orientierung.
Das Verrückte ist, dass man dieser Frau tatsächlich zutraut, New York ein bisschen besser zu machen. Weil sie weiß, was sie bekämpft. Weil sie weiß, wie es sich anfühlt, wenn andere einem zu erkennen geben, dass man ihrer Meinung nach nicht dazugehört. Sie sagt: "Ich bin Asiatin und ich bin lesbisch. Ich komme aus einer Einwandererfamilie und habe eine schwarze Frau. Mir muss niemand erklären, was Diskriminierung ist." Für eine diverse Metropole wie New York ist sie ein doppelter Glücksfall: Als Kommissarin, die ihr Ressort nicht nur mit Bücherwissen führt. Und als Vorbild für Kinder anderer Einwandererfamilien.
Carmelyn P. Malalis ist 44 Jahre alt und lebt mit ihrer Frau und zwei Töchtern in Brooklyn. Aufgewachsen ist sie in New Jersey als jüngere Tochter philippinischer Eltern, beide streng katholisch. Ihr Vater war Chemiker, ihre Mutter Ärztin. Sie selbst studierte Jura und Gender Studies, arbeitete anschließend mehr als zehn Jahre als Anwältin. Zuletzt in der New Yorker Dependance einer großen Arbeitsrechtskanzlei, wo sie sich etwa für die Rechte Homosexueller am Arbeitsplatz einsetzte. Im Dezember 2014 wurde sie zur Kommissarin berufen - ein Umstand, der sie manchmal noch zu überraschen scheint. "Wer hätte denn vor 40 Jahren gedacht, dass eine Frau wie ich eine Regierungsbehörde in einer der mächtigsten Städte der Welt leitet?", fragt sie.
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