Das Militärfahrzeug holpert über den löchrigen Feldweg. Mein Hintern hüpft auf der spärlich gepolsterten Sitzbank kreuz und quer. Ich klammere ich mich an eine Metallstange und stemme den Fuß gegen die Seitenwand. So sitze ich ein wenig stabiler, während der Toyota weiterbuckelt wie ein Rodeobulle. Rama Adadi, der junge Mann neben mir, ist den wilden Ritt gewohnt. Gelassen lehnt er die Schulter an die Rückseite der Fahrerkabine und stützt sich auf seine AK-101. Die kleine Schwester der AK-47 ist ein gängiges Sturmgewehr des kenianischen Militärs. Doch ist Rama kein Soldat, sondern Ranger. Und wir sind nicht im Kriegsgebiet, sondern im Nairobi Nationalpark, einem beliebten Ausflugsziel für Touristen aus aller Welt.
Trotz der unkomfortablen Fahrt kann ich mich nicht sattsehen an der Szenerie, die an uns vorbeizieht. Direkt neben der Buckelpiste grasen Steppenzebras. Finster dreinblickende Kaffernbüffel heben drohend den Kopf. Manchmal streckt eine Giraffe ihren langen Hals aus dem Gebüsch und äugt uns neugierig hinterher. Mit so vielen Wildtieren auf einmal hatte ich nicht gerechnet. Ich freue mich wie ein kleines Kind und möchte am liebsten Fotos knipsen, bis mein Zeigefinger abfällt. Doch so lange der Wagen in Bewegung ist, habe ich keine Chance. Jedes Mal muss ich dem Fahrer durch den Rückspiegel zuwinken, dass er anhalten soll. Das mache ich zwei-drei Mal. Dann habe ich ein schlechtes Gewissen.
Wir sind nicht auf Safari, wir haben es eilig. Bald wird es dunkel.
Nicht wegen der wilden Tiere bin ich in den Nationalpark gekommen, sondern wegen Menschen wie Rama. Die Ranger des Kenia Wildlife Service (KWS) sehen nicht nur aus wie Soldaten, sie wurden auch paramilitärisch ausgebildet. Naturschutz ist in Kenia lebensgefährlich. Im Nairobi Nationalpark beispielsweise laufen mehrere Millionen Euro frei durch die Gegend, festgewachsen auf der Schnauze von mehr als hundert Spitz- und Breitmaulnashörnern. Für Wilderer wäre das ein Eldorado. Von dem Horn, das asiatische Händler mit Gold aufwiegen, würde sie nur eine Gewehrkugel trennen, wären da nicht die Ranger des KWS. Wegen der Nashörner gilt der Nairobi Nationalpark als „High Risk Area". Rama ist einer von rund 40 „Rhinomen". „Nashornmänner" - so nennen sich die Ranger in den umkämpften Nashorngebieten. Der deutsche Naturschutzbund (NABU), ein Partner des KWS, hat mich geschickt, um die Arbeit der Ranger für das Mitgliedermagazin zu dokumentieren.
Ramas Blick ist starr in die Ferne gerichtet. Irgendwie passt die ernste Miene nicht zu seinen jugendlich wirkenden Zügen. Vielleicht ist dieser abgeklärte Gesichtsausdruck das Resultat der harten Ausbildung, vielleicht verbirgt sich auch ein wenig Schüchternheit dahinter. Ich überlege, wie ich am besten das Eis brechen könnte. Doch Rama kommt mir zuvor. Ohne mich anzusehen, deutet er ins Freie. „Look, a lion", ruft er in gebrochenem Englisch. Meine Augen folgen seinem Zeigefinger. Das Erste, was ich sehe, ist das blutige Bein eines Zebras. Direkt neben der Straße ragt es aus dem hohen Gras der Savanne. Nur wenige Meter dahinter kauert die Löwin. Sie sieht uns mit müden Augen an. Ihr Maul steht offen. Sie hechelt. Vielleicht macht ihr die Hitze zu schaffen, vielleicht auch die üppige Mahlzeit. „Lions are very dangerous", mahnt ein Ranger namens Eduard. Er erklärt, dass es gelegentlich vorkommt, dass Löwen Menschen angreifen. Und sobald sie einmal das leckere, salzige Menschenfleisch gekostet haben, wollen sie nichts anderes mehr. Sie werden zu „Man-Eatern".
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