Die Zoos in Leipzig und Rostock zählen zu den besten in Europa, sie gelten als Vorreiter für tiergerechte Haltung und Artenschutz. Was läuft hier anders? Das wissen die Leiter der zwei Tierparks. Junhold ist seit 1997 Direktor in Leipzig, Angeli hat den Rostocker Zoo vor einem Jahr übernommen.
DIE ZEIT: Frau Angeli, Sie leiten den Zoo in . Wenn Sie mit einem Tier dort tauschen müssten, welches Tier wäre das?
Antje Angeli: Mit den Gorillas. Die wirken total gechillt und haben wunderbare Innen- und Außenanlagen bei uns, wo sie gerne toben. Und die Tierpfleger haben eine tolle Beziehung zu ihnen.
ZEIT: Und Herr Junhold, welches Tier wären Sie gern?
Jörg Junhold: Ein Elefant. Aber nicht wegen meiner Statur. Ich mag Elefanten, das sind starke, majestätische Tiere. Sie gehen in der Herde sehr sozial miteinander um und haben ein extrem gutes Gedächtnis. Ich kann mich mit ihnen gut identifizieren.
ZEIT: Aber dann doch lieber in freier Wildbahn, oder auch bei Ihnen im Zoo Leipzig?
Junhold: Im Zoo, absolut. Wir haben hervorragende Bedingungen für Elefanten und eine tolle Herde. Darauf haben wir jahrelang hingearbeitet. Und es gibt schöne Bademöglichkeiten sowie eine ausgezeichnete medizinische Versorgung.
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ZEIT: Laut dem Ranking des britischen Zooexperten Anthony D. Sheridan zählen Ihre beiden Zoos seit Jahren zur europäischen Spitze, was die Qualität der Anlagen, tiergerechte Haltung und Artenschutz betrifft. Kürzlich sind sie wieder prämiert worden. Ist es eigentlich Zufall, dass die besten Zoos im Osten liegen?
Angeli: Mit Sicherheit ist das auch Zufall. Wir haben in Mitteleuropa generell die höchsten Standards, es gibt ganz tolle Zoos etwa in der Schweiz, in Österreich, genauso wie in Polen oder Tschechien.
Junhold: Das stimmt, aber einen Unterschied zum Westen gibt es schon: Die Startbedingungen nach dem .
ZEIT: Wie sah es hier denn in den Neunzigern aus?
Junhold: war schon ein skurriler Ort, alles völlig marode, ganze Straßenzüge mit Gründerzeitbauten waren verrottet. Ich bin 1990 mit dem Studium in Leipzig fertig geworden, am Tag der Währungsunion hatte ich mein Examen in Staatsveterinärkunde. Und ein halbes Jahr später wurde der Staat abgeschafft. Wegen der Bergbauindustrie lag über Leipzig eine Schicht von Staub und Ruß, das war auch im Zoo so. Hier wurde mit Kohleöfen geheizt, die standen in den Tierhäusern, das muss man sich mal vorstellen! Alles bröckelte. Und dann brach mehr als die Hälfte der Besucher weg, weil die Leute sich erst einmal die Welt angucken wollten. Oder weil sie wegen der Umbrüche viel mit sich beschäftigt waren.
Angeli: Ich war zum Mauerfall 19 Jahre alt, kenne meinen Zoo noch aus der Kindheit. Ich habe ihn sehr grau in Erinnerung, mit vielen Gittern. Das war eine völlig andere Tierhaltung als heute, die Tiere wurden in engen Käfigen ausgestellt. Die Elefanten sind noch durch den Zoo geführt worden. Das war sehr schön, man kam den Tieren sehr nahe. Aber heute würde man das nicht mehr machen, für die Tiere ist das zu stressig. Und marode war im Rostocker Zoo zum Ende der DDR leider auch vieles.
Junhold: Aber gerade weil wir diesen enormen Nachholbedarf hatten, diesen Investitionsstau, mussten wir langfristig planen, das war unsere Chance.
ZEIT: Sie sind vor 25 Jahren Direktor in Leipzig geworden und haben schnell vom "Zoo der Zukunft" gesprochen, den Sie hier schaffen wollten. Wie kam das an?
Junhold: Ich weiß noch genau, wie ich mich am ersten Tag früh um halb acht den Tierpflegern vorgestellt habe. Ich blickte in viele fragende Gesichter. Manche Tiergehege sahen aus, als würden sie gleich einstürzen. Die wurden nur noch durch die Gitter zusammengehalten. Ich kam damals, 1997, von einem amerikanischen Unternehmen, war Manager im Marketing gewesen und von einem Meeting zum nächsten geflogen. Der Unterschied war krass. Die Belegschaft und auch die Stadtgesellschaft hatte zunächst Angst, ich würde ihren Zoo zum Freizeitpark umbauen.
ZEIT: Sie haben ihn über die Jahre zu einer Attraktion gemacht. Berühmt ist das Gondwanaland, eine Art riesiges Gewächshaus, in dem man das Gefühl hat, die Tiere würden sich dort frei bewegen.
Junhold: Wir haben uns von Anfang an viele grundsätzliche Fragen gestellt: Welche Freizeitbedürfnisse haben Menschen? Wohin gehen die Trends? Was machen private Freizeitanbieter, damit Leute sich wohlfühlen? Wir wollten schnell weg vom Stahl- und Käfigcharakter der DDR-Gehege. Und die Menschen in eine Traumwelt führen. Gepaart mit kulturellen Elementen, mit Restaurants, die zu der jeweiligen Naturwelt passen. Die Besucher sollen sich ein Stück weit wirklich wie in einer Savanne fühlen. Und sie sollen - auch das finde ich wichtig - nebenbei etwas lernen, etwa über das Artensterben.
ZEIT: Frau Angeli, der Rostocker Zoo ist kleiner als der in Leipzig. Was unterscheidet die beiden ansonsten?
Angeli: Mehreres. Die Besonderheit in Rostock ist, dass wir einen großen denkmalgeschützten Bereich haben. Gleichzeitig sind wir nicht nur zoologischer, sondern auch botanischer Garten. Außerdem liegen wir im Wald. Besucher haben das Gefühl, sie machen einen lockeren Waldspaziergang mit Tieranlagen rechts und links. Und dann kommt man auch zu Gebäuden, in denen man etwas über die Evolution erfährt.
ZEIT: Jetzt haben wir viel über die Besucher und deren Bedürfnisse gesprochen. Und wenig über die Tiere. Können Sie uns einmal sagen, mit welcher moralischen Rechtfertigung es Zoos überhaupt gibt?
Angeli: Die Aufgabe von Zoos ist es, das Wissen in der Bevölkerung zu erweitern. Der Hunger nach Wissen ist da. Genauso wie das Bedürfnis, Tiere zu sehen. Wer kann es sich leisten, in die Arktis oder nach Afrika zu reisen? Da ist der Tierpark in der Kleinstadt genauso wichtig wie der große Zoo, um den Bezug zu Tieren aufrechtzuerhalten.
ZEIT: Herr Junhold, wenn sich Ihre Besucher, wie Sie sagen, in eine Traumwelt führen lassen und sich wie auf einer Safari fühlen, was haben denn die Tiere davon?
Junhold: Am Ende schütze ich nur das, was ich liebe, und ich werde nur das lieben, was ich kenne. Daran glaube ich. Die persönliche Begegnung mit dem Tier auf eine respektvolle und nahe Art und Weise kann ich nicht ersetzen. Zoos sind außerschulische Bildungseinrichtungen in einer Breite, die es sonst nicht gibt. Allein in Deutschland haben wir 35 Millionen Gäste jährlich. Im Zoo können wir auf biologische Vielfalt, ihren Schutz und auf den Klimawandel hinweisen.