Nach dem Upper West könnten weitere Gebäude Platz für Büros schaffen. Pläne gibt es auch für den Hardenbergplatz.
Berlin wächst unaufhörlich, so auch die City West. Bei einem geschätzten Zuzug von bis zu 60.000 Menschen pro Jahr, könnte die deutsche Hauptstadt im Jahr 2030 etwa 3,8 Millionen Einwohner haben. Bei einem Symposium im Sofitel Hotel an der Augsburger Straße haben sich am Montag unter anderem Architekten, Ingenieurgesellschaften, Marktforschungsinstitute und Charlottenburg-Wilmersdorfs Stadtrat für Stadtentwicklung und Umwelt, Oliver Schruoffeneger (Grüne), über die Zukunft der City West beraten. Eines soll neben neuen Gebäuden dabei im Mittelpunkt stehen: Identität.
Es gebe zwei mögliche Betrachtungsweisen, erklärte Architekt Christoph Langhof, der mit seinem Architekturbüro unter anderem das Upper West entworfen hat. Emotional würde sich immer wieder an alteingesessenen Klischees bedient, besonders dann, wenn es um Hochhäuser ginge. Diese seien schnell verschrien als zu teure, elitäre Machosymbole, die nicht nach Berlin passten. Rational wachse Berlin aber um 30.000 bis zu 60.000 Einwohner pro Jahr. „Das ist alle vier Jahre einmal Potsdam", sagt Langhof. Doch die innenstädtische Fläche ist begrenzt. Um Platz zu sparen, müsse also in die Höhe gebaut werden.
In der City West ist dies durch die markanten Gebäude des Waldorf Astoria und des Upper West längst geschehen. Aktuell sind 15 neue Gebäude in der City West geplant, darunter neue Hochhäuser am Hardenbergplatz und Ernst-Reuter-Platz. Geht es nach Langhof, könnte die Gedächtniskirche - die in den Zeiten vor dem Zweiten Weltkrieg das unangefochten höchste Gebäude im ansonsten homogen in die Höhe gebauten West-Berlin rund um den Breitscheidplatz war - stadtplanerisch eine Art Bühne wie in einem römischen Amphitheater darstellen, um die sich ringsum die Hochhäuser in den Himmel recken. Zudem gelte es, das Stadtbild weiter zu verdichten. Als passende Paradebeispiele nennt Langhof die Metropolen Paris und London.
Doch genau davor warnt Charlottenburg-Wilmersdorfs Stadtrat Schruoffeneger. Berlin sei nicht wie andere europäischen Hauptstädte. „Ist das nicht genau eines der identitätsstiftenden Merkmale Berlins, dass es nicht gänzlich verdichtet ist?", fragt der Stadtrat rhetorisch. Die Grün- und Freiflächen seien das, was Berlin von den engen Gassen anderer Metropolen unterscheide. Und während Langhof appelliert, neue und mutige Projekte schneller voranzubringen, statt sich zu streiten, mahnt Schruoffeneger: „Das Experiment ist nicht die Stärke im Moment", womit er auf die Zukunftsängste heutiger Generationen anspielt. Steigende Mieten, befristete Jobs, die Gesellschaft sei heute eine andere als noch vor einigen Jahren. „Das Thema Identität ist politisch stark aufgeladen", so der Stadtrat.
Da die Menschen aus dem Zentrum nicht weichen wollen, tendieren sie wieder zu kleineren Wohnungen. Dennoch bleibt das Problem der Bauflächen. Denn der Bedarf an Wohnungen liege derzeit bei etwa 190.000, erklärt Wolfgang Branoner, Geschäftsführer vom Berliner Beratungsunternehmen SPNC. Dazu kämen bis zu 420.000 Wohnungen mit Renovierungsbedarf, so Branoner.
Darüber hinaus mangelt es im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf erheblich an Arbeitsräumen. Lag der Leerstand von Büroflächen im Jahr 2007 noch bei fast neun Prozent, ist er aktuell auf einem Rekordtief von ein bis zwei Prozent. Deshalb sollen neben Wohnungen auch bis zu 800.000 Quadratmeter neue Büroflächen entstehen. Priorität besitzen für die AG City vier Projekte. Zum einen die Neugestaltung des Ernst-Reuter-Platzes. Studenten aus Dresden, Hamburg und München hatten sich für einen Wettbewerb dem Platz angenommen und verschiedene Lösungsmodelle vorgestellt. Gewonnen hatte ein Vorschlag mit einer - unterhalb des Kreisverkehrs gelegenen - verglasten Bibliothek; die Besucher blicken von dort auf eine „tiefergelegte" Grünfläche.
Ob dieser Entwurf umgesetzt wird, ist noch offen. Die Entscheidung liegt beim Bezirk. Zum anderen stehen vor allem Bauprojekte an der Hardenbergstraße, dem Hardenbergplatz, dort soll ein 209 Meter hohes Wohnhaus entstehen, und an der Fasanenstraße im Fokus. An letzterer sollen künftig mehrere Hundert Bundesbedienstete ihren Arbeitsplatz haben. „Die Stadt von heute sieht mit Sicherheit nicht aus wie die Stadt von morgen", sagt AG-City-Vorstandsmitglied Gottfried Kupsch. So sieht er den Hardenbergplatz künftig als „intelligentes Mobilitätszentrum". Ob sich die Menschen damit werden identifizieren können, bleibt abzuwarten.
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