Reportage: Bitcoin: Wohin führt die Spur illegaler Geschäfte? | STRG_F
Seit einem Jahr werden Kryptogeschäfte stärker reguliert. Auch Geldwäsche soll so erschwert werden - offenbar mit mäßigem Erfolg: Einer Recherche von und "Spiegel" folgte schmutzigen Bitcoin.
Von Zita Zengerling und Timo Robben, NDR
Betrugsmaschen, Drogenhandel oder Waffendeals - wer im Darknet illegale Geschäfte macht, erhält sein Geld oft in Bitcoin. Doch solche Kryptowährungen sind weniger anonym als viele denken: Sie können nachverfolgt werden - ein Problem für Cyberkriminelle, deswegen müssen auch digitale Münzen gewaschen werden.
Dabei spielen Kryptobörsen offenbar eine besondere Rolle. Zu diesem Ergebnis kommt eine exklusive Datenrecherche von STRG_F (funk/NDR) gemeinsam mit dem "Spiegel". Das Reporterteam folgte den Bitcoin-Zahlungsflüssen von einem der größten deutschen Foren für Cybercrime, dem Crime Network. In diesem Forum bieten Händler unter anderem geklaute Kreditkartendaten, gefälschte Pässe oder Drogen an.
Daten teilweise offen einsehbar
Da auch die Bitcoin-Adressen des Crime Networks offen einsehbar sind, konnte das Rechercheteam im Zeitraum von Februar 2018 bis Dezember 2020 über 13.000 Transaktionen in Höhe von 767,6 Bitcoin nachvollziehen, die vom Crime Network an mutmaßliche Händler der Seite geflossen sind. Das entspricht nach dem Tageskurs der jeweiligen Transaktionen 5,3 Millionen Euro, heute wären das etwa 35 Millionen Euro.
Eine Kryptobörse besonders auffällig
Ein Datenanalyst untersuchte anschließend alle Transaktionen der mutmaßlichen Darknet-Händler. 46,4 Bitcoin konnten von mutmaßlichen Darknet-Händlern zu bekannten Adressen eindeutig nachverfolgt werden. Ein großer Teil des Geldes floss dabei an das Crime Network wieder zurück: 17,2 Bitcoin. Der größte Betrag, 22,1 Bitcoin, was heute rund einer Million Euro entspräche, landete bei der Kryptobörse Binance.
Die Summen zeigen, wie viele Bitcoin mindestens geflossen sind. Viele Transaktionen konnten nicht eindeutig zugeordnet werden, auch weil Nutzer Methoden bei den Bitcoin-Zahlungen angewandt haben, die Geldflüsse zusätzlich verschleiern, wie etwa sogenannte Coinjoin-Transaktionen.
Das Rechercheteam analysierte nur eine Darknet-Seite aus Deutschland. Eine weltweite Blockchain-Analyse der Firma Chainanalysis fand zudem heraus, dass im Jahr 2019 2,8 Milliarden Dollar in Bitcoin von kriminellen Quellen zu Exchanges flossen. Der größte Empfänger dieser Gelder war auch hier die Börse Binance. An allen Transaktionen mit Kryptowährungen machen illegale Gelder laut der Studie einen Anteil von 0,3 Prozent aus.
Niedrige Standards bei Binance?
Die Kryptobörse Binance zählt nach eigenen Angaben zu den größten Kryptobörsen weltweit. 2017 gestartet, ist Binance mit über 15 Millionen Nutzern weltweit inzwischen milliardenschwer. Ihr Geschäftsführer, der Kanadier Changpeng Zhao, gilt als Star der Kryptoszene.
Binance steht seit längerem in der Kritik, zu wenig gegen illegale Transaktionen zu unternehmen. Die Konkurrenten Coinbase und Fisco aus den USA und Japan haben sich bereits in der Vergangenheit darüber beschwert, dass das Unternehmen zu wenig reguliert sei.
Empfehlung im Kriminellen-Netzwerk
Auch im Crime Network wird Binance in Foreneinträgen unter den Usern empfohlen. Da heißt es etwa: "Ich bin ein großer Freund von Binance. Noch keine KYC gemacht und Wechsel dort bis jetzt problemlos". Oder: "Binance sperrt aus Erfahrung nie einen Account".
Dabei ist es für Kriminelle offenbar von Bedeutung, dass Binance im Vergleich zu vielen Wettbewerbern besonders niedrige Standards der Geldwäscheprävention anwenden soll. So gibt das Unternehmen selbst an, User könnten bis zu zwei Bitcoin pro Tag versenden, ohne ihre Identität preisgeben zu müssen. Das entspricht einem derzeitigen Wert von rund 75.000 Euro.
Umschlagsplätze für illegale Bitcoin
Auf Kryptobörsen können Bitcoin - ähnlich wie in Wechselstuben - in andere Währungen getauscht werden. Entscheidend ist, dass Cyberkriminelle dafür nicht immer ihre Identität preisgeben müssen. So lassen sich die Herkunft von Bitcoin einfacher verschleiern und das Geld waschen. Aus diesem Grund sind sie auch für die Ermittlungen deutscher Behörden interessant "Diese Exchanges spielen eine zentrale Rolle", erklärt Thomas Goger, Staatsanwalt der Stabsstelle Cybercrime Bayern, gegenüber STRG_F (NDR/funk) und "Spiegel". Für mutmaßliche Kriminelle seien die großen Kryptobörsen natürlich die Anlaufstelle der Wahl.
Schärfere Geldwäsche-Regeln
Eigentlich soll eine Verschärfung der EU-weiten Richtlinie zur Geldwäsche genau das erschweren. Im Kern sollen Kryptogeschäfte transparenter werden. Wie auch schon bei Banken, müssen in Deutschland diejenigen, die mit Kryptowährungen tauschen, wie etwa Exchanges, das Prinzip "Know-Your-Customer" (Kenne Deinen Kunden) anwenden.
So müssen sich beispielsweise Bankkunden bei einer Kontoeröffnung per Post- oder Web-Ident identifizieren, also ihren Ausweis persönlich vorzeigen. "Die Welt würde deutlich anders aussehen, wenn dieses Prinzip auch bei den Exchanges konsequent umgesetzt würde", sagt Staatsanwalt Thomas Goger, "mehr Regulierung analog zu den klassischen Geschäftsbanken wäre sicherlich schön."
Unklar ist, wer die Krypto-Geschäfte von Binance überwachen und kontrollieren muss. Auf Anfrage erklärt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), sie sei nicht für die Binance Gruppe zuständig. Sie bestätigt aber eine "genaue Überprüfung" des Tätigkeitsbereichs von Binance Deutschland.
Binance-Chef: Maßnahmen ergriffen
Im Interview mit STRG_F (NDR/funk) und "Spiegel" erklärt der CEO von Binance, Changpeng Zhao, dass das Limit von zwei Bitcoin ohne Identifizierung in einer Zeit etabliert worden sei, in der der Kurs noch viel niedriger war. Man habe es noch nicht anpassen können. Zu den Überweisungen mutmaßlich krimineller Bitcoin räumt Zhao ein: "Das passiert und meistens können wir die Zahlungen einfrieren." Eine Überweisung in Bitcoin kann die Kryptobörse erst mal nicht verhindern.
Die Analyse zeigt allerdings verschiedene Transaktionen, die mehrfach von derselben Adresse in Zusammenhang mit dem Crime Network getätigt wurden und an Online-Konten flossen, die bei Binance registriert sind.
Keine konkreten Aussagen
Das stellt in Frage, ob die Börse in diesen Fällen Maßnahmen, wie das Sperren eines Kontos, ergriffen hat. Zhao betont, dass Binance diverse Maßnahmen gegen Geldwäsche ergreife und bot an, die Analyseergebnisse zu prüfen. Auf schriftliche Fragen mit weiteren Details zur Analyse, die der NDR nach dem Interview sendete, wollte Binance nicht mehr antworteten.
So blieben die Fragen offen, wie Binance zu den Vorwürfen der Konkurrenz steht, zu wenig gegen Geldwäsche zu tun, wie Binance die Zahlen des Chainanalysis-Reports bewertet oder ob Binance in Erwägung zieht, eine grundsätzliche Identifizierung seiner Kunden zu planen. Für deutsche Kunden wurde bereits eine grundsätzliche Identifizierung eingeführt. Das Unternehmen betonte noch einmal, dass man Compliance sehr ernst nehme.
Stand der Bitcoin-Umrechnung: 11. Mai 2021 9:45 Uhr