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"Eine Person stirbt ein zweites Mal, wenn man sie vergisst"

Johannes Sillem im Hof des Kleinen privaten Lehrinstituts Derksen, wo er einige Szenen drehte und wo sein Film Premiere feierte. Foto: Alessandra Schellnegger

Sein Stiefvater wird sterben. Er selbst hat vielleicht Rheuma. Johannes Sillem ist 16, als er diese Nachrichten bekommt. Wie erlebt ein Jugendlicher diese Schocks? In seinem Film gibt er Antworten - und die machen auch Hoffnung.


Von Agnes Striegan


Bei Minute 21, sagt Johannes, wird wohl jemand seine Hand halten müssen. Er hat sie so oft durchlebt, aber im Kleinen. Vielleicht wird er flennen, wenn er sie groß auf der Leinwand sieht, Minute 21 seines Debütfilms, zusammen mit seiner Familie, seinen Freunden, ehemaligen Lehrern, Fremden.


Noch 10 641 Minuten bis dahin: Treffen im Kleinen privaten Lehrinstitut Derksen, dem Inklusionsgymnasium, das Johannes Sillem zwei Jahre lang besuchte und das später zu einem seiner Drehorte wurde. Hier wird auch die Premiere von "Focus on the Good" stattfinden. Im Foyer steht ein Flügel, auf dem alle Schülerinnen und Schüler spielen dürfen, der Boden ist terrakottafliesenwarm, durch das große Eckfenster scheint die Sonne. Johannes, schlichter Pulli, weiße Sneakers, rundliches Gesicht, führt in den Hof. Vor vier Jahren, erzählt er, habe er erfahren, dass der Lebensgefährte seiner Mutter sterben würde. Und dass er selbst in eine Klinik muss, Verdacht auf Rheuma. Mit sechzehn. "Das hat mich unglaublich beschäftigt. Er war mein zweiter Papa. Ich wusste nicht, wie es weitergeht."


In der Klinik lernte er andere Jugendliche kennen, die dieselben gesundheitlichen Probleme hatten wie er, und gemeinsam ersonnen sie die Idee, seine Geschichte zu verfilmen. Sie überlegten, was zum Plot gehören müsste: Johannes' sterbender Stiefvater und ihre Angst vor den Operationen, ja. Aber auch, wie sie Pizza bestellten, wenn es zum Abendessen mal wieder nur Blumenkohl gab.


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