Adolf Stock

Journalist, Autor und Medienberatung, Berlin

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Radio-Beitrag

Fast vergessen - Der Komponist Arnold Mendelssohn

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Im September 2018 ist erstmals das gesamte Klavierwerk von Arnold Mendelssohn auf CD erschienen. Die Pianistin Elzbieta Sternlicht hat das Werk 2017 für den Deutschlandfunk Kultur eingespielt. Die Gesamtaufnahme ist nun bei "Hänssler Classic" (2 CD HC17088) erhältlich.

Der bedeutende Kirchenmusiker und Komponist Arnold Mendelssohn gehört zu den fast vergessenen Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts. Seine Familie war zum Protestantismus konvertiert. Er wurde der berühmteste Kirchenmusiker seiner Zeit und beförderte die Wiederentdeckung von Heinrich Schütz. Arnold Mendelssohn starb 1933, kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Seine Musik war während der Naziherrschaft verboten, und auch danach wurden seine Kompositionen nur noch selten gespielt. Erst in den letzten Jahren hat sich das etwas geändert. Jetzt hat die polnische Pianistin Elzbieta Sternlicht – die seit 40 Jahren in Berlin lehrt und lebt – das gesamte Klavierwerk Arnold Mendelssohns eingespielt. Eine Weltpremiere. Adolf Stock über den Komponisten Arnold Mendelssohn und sein vielseitiges Werk.

Der folgende Beitrag über Arnold Mendelssohn und Elzbieta Sternlicht wurde am 16. Juli 2017 im Deutschlandfunk Kultur gesendet.

Musik:
Arnold Mendelssohn: Federzeichnungen für Klavier, op.20.

Take 1: (Elzbieta Sternlicht)
„Ursprünglich war es für mich ein bisschen Faszination, die Mendelssohn Familie, weil ich habe mich schon sehr viel mit Fanny Hensel, geborene Mendelssohn, die Schwester von Felix, beschäftigt, und diese Namen, die zur Familie direkt gehörten, über zwei Generationen, haben mich schon fasziniert.“

Sprecher:
Die Pianistin Elzbieta Sternlicht ist mit dem musikalischen Werk der Mendelssohns eng verbunden.

Musik:
Arnold Mendelssohn: Federzeichnungen für Klavier, op.20.
Sprecher:
Arnold Mendelssohn wurde Weihnachten 1855 im oberschlesischen Ratibor als Sohn eines Bahnhofvorstehers geboren. Er war ein Großneffe von Felix Mendelssohn Bartholdy. Nach dem frühen Tod des Vaters, zog die Familie nach Berlin, wo der junge Arnold an der Königlichen Akademie Musik studierte.

Sein Weg führte ihn zunächst als Organist nach Bonn. Dann wechselte er nach Bielefeld und bekam später die Stelle eines Kirchenmusikmeisters in Darmstadt. Er wurde zum bedeutendsten Kirchenmusiker seiner Zeit. Volkher Häusler, künstlerischer Leiter des MendelssohnKammerChors Berlin, hat sich intensiv mit Arnold Mendelssohn beschäftigt.

Take 2: (Volkher Häusler)
„Das Kirchenmusikalische ist der populärste Bereich seines Schaffens. Wenn man ein bisschen fortschreitet, lernt man Arnold Mendelssohn als einen phantastischen Liedkomponisten kennen. Für mich eine große Entdeckung. Er hat drei Opern geschrieben, Symphonien, Solokonzerte, Klaviermusik. Also es ist eine, wenn man nichts davon kennt, eine genussreiche Entdeckungsreise.“

Musik:
Arnold Mendelssohn: Federzeichnungen für Klavier, op.20.

Sprecher:
Das Klavierwerk hat die Pianistin Elzbieta Sternlicht jetzt erstmals vollständig für Deutschlandfunk Kultur eingespielt.

Musik:
Arnold Mendelssohn: Federzeichnungen für Klavier, op.20.

Take 3: (Elzbieta Sternlicht)
„Ich habe ein bisschen in meinen Noten gestöbert, ich habe sehr viele Noten, ich mag die zu haben. Und ich habe gestöbert, und ich habe entdeckt in meinen Sammlungen das Trio von Arnold Mendelssohn, und da fiel mir ein, wenn er ein Klaviertrio geschrieben hat, muss er noch etwas anderes geschrieben haben.“

Sprecher:
Anfang des letzten Jahrhunderts war Arnold Mendelssohn eine geachtete, geradezu populäre Geistesgröße. Das geht aus Belegen hervor, die 1996 veröffentlicht wurden, sagt Simone Heilgendorff, Sekretär der Sektion Musik an der Akademie der Künste in Berlin,

Take 4: (Simone Heilgendorff)
„In dem Kontext wurde auch eine vollständige Liste der Akademiemitglieder erstellt, und Arnold Mendelssohn ist dort genannt, als Mitglied, der dann seit 1918 sogenannten Preußischen Akademie der Künste. Er war Mitglied der Sektion Musik, oder Abteilung Musik bis zu seinem Tod im Februar 1933.“

Sprecher:
Arnold Mendelssohn war nicht nur Akademiemitglied, er bekam den Georg-Büchner-Preis, den Beethoven-Preis der Preußischen Staatsakademie und war Ehrendoktor an verschiedenen Universitäten. Er pflegte Freundschaften mit Hugo Wolf und Engelbert Humperdinck, und zu seinen Schülern zählen Paul Hindemith sowie der Kirchenmusiker Günter Raphael.

Als Herausgeber kümmerte er sich um die Neuedition alter Musik, und verschaffte dem Werk von Heinrich Schütz neue Popularität. Musikalisch wollte Arnold Mendelssohn zwischen Klassik und Moderne vermitteln. Die romantische Musik fand er grauenhaft, das Verdikt traf Zeitgenossen, aber auch Felix Mendelssohn Bartholdy hat er unnachgiebig kritisiert, die Romantik war für Arnold Mendelssohn ein gefühlig-sentimentaler Stil, dem es schlicht an „männlicher Reife“ fehlte.

Take 5: (Volkher Häusler)
„Arnold Mendelssohn hat sich bemüht, weder eine intellektuell ausgedachte neue Tonsprache zu formieren oder aber die Romantik immer neu zu formulieren, sondern er hat sich bemüht, einen neuen einfachen, aber auch handwerklich auf größter Meisterschaft fußenden musikalischen Stil zu formulieren, das ist eigentlich eine großartige Leistung von ihm.“

Musik:
Arnold Mendelssohn: Federzeichnungen für Klavier, op.20.
Sprecher:
In der jüdischen Vergangenheit seiner Familie sah Arnold Mendelssohn nie ein Problem. Er glaubte, seinen Platz gefunden zu haben, in einer Gesellschaft, deren nationale Prinzipien und Überzeugungen er uneingeschränkt teilte. Eine eklatante Fehleinschätzung, den stark aufkeimenden Antisemitismus der Zwischenkriegsjahre hat er nicht angemessen deuten können. Am 19. Februar 1933 ist Arnold Mendelssohn gestorben, die Judenverfolgung hat er nicht mehr erlebt.

Musik:
Arnold Mendelssohn: Federzeichnungen für Klavier, op.20.

Sprecher:
Jetzt wird seine Musik neu entdeckt. Und die hohe Qualität seiner Werke steht für Volkher Häusler außer Frage.

Take 6: (Volkher Häusler)
„Das für mich wirklich Erstaunlichste ist dieses eminente Liedschaffen, das wirft dann wiederum auf das Interesse für die andren Gattungen, die er bedient hat, nochmal ein, ich sagt mal, energievolleres Licht. Also er gehört zu den großen positiven Überraschungen, auf die ich gestoßen bin.“

Musik:
Arnold Mendelssohn: Federzeichnungen für Klavier, op.20.