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Mattuschkas leiser Abgang

Union-Legende und Altglienicke-Trainer Torsten Mattuschka tankt Kraft in Alt-Schmöckwitz

Union-Legende Mattuschka kämpft als Trainer von Altglienicke gegen den Abstieg. Ob er selbst je wieder spielt, weiß er nicht.


Berlin. Von der kleinen Holzbank aus spiegeln sich die Bäume der Landschaft auf der glatten Oberfläche des Wassers. Nur ein umher schwimmender Schwan lässt kleine Wellen an die Ufersteine schwappen. T-Shirt, kurze Hose, Sneaker: Torsten Mattuschka lehnt sich zurück und lässt den Blick über die Dahme schweifen.

Hier erinnert ihn nichts an den nervenaufreibenden Abstiegskampf. „Fußball ist Kopfsache", sagt er, „wenn der nicht stimmt, stimmt der Rest auch nicht." Er atmet durch. Seiner Mannschaft von der VSG Altglienicke hat er heute trainingsfrei gegeben: „Die müssen ein bisschen runterkommen."

„Tusche", wie er seit Jahren liebevoll genannt wird, will keinen zusätzlichen Druck aufbauen: „Wir dürfen die Lockerheit nicht verlieren." In Cottbus seien sie noch mit einem blauen Auge davon gekommen. Ausgerechnet Cottbus. 2016 musste Mattuschka mit dem Klub aus der Lausitz den bitteren Gang in die vierte Liga antreten, oft als Einwechselspieler, manchmal gar nicht im Kader, dazu ein Rippenbruch und nur ein erzieltes Tor. Es war nicht sein Jahr.

Mit dem Wechsel nach Altglienicke kehrte der Erfolg schließlich zurück. Der Oberliga-Aufsteiger wurde prompt nochmal Meister, marschierte mit Mattuschka als Kapitän durch in die Regionalliga Nordost. Und traf dort am vergangenen Wochenende eben auf: Cottbus. Nur 0:3 gegen den Tabellenführer, gut für das Torverhältnis, meint der Ex-Profi.

Denn so behielt Altglienicke immerhin einen Sieben-Tore-Vorsprung auf den Relegationsplatz, auf dem der nächste und letzte Gegner dieser Saison steht: Bautzen. Ein Remis im Alles-oder-nichts-Heimspiel am Sonnabend (13.30 Uhr, Jahn-Sportpark) würde reichen - ansonsten hängt alles von Cottbus ab.

Sollte sich Energie in der Aufstiegsrelegation nicht durchsetzen, würde der Viertletzte der Regionalliga automatisch zu einem weiteren festen Absteiger. „Wir müssen auf sie hoffen", weiß Mattuschka.

Dass er mittlerweile an der Seitenlinie steht und nicht mehr auf dem Platz, hätte er sich anders gewünscht. Einerseits, weil Altglienicke nach einer guten Hinrunde immer weiter in den Tabellenkeller abrutschte - und deshalb Ex-Trainer Miroslav Jagatic entlassen wurde. Andererseits, weil er sich beim Training im Februar die Achillessehne anriss.

Ob er irgendwann noch einmal selbst das Trikot überstreife, wisse er nicht: „Ich will mit meinen Jungs später noch alte Herren spielen können, da will ich jetzt nichts riskieren." Der 37-Jährige blickt auf seinen lädierten Fuß. In seiner Karriere hat er bei so manchem Freistoß den Ball regelrecht ins Tor gestreichelt.

Sein Treffer im Februar 2011 zum 2:1-Sieg bei Hertha BSC im ausverkauften Olympiastadion ist bei allen Union-Fans unvergessen. Der beste Mann, der kann, was keiner kann. Geliebt haben sie ihn vorher schon. Noch heute wird er mit diesem Fangesang gehuldigt, dabei war er oft umstritten.

Zwei Gänse jagen sich hinter der Holzbank gegenseitig. Mattuschka dreht sich zur Seite, zeigt auf einen kleinen Strand, morgens gehe er hier baden, sagt er. Trainer sein, das sei etwas komplett anderes, „auch emotional". Auf die Frage, wie der Trainer Mattuschka mit dem Spieler Mattuschka umgehen würde, antwortet er nach kurzem Überlegen: „Wie Uwe. Der hat mir immer in den Arsch getreten, das hat mich natürlich angekotzt, klar, aber es war gut für mich."

Er sei froh, dass Ex-Union-Trainer Uwe Neuhaus ihn damals so genommen habe, wie er war. „Ich war ein Jetzt-erst-recht-Typ", erzählt Tusche, „die Leute haben immer gesagt: der ist zu dick, zu alt, zu langsam. Dann habe ich mir gedacht: euch zeige ich es." Am Ende schlage Mentalität die Qualität. Eine Prämisse, die viel aussagt über den Menschen Mattuschka und seine Arbeit bei Altglienicke.

Doch selbst wenn er mit der VSG die Klasse halten sollte, wird der Verein einen neuen Trainer holen. „Ich werde das auf jeden Fall nicht weitermachen", weiß der Interimstrainer, der Ballbesitzfußball mit schnellen Außen spielen lassen will. Aber: „Als Co-Trainer sicherlich." Bislang besitzt er nur die DFB-Jugendtrainerlizenz. In einem Jahr kann er beim Deutschen Fußball-Bund die A-Lizenz machen, dann dürfte er offiziell auch Profi-Mannschaften trainieren.

Ob er sich vorstellen könnte, irgendwann als Trainer zum 1. FC Union zurückzukehren? „Klar ist das ein Thema für mich. Ich habe da fast zehn Jahre gespielt, das ist mein Verein." Mattuschka ist anzumerken, wie viel ihm die „Eisernen" nach wie vor bedeuten. Doch jetzt ist nicht Union, sondern Abstiegskampf mit Altglienicke. Dem ordne er alles unter.

Ob sich seine Spieler aber auch ihm unterordneten, könne er nicht beeinflussen. Immerhin sind mit Boubacar Sanogo (u.a. Kaiserslautern, Hamburg, Bremen) oder Björn Brunnemann (u.a. St. Pauli, Union) noch andere Ex-Profis und ähnlich alte Spieler wie Mattuschka im Kader. Der sagt: „Wichtig ist, dass die Jungs zuhören und Respekt haben." Wenigstens am Sonnabend noch. Denn absteigen will niemand.

„Tusche" lebt ansonsten „von Tag zu Tag", so sei er schon immer gewesen. Ein paar Späßchen vorm Spiel hier, ein paar ausgelassene Feiern da. Letzteres wohl auch im Falle des Klassenerhaltes. „Wenn", sagt Mattuschka während er aufsteht, „dann gehe ich richtig steil." Er sei nicht der Typ, der sich alleine mit einem Glas Wein an den See setzt. Dann dreht er sich um und geht. Und der Schwan zieht weiter seine Runden.


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