Über Flucht und Asyl wird viel geschrieben, doch Journalisten mit Einwanderungsgeschichte oder Fluchterfahrung sind in deutschen Redaktionen immer noch unterrepräsentiert. Die Neuen Deutschen Medienmacher öffnen mit ihrem Traineeprogramm Redaktionstüren.
Der UNHCR hat ganz aktuell die neusten Flüchtlingszahlen veröffentlicht: 65,5 Millionen Menschen waren im vergangenen Jahr weltweit auf der Flucht. Deutschland hat seit 2015 über 1,2 Millionen Schutzsuchende aufgenommen. Das Thema Flucht und Asyl ist zu einem entscheidenden gesellschaftlichen Schwerpunkt innerhalb der vergangenen Jahre geworden, auch in den Medien. Umso wichtiger ist es, eine vielfältige und differenzierte Berichterstattung über Migration, Flucht und Asyl zu fördern. Die Neuen Deutschen Medienmacher fördern schon seit Jahren die kulturelle Vielfalt in deutschen Redaktionen und Nachrichten. Dazu gehört auch das bundesweite Traineeprogramm für Menschen mit Einwanderungsgeschichte oder Fluchterfahrung. Ihre Stimmen sind notwendig und ihre Präsenz in deutschsprachigen Redaktionen wichtig. In dem einjährigen Traineeprogramm stehen Mentoren ihren Trainees zur Klärung und Hilfestellung in beruflichen Fragen beiseite. Hinzu kommen Angebote wie eine Themenbörse für geflüchtete Journalisten, Trainingsseminare, Redaktionsbesuche und -gespräche sowie ein abschließendes Medienprojekt in Zusammenarbeit mit einem Online-Nachrichtenportal. Das Projekt wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration.
Olaleye Akintola, 34, stammt aus Nigeria. Bis zu seiner Flucht arbeitete er in Lagos für die überregionale Tageszeitung "This Day". Seit 2015 lebt er im oberbayerischen Ebersberg und schreibt für die SZ u.a. im Team der Kolumne "Neue Heimat". „Das Programm der Neuen deutschen Medienmacher war für mich ein Wegbereiter: Seminare vermittelten mir einen Eindruck von der journalistischen Arbeitsethik in Deutschland. Zwar gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Medienrecht in Nigeria und Deutschland, aber in der Praxis gibt es doch sehr viele auffällige Unterschiede. Ohne die Neuen deutschen Medienmacher wäre ich nicht so leicht zu diesem Wissen gekommen. Normalerweise ist es sehr mühsam, sich in die Redaktionen wichtiger Medienhäuser vorzuarbeiten - das gilt für deutsche Kollegen und für uns ausländische Journalisten erst recht. Die Neuen deutschen Medienmacher wurden zu einer Anlaufstelle, wo Menschen, die alle das gleiche Ziel hatten, leicht Anschluss finden konnten. Wir trafen auf Publizisten, Chefredakteure, Reporter, konnten uns vernetzen und bei Redaktionsbesuchen sehr leicht mit wichtigen Akteuren der Medienbranche ins Gespräch kommen."
Thuy-An Nguyen ist 28 Jahre alt. Nach ihrem Masterabschluss kam sie zum Traineeprogramm der Neuen deutschen Medienmacher. Sie ist in Deutschland geboren, ihre Familie kommt aus Vietnam. Während des Studiums arbeitete sie für die Westdeutsche Zeitung und hospitierte u.a. beim WDR, dem Deutschlandfunk und der Deutschen Welle in Brüssel. Sie studierte Interkulturelle Kommunikation und Bildung in Köln. Ab Juli ist sie Volontärin bei der Funke Mediengruppe. Unterschiedliche Beiträge veröffentlicht sie auf ihrem eigenen Blog. „Das Traineeprogramm der Neuen Deutschen Medienmacher kam genau zum richtigen Zeitpunkt für mich. Direkt nach dem Studium hat es mir geholfen, mich zu orientieren und Kontakte zu knüpfen. Meine Mentorin half mir mit Ratschlägen oder korrigierte Texte oder Bewerbungen von mir. Eine solche direkte Betreuung habe ich bisher noch nie erlebt: In meiner Familie beherrscht keiner so gut die deutsche Sprache, um mir mit solchen Sachen wirklich helfen zu können. Sehr viel mitgenommen habe ich auch durch das Rahmenprogramm. Dank der Seminarangebote habe ich viel gelernt und zahlreiche Kontakte aufgebaut. Letztlich bin ich darüber sogar an mein Volontariat gekommen! Ganz besonders schätze ich zuletzt die vielen tollen Mitstreiter, die ich kennengelernt habe. Sie verfolgen ähnliche Ziele und der gegenseitige Austausch und die Motivation war vielleicht das Wertvollste!"
Zsaklin Diana Macumba stammt aus Ungarn und kam im Alter von zehn Jahren nach Deutschland. Sie studiert in Wien Politikwissenschaft und Theater-, Film- und Medienwissenschaft. 2016 hat sie für den Blog usa2016.at aus den USA über die Wahlen berichtet. Mit ihrem Feature "Schwarzösterreich" für "Radio Stimme - Die Sendung der Initiative Minderheiten" war sie für den "19. Österreichischen Radiopreis der Erwachsenenbildung" in der Kategorie "Bildung" nominiert. „Das Traineeprogramm der Neuen deutschen Medienmacher hat mir zunächst geholfen, Berührungsängste abzubauen, denn es gibt kaum Leute wie mich, die das machen. Mein Mentor Tibet Sinha ist stellvertretender Leiter der Programmgruppe Europa und Ausland beim WDR und damit bin ich total glücklich, denn ich möchte selbst Auslandskorrespondentin werden. Im November 2016 war ich in den USA, um für ein österreichisches Online-Portal über die Wahlen zu berichten. Davor hat Tibet Sinha mir Tipps gegeben, wie ich die Berichterstattung angehen könnte. Er betreut ja auch Korrespondenten, das war also perfekt für mich."
Omid Rezaee, 27, Freier Journalist stammt aus dem Iran. Als Chefredakteur eines studentischen Magazins wurde er dort wegen seiner Veröffentlichungen zur grünen Bewegung zu einer Haftstrafe verurteilt, konnte aber im Dezember 2014 nach Deutschland fliehen. Rezaee veröffentlicht Artikel in verschiedenen deutschsprachigen Medien und baut seinen mehrsprachigen Blog auf. Ab September wird er an der Hamburg Media School einen Masterstudiengang im Bereich Digital Journalism aufnehmen. „Ich dachte eine Zeitlang, dass es mir nicht gelingen wird, in Deutschland als Journalist zu arbeiten - bis ich das Traineeprogramm der Neuen deutschen Medienmacher gefunden habe. Es sind genau solche Programme, die wir als Journalisten mit Migrationshintergrund brauchen - und das ist es auch, was die Medien hier brauchen. Mein Mentor Wolfgang Zügel - er war unter anderem Redakteur bei der taz und bei der Welt - hat viel Erfahrung. Er war immer da, wenn ich Fragen hatte und er hat sie schnell und genau beantwortet. Er hat auch viel versucht, mich mit Medien in Kontakt zu bringen. So habe ich zum Beispiel einen Auftrag der taz bekommen und dort über die Wahl in Iran berichtet. Ohne meinen Mentor hätte ich weder den Blog noch vieles andere geschafft."