Normalerweise läuft es ja so: Vor dem Supermarktregal muss eine Entscheidung fallen. Landet die Gurke mit Biosiegel im Einkaufswagen? Oder die billige Variante ohne grünen Aufkleber? Der häufigste Grund, weshalb Menschen in Deutschland auf Bioprodukte verzichten, ist der Preis.
In den Märkten der Dresdner Genossenschaft kostet das Kilo Äpfel 2,65 Euro, 100 Gramm regionaler Bio-Hartkäse 1,80 Euro - Discountpreise. Was sonst mit Preisaufschlägen ausgeglichen werden muss - etwa Personalkosten oder Ladenmiete -, decken die Mitgliedsbeiträge: 17 Euro im Monat. Sich in die Genossenschaft einzukaufen, kostet zu Beginn einmalig 20 Euro.
Wegen des Kriegs in der Ukraine steigen in anderen Supermärkten die Preise für Lebensmittel, vor allem Waren aus Russland oder der Ukraine sind knapp - wie etwa Getreide. In dieser Ausnahmesituation sagt der Vorstand der Genossenschaft: Dramatische Preiserhöhungen wird es bei uns nicht geben. Die hohen Energie- und Spritpreise drücken die Lieferkosten leicht nach oben, mehr Preiserhöhung werde es aber nicht geben. Das Getreide in der Warenauslage wird - wie die meisten Produkte - regional produziert und kommt fast ausschließlich von Landwirten in Deutschland.
Die selbst ernannte Gemeinschaft aus bio-bewussten Menschen wächst, inzwischen behaupten sich schon sechs Märkte in der Stadt gegen die Konkurrenz der etablierten Supermarktketten. An der Kasse stehen Krankenpfleger neben Studierenden, Auszubildende neben Managerinnen. Die Genossenschaft will nicht nur Grünenwähler in alternativen Akademiker-Stadtteilen erreichen, ihre Märkte stehen auch in Dresdner Vierteln wie Strehlen oder Johannstadt, deren Bewohner bei der vorherigen Bundestagswahl mehrheitlich CDU oder AfD gewählt haben.
Die Gründerin"Ein Biosupermarkt", sagt Barbara Rische, "das war etwas Undenkbares." Die Mundwinkel der 58-Jährigen stehlen sich langsam nach oben, sie lacht. Rische hat die Genossenschaft mitgegründet. Der erste Laden der Genossenschaft sei 1991 noch ein kleiner, überfüllter Raum im Dresdner Umweltzentrum gewesen. Etwas abseitig, ein bisschen komisch, weder professionell noch groß. Damit hätten sich viele Mitstreiter aus der damaligen Bio-Szene identifiziert. Als der Laden umziehen sollte, gab es Schwierigkeiten.
Einige "Bio-Fundamentalisten", wie Rische sie nennt, hätten sich viele Jahre gegen einen Umzug gewehrt. Große Verkaufsräume und importierte Bioware waren ihnen verpönt: zu angepasst. Anders sein war das Ziel, das eigene Ding machen, bloß nicht zu schnell wachsen. "Das war uns zu spießig", sagt Rische. Auch sie war am Anfang eine Fundamentalistin.
"Die Genossenschaft hat sich gewandelt. Heute sitzt Rische in einem schlauchförmigen Konferenzraum, im ersten Stock einer ehemaligen Druckerei am Dresdner Bahnhof-Mitte. Ein Stockwerk tiefer rollen Einkaufswagen durch Gänge mit Holzregalen, gefüllt mit Pastinaken, Milchflaschen, Rote-Beete-Aufstrichen, aber auch mit Limetten aus Kolumbien und Avocados aus Spanien. Über eine Wendeltreppe gelangt man in den Naturwaren-Bereich, dort gehen Hemden aus Bio-Baumwolle und Tierfiguren aus Naturholz über die Kasse. Rische sagt: Es wird niemand gezwungen, bei uns einzukaufen. Wem Supermarkt statt Tante-Emma-Lädchen zu kommerziell sei, der könne ja auch woanders hingehen.