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Brennpunkt Balkan oder: Schöne neue imperiale Welt

Nach der Zäsur Afghanistan skizzieren etliche Beobachter[1] bereits die gar nicht mehr nur so schemenhafte neue multipolare Welt, die sich mit dem rasanten Aufstieg Chinas, der Krise und der Teilung des „Westens" oder der Rückkehr Russlands auf die Weltbühne schon lange abgezeichnet hatte. Die Niederlage am Hindukusch lässt diese Ereignisse und Entwicklungen als Beginn und Übergang in eine neue Epoche erkennen.

Im neuen „Konzert der Großmächte", das anders als im 19. Jahrhundert planetarisch geworden ist, gibt es Einflusszonen und umkämpfte Regionen, in denen es auch immer wieder neuralgische Schnittpunkte für Machtproben geben wird. Für die EU wird Südosteuropa, speziell der Westbalkan, zentral werden. Auf dem Balkan entscheidet sich, wie Europa in der Welt auftritt.

Vor genau dreißig Jahren tobte im damaligen Nordjugoslawien die Schlacht um Vukovar. An ihrem Ende am 20. November 1991 war das Barockjuwel an der Donau zerstört. Einige hundert Menschen, die sich im Krankenhaus aufhielten, fielen einem Massaker der Eroberer zum Opfer. Nicht zuletzt dadurch entwickelte sich die Schlacht zu einem Pyrrhussieg für Serbien. Noch Jahre nach den Zerfalls- und Aufteilungskriegen wurden erst Journalisten, dann auch immer mehr politisch Interessierte durch das Trümmerfeld geführt, das deutsche Besucher an Fotos und Filme über unsere Städte nach 1945 erinnern musste. Nach dieser Schlacht war Jugoslawien endgültig verloren, die Anerkennung von Kroatien erfolgte rasch. Es war der Anfang vom Ende der Vielvölkerstaaten im Osten. Am Ende des Jahres 1991 verschwand die Sowjetunion, was diverse Kriege zur Folge hatte, wobei vor allem die Kämpfe um Tschetschenien gravierend und besonders blutig waren. Sergej Lebedew, einer der klarsten russischen Intellektuellen, deutet diese als „das Schwarze Loch, aus dem die heutige Gesetzlosigkeit in Russland entstanden ist". Unter allen Auflösungsprozessen nach Ende des Kalten Krieges teilte sich nur die Tschechoslowakei 1992 friedlich.

Nach der Schlacht von Vukovar entwickelte sich für den Schriftsteller und Publizisten Dragan Velikic die Donau, der europäische Strom per se, zu einem „Fluss des gescheiterten Zusammenlebens der Kulturen". Bis heute türmt sich zwischen den einst verbundenen Donaustädten Novi Sad und Vukovar nicht nur eine schwer gesicherte EU-Außengrenze zwischen Serbien und Kroatien, sondern viele Verbindungen bleiben gekappt.

Als das Anfang der 1990er Jahre geschah, glaubten viele, dass die Balkankriege nur ein Un- oder Rückfall auf der Route zu einem geeinten Europa, ja einer geeinten Welt seien. Die USA gaben für einige Zeit die Rolle des Hüters, die für viele identisch mit der des Weltpolizisten blieb. Dass der Jugoslawienkrieg zwischen Serbien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina 1995 mit dem Abkommen von Dayton, benannt nach einem Luftwaffenstützpunkt in Ohio, beendet wurde, belegt das prägnant. Der letzte der Kriege in diesem Raum, der Kosovokrieg 1999, zeigte bereits erste Risse, die sich von heute als Zäsur auf dem Weg zu einer multipolaren Welt deuten lassen, zu einem neuen „Konzert der Großmächte".

Kurz vor Ausbruch dieses völkerrechtswidrigen Krieges appellierte der damalige russische Präsident Boris Jelzin in einem erst unlängst publizierten Briefwechsel mit dramatischen Worten an Bill Clinton, das Bombardement Serbiens zu unterlassen: „Im Namen der Zukunft, in unser beider Namen, im Namen der Zukunft unserer Länder, bitte ich Sie, auf einen Angriff zu verzichten." Bekanntlich ließ der US-Präsident sich nicht umstimmen, und Jelzin prophezeite: „Mein Volk wird von jetzt an Amerika und die Nato ablehnen. Ich erinnere Dich daran, wie schwierig es für mich war, die Menschen und Politiker in meinem Land davon zu überzeugen, nach Westen, zu den USA, zu schauen. Das ist mir gelungen, und nun war alles umsonst." Ein Dreivierteljahr später trat Jelzin zurück, Wladimir Putin wurde sein Nachfolger.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 steigerte sich „der Westen" hinter dem knarrenden Befehlston der USA in eine Hybris von einer Weltmission, die erste Risse in der Verweigerung einiger außenpolitischer Satrapenstaaten - darunter die Bundesrepublik - im Irak-Krieg ab 2003 erhielt und die sich nach dem Fall von Kabul zu einem Erdbeben steigerte. „Wie im Westen, so auf Erden" gilt seitdem nicht mehr.

Nach dem Ende des Kosovokriegs 1999 waren Russland und China in Südosteuropa keine einflussreichen Mächte mehr. Der von den USA angeführte Westen hatte ein langes Zeitfenster, um die Region - ungestört von anderen großen Mächten - einzubinden. Lang ist die Liste derjenigen, die vor allem die EU-Institutionen oder die Regierungen ihrer Länder drängten, dies baldmöglichst zu machen. Doch es geschah nicht oder zumindest nicht ausreichend, da selbst die in die Europäische Union aufgenommenen Staaten als „industrielle Reservearmee" benutzt wurden. Mittlerweile hat sogar das einst hochentwickelte Kroatien eine enorme Auswanderungsquote; der aktuelle Atlas der Globalisierung erklärt den sprechenden Ausdruck Overtourism ausgerechnet an diesem landschaftlich so reizvollen, ansonsten aber abgehängten Land. Die Jungen gehen massenhaft, die Alten müssen oft länger arbeiten. Die Abstimmung mit den Füßen wird flankiert von Flüchtlingen vor der Tür, die immer brutaler abgewiesen werden. Überall findet man deren Spuren und nach Angaben der UNO-Flüchtlingshilfe leben in unmittelbarer Nähe mehr Geflohene und Migranten als irgendwo sonst in der Welt. Die Türkei wiederum ist das Land mit den meisten Aufgenommenen, was angesichts einer gravierenden Wirtschaftskrise zunehmend für Unwillen in der Bevölkerung führt. In Armenhäusern schwächelt die Demokratie, mutiert zur Fassade, so auch in Südosteuropa. Slobodan Šnajder, Theatermacher, Publizist und in letzter Zeit international beachteter Romancier („Die Reparatur der Welt"), beobachtet eine wachsende nostalgische Sehnsucht nach Jugoslawien von unten und eine schroffe Ablehnung von oben: „Tito wird nicht wegen seiner Fehler gehasst, sondern wegen seiner Erfolge."

Der Westbalkan als alter und neuer Schnittpunkt der Weltpolitik

Im einst bedeutenden jugoslawischen Hafen Rijeka hoffen heute nicht wenige, dass chinesische Investoren ähnlich groß einsteigen wie im griechischen Piräus. Der arge Weg nach 1989 brachte die Erkenntnis, dass die EU-Mitgliedschaft keine Lösung für die hartnäckigen Probleme ist, die schon Jugoslawien plagten. Und in der Tat investiert China vor allem in die Infrastruktur Südosteuropas, mithilfe von fertigen Produkten, an denen sich die armen Länder nicht sogleich - wie bei der EU mit 15 Prozent - beteiligen müssen. Später sollen sie ihre Kredite zurückzahlen, was natürlich zu Abhängigkeiten führt, die schwer zu durchschauen sind. Vieles erfolgt hinter verschlossenen Türen. Auch in Südosteuropa ist China als Hegemonialmacht aktiv und wird für Beobachter von Reise zu Reise präsenter.

Wie aber steht es mit Russland, das mit der Region traditionell so eng verflochten ist wie sonst mit niemandem? Es bleibt auch beim Kosovokrieg der Fluch der bösen Tat, dass sie fortzeugend immer wieder Böses gebären muss. Jelzins Nachfolger Putin bezeichnete die 2008 erfolgte Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo durch die westlichen Interventionsmächte nicht nur als „schrecklichen Präzedenzfall", sondern revanchierte sich im Kaukasus, der für Russland eine ähnliche Bedeutung hat wie der Balkan für Zentraleuropa, indem er die Unabhängigkeit der georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien anerkannte. So umlagern heute Scherbenstaaten die Schwergewichte der schon damals sich abzeichnenden multipolaren Welt, die dort bald vermehrt ihre Kraft zeigen, austesten oder erweitern können.

Nicht zuletzt durch den Kosovokrieg ist Serbien ein üblicher Beitritt zur EU, der bei der Osterweiterung stets mit der Nato-Mitgliedschaft begann, verwehrt. Mittlerweile ist Russland überall präsent, nicht nur im weitgehend von Serben bewohnten Teil des Kosovo, sondern auch in der einzigen Metropole der Region: In Belgrad wie im ganzen Land wächst die Bewunderung für Putin; selbst in zentralen Straßen gibt es Stände mit Putin-Bildern vor allem auf T-Shirts. Bei genauem Hinsehen wirkt der Ehrenbürger vieler Städte Serbiens allerdings nicht wie der Präsident einer Weltmacht, sondern eher wie ein Warlord oder ein Mafioso. Nicht nur Intellektuelle wie der ungarischsprachige Lászlo Végel - der letzte Lebende jener Autorenriege, die die multikulturelle, nunmehr mehrheitlich serbische Donaustadt Novi Sad in den Atlas der Weltliteratur eintrugen -, sondern auch nicht namentlich zitiert werden wollende Gesprächspartner fürchten ein geopolitisches Experiment in veränderter Weltlage. Bekanntlich entwickelte Moskau in den vergangenen Jahren Formen asymmetrischer Kriege neuer Art: In der Ostukraine kämpfen nicht Freischärler gegen eine Großmacht, sondern Russland, größter Flächenstaat der Welt, übernimmt deren Methoden.[2] Wer die im September 2021 hervortretende große Gereiztheit zwischen Serbien und dem Kosovo beim kurz aufflammenden Streit um Autokennzeichen, der immerhin zum Aufmarsch von Militär führte, beobachtet hat, kann die Gefahr eines neuerlichen Krieges nicht von der Hand weisen. Da viele Akteure vor Ort immer noch entlang alter Konflikte zu mobilisieren sind und die lokalen Machthaber ihrerseits immer wieder ihren Spielraum austesten, sind alle Voraussetzungen dafür gegeben, dass die alten Gespenster zurückkehren.

Mittlerweile sind vier Weltmächte präsent in der Region, und Mittelmächte wie die Türkei oder arabische Staaten gieren nach Einfluss. Aber nur für eine davon, die EU, ist der Westbalkan Teil, Einflusszone und Übergangsregion. Der Westbalkan ist für sie zugleich verbunden und entkoppelt.

Natürlich bleibt die EU nicht zuletzt durch starke wirtschaftliche Verflechtungen mit dem Westbalkan und weil einige Länder EU-Mitglieder sind, ein starker Akteur, aber die Hoffnungen, an den EU-Durchschnitt durch Reformen aufzuschließen, sind in der Region grau geworden. Dazu kommt noch eine andere Problematik: Als die EU beim Aufbau einer Demokratie in Afghanistan scheiterte, zeigte sich vor allem ihre Hybris. Die Einbindung Russlands in eine gemeinsame Organisation, ein Europa von Lissabon bis Wladiwostok, bleibt - im Gegensatz zu einem belastbaren Verhältnis mit dem größten Flächenstaat der Welt - für absehbare Zeit ein bloßer Wunschtraum. Wenn die EU aber beim Aufbau einer neuen Ordnung nach dem blutigen Zerfall Jugoslawiens auf dem Westbalkan scheitert, wäre das ein Menetekel für ihre Kraft in der multipolaren Welt unserer Epoche.

Wenn sich wie derzeit eine schöne neue imperiale Welt mit Einflusszonen und Übergangszonen herausbildet, kann es nicht schaden, daran zu erinnern, dass das alte Konzert der Großmächte in der Kakophonie des Ersten Weltkrieges endete. Zuvor hatten kluge Politiker wie Otto von Bismarck gerade in der Übergangsregion Balkan versucht, einen blutigen Zusammenstoß der damaligen Großmächte zu verhindern. Allerdings agierte Bismarck weniger neutral, als es seine Selbstbezeichnung als „ehrlicher Makler" vermuten lässt und was auch das bis heute im Festsaal des Berliner Rathauses hängende Gemälde „Der Berliner Kongress 1878" zu bezeugen scheint. Das Werk Anton von Werners vermittelt die Aura großer Politik und verdeckt so den teilweise unwürdigen Länder- und Regionenschacher der versammelten Staatsmänner, der, wie typisch bei imperialer Politik, ohne jede Beteiligung der vor Ort lebenden Bevölkerung stattfand. Otto von Bismarck sprach in entwaffnender Offenheit aus, was wohl die Mehrheit dachte: Ihm gehe es darum, dass die „großen Kriegs- und Friedensfragen entschieden werden", also dass die Interessenkonflikte von Großmächten in dieser Übergangsregion so weit gelöst werden, dass sich diese wenigstens vorübergehend einigten. Das Wohlbefinden „der Leute da unten" gehe ihn dagegen nichts an. Außerdem wolle er keine adäquate Lösung in den Übergangsregionen der großen Mächte, sondern er wolle - so wörtlich - „das Geschwür offen" halten.[3] Dadurch entstanden Konfliktlinien, etwa weil die albanische Frage bewusst ausgeklammert wurde, die bis heute virulent sind und teilweise immer wieder aufbrechen. Mit dem Entstehen eines neuen, diesmal planetarischen Konzerts der Großmächte treten alle Muster des 19. Jahrhunderts in Variationen kräftig wieder hervor. Eine Lehre aus dem jüngsten Afghanistan-Desaster, die allerdings bereits früher zu machen war, lautet: Ein Demokratieaufbau ist nur dann möglich, wenn kräftige Mehrheiten der Bevölkerung diesen auch wirklich wollen und als etwas Gemeinsames anerkennen.

Die neue autoritäre Achse

Wenig Hoffnung darauf macht dreißig Jahre nach der Schlacht um Vukovar Cyrill Stieger in seinem aktuellen Buch „Die Macht des Ethnischen". Voraussetzung für ein neues Zusammenleben, so der Balkanexperte, wäre eine breite Auseinandersetzung mit den im Namen der eigenen Nation begangenen Kriegsverbrechen, also die Anerkennung des Unrechts, das anderen angetan worden ist. „Das würde ein Abrücken vom bequemen Opfer-Täter-Schema bedeuten, von den staatlich propagierten Geschichtsbildern. Zumindest müssten die regierenden Parteien die Auseinandersetzung mit anderen Sichtweisen zulassen und fördern. Erst dann wäre es möglich, gemeinsam aller Opfer zu gedenken, zumindest auf lokaler Ebene, etwa in Vukovar. Ein solcher Gesinnungswandel ist nicht absehbar."

Der bulgarischstämmige Intellektuelle Ivan Krastev erkennt ebenfalls keine helle lichte Zukunft. Er glaubt vielmehr, dass die Migration die neue Revolution des 21. Jahrhunderts ist. Indirekt gibt ihm die Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) dabei recht - und zwar mit Angaben, die kurz vor der Pandemie erhoben wurden: Alle zwei Minuten erhält demnach ein Bürger der Westbalkanstaaten eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in der EU.[4] Nicht zuletzt lokale Machthaber, die sich als Diener vieler Herren bereichern, haben kein Interesse an einem fundamentalen Wandel, sondern ziehen andere dubiöse Kräfte an. Mit „Belgrade Waterfront" entsteht beispielsweise gerade ein Mini-Dubai an der Donau, das zumindest rasant historische Bausubstanz zerstört und wohl auch eine gigantische Geldwaschanlage ist.

Sind wir also in eine Epoche eingetreten, in der wir alle Hoffnung fahren lassen müssen? Der Südosteuropaexperte Dušan Reljić sieht die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Integration vor der politischen. Gegen einen kontrollierten Beitritt aller Nachfolgestaaten Jugoslawiens zum Binnenmarkt - mit Freizügigkeit von Gütern, Kapital, Dienstleistungen und Personen - haben die Erweiterungsskeptiker nach seiner Ansicht kaum gute Argumente. Einwände erwartet der SWP-Experte vor allem bei den EU-Befürwortern vor Ort, die eine volle Mitgliedschaft in der Europäischen Union wünschen, welche aber derzeit nicht durchzusetzen ist. Zumindest könnte dieser Vorschlag, wenn er wie beabsichtigt die wirtschaftliche Lage verbessert, ein Nahziel sein, dass wieder Bewegung in Richtung EU bringen würde. Ein Nahziel aber, das mit dem Fernziel der echten EU-Mitgliedschaft verbunden werden könnte. Gleichzeitig müsste die EU ihre eigenen, inneren Fliehkräfte bändigen. Möglicherweise ist das Ende des Vielvölkerstaats Jugoslawien weit weniger das andere, sondern ein naher Spiegel, in dem sich Widersprüche, Paradoxien und Entwicklungen der EU gebrochen zeigen. Als sich vor dreißig Jahren der Zerfall der östlichen Vielvölkerstaaten vollzog, sprachen etliche von Völkergefängnissen, die jetzt geöffnet worden seien. Nur wenige Beobachter sahen darin Vorboten für Konflikte im Westen. Heute dagegen erkennt Spanien aus Angst vor eigenen Separatisten das Kosovo nicht an. Und in Belgrad stand 2019, zum 20. Jahrestag des Kosovokriegs, in großen Lettern am Parlament der Slogan der linken Verteidiger der Spanischen Republik gegen die von General Franco angeführten Faschisten: „No pasaran!" - „Sie werden nicht durchkommen", womit der Teil des Westens gemeint ist, der das Kosovo als unabhängigen Staat anerkennt. Da auch die westlichen Vielvölkerstaaten sich nicht mehr sicher sind, dass die EU-Mitgliedschaft vor Separatisten im eigenen Land schützt, sind diese auffällig ruhig geworden.

Nicht umsonst spricht der Politikwissenschaftler Herfried Münkler in dem eingangs erwähnten grundlegenden Essay über die neue Weltordnung nach der Zäsur Afghanistan davon, dass die Europäische Union zu den neuen großen Fünf, die die neue multipolare Welt dominieren werden, nur dann gehören werde, wenn die EU, „denn zusammenbleibt und ihre außen- und sicherheitspolitischen Fähigkeiten deutlich vergrößert".

Dazu wird die demokratische Rechte Zugeständnisse für eine soziale Politik machen müssen, um den marktextremistischen bis hin zu mafiotischen Exzessen Einhalt zu gebieten. Und die demokratische Linke wird um der außenpolitischen Handlungsfähigkeit der EU willen vor militärischen Aktionen nicht sofort und automatisch zurückschrecken dürfen, ohne dass sie deshalb völkerrechtswidrigen Kriegen zustimmt. Aber auch für diese offene Tür zu einer stärkeren Zukunft Europas gilt, dass sie irgendwann, und das kann schon bald sein, geschlossen wird. Die autoritäre Achse innerhalb der EU, zu der neben Ungarn und Polen zunehmend auch der jugoslawische Nachfolgestaat Slowenien gehört, der die gegenwärtige EU-Ratspräsidentschaft innehat, bleibt weiter aktiv. Und sie beobachtet nicht nur, sondern verbündet sich mit gleichgesinnten Kräften außerhalb. So pflegen der ungarische Premier Orbán und der serbische Präsident Vučić bereits eine sehr spezielle Verbindung der illiberalen Kräfte. Bei aller erforderlichen Kritik am erbärmlichen Zustand der Europäischen Union sollte daher angesichts der aufkommenden imperialen Stürme das gemeinsame Haus immer nur um-, aber keinesfalls abgebaut werden. Denn eine bessere Basis, um grundlegende Alternativen zur „neuen schönen Welt" zu entwickeln, gibt es bis auf Weiteres nicht.

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