Frau Hudson, Essen zählt zu den persönlichsten Dingen des Lebens. Sie sagen, dass Essen auch ein politischer Akt ist. Warum spielt es eine Rolle, ob ich zuhause einen Eintopf aus Biogemüse esse oder einen Hamburger bei McDonald's verschlinge?
Durch das, was man einkauft und isst, versorgt man nicht nur sich selbst, man wählt damit auch stets, welche Landwirtschaftspolitik man haben möchte: Welche Qualität soll das Essen haben? Und wie soll die landschaftliche Zukunft gestaltet werden? Essen ist nie privat. Es verbindet uns mit unserer sozialen und ökologischen Umwelt wie kaum etwas anderes. Dieses Zusammenspiel von Menschen und Umwelt ist uns oft gar nicht mehr so bewusst. Es wäre wunderbar, wenn wir anfangen würden, vom Teller ausgehend, darüber nachzudenken, wo unsere Nahrungsmittel herkommen und welche Implikationen sie und ihre Erzeugung auf die Umwelt und die Menschen haben.
Was heißt das im Alltag? Worauf achten Sie selbst beim Einkaufen?
Mein Essen ist meist sehr einfach, denn ein gutes Lebensmittel auf dem Teller reicht eigentlich schon. Ich muss keine große Zitronengras-Akrobatik machen. Wichtig ist mir, dass die Lebensmittel aus einer qualitativ sehr guten, Umwelt entlastenden und zukunftsfähigen Urproduktion kommen und schonend weiterverarbeitet wurden. Außerdem schaue ich, dass das Obst und Gemüse zur Saison passt und möglichst in der Region ökologisch erzeugt wurde. Ich tue das mit Leidenschaft, denn ich finde, dass Gemüse aus sehr gesunden Böden eine ganz andere Geschmacksqualität und Lebendigkeit hat.
Sollten wir also am besten nur noch Demeter-Produkte essen?
Jeder muss für sich selbst herausfinden, was für einen die richtige Ernährung ist. Im Augenblick gibt es noch gar nicht genügend Demeter-Produkte, um alle Menschen damit zu versorgen. Der Wandel zu einem größeren Ernährungsbewusstsein ist ein langsamer Prozess, den auch Angebot und Nachfrage steuern werden. Wenn mehr Menschen Demeter-Produkte kaufen wollen, dann wird sicherlich auch mehr in solche Anbauarten investiert. Ein erster, wichtiger Schritt wäre es aber auch schon, beispielsweise beim Fleisch anzufangen, auf eine bessere Qualität und gute Herkunft zu achten.
Insbesondere die Fleischproduktion verursacht global gesehen erhebliche Umweltschäden. Können wir überhaupt noch mit gutem Gewissen Fleisch essen?
Die Tötungsfrage muss jeder für sich selbst beantworten. Aber hat man die mal weggenommen, denke ich, dass man Fleisch essen kann. Allerdings sollte es dann sehr, sehr wenig Fleisch von gewissenhaften Landwirten sein. Wir wissen, dass es die Erzeugungsweise des Fleisches ist, die die Schäden anrichtet. Die Tiere im industriellen Maßstab zu züchten, ist ganz fürchterlich und schädlich. Doch man kann die Tierhaltung auch artgerecht und verträglich gestalten. Rinder etwa sind, anders als viele behaupten, nicht generell schlecht für das Klima: Wir brauchen die Wiederkäuer dringend, um Landschaft und Weideland zu erhalten. Schließlich haben gepflegte Weiden auch ein hohes Potential, um zum Klimaschutz beizutragen. Kuhhaltung grundsätzlich abzulehnen, ist insofern eine Verkürzung der Diskussion, die überhaupt nicht hilfreich ist.
Zum Klimaschutz würde es auch beitragen, wenn weniger Lebensmittel verschwendet würden: Bundesweit werden jährlich mehr als elf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, obwohl ein Großteil davon noch genießbar wäre. Was muss sich in Produktion und Verkauf ändern?
Zunächst mal sollte jeder selbst schauen, was er ändern kann. Oft holen wir uns schon viel zu viele Lebensmittel nach Hause, die dann ewig liegen bleiben und irgendwann unverarbeitet schlecht werden. Der Wert der Lebensmittel sollte wieder stärker in den Fokus rücken. Unsere Gesellschaft muss beispielsweise wieder lernen, dass auch krumme Karotten und zu kleine Kartoffeln vom Geschmack her oft sogar besser sind, als standardisiertes Gemüse. Vor allem aber dürfen wir in der Diskussion über die Lebensmittelverschwendung die Produktion nicht länger ausklammern. Beim Anbau fängt die Verschwendung doch schon an. Das ganze System ist darauf angelegt: Damit ein Landwirt seine Verträge einhalten kann, muss er bislang eine viel höhere Produktion planen, denn das Risiko von schlechtem Wetter und anderen Umwelteinflüssen, die die Erträge schmälern, liegt bislang allein bei ihm.
Wie könnten die Bauern denn entlastet werden?
Es müsste bessere, akzeptablere Vereinbarungen mit den Abnehmern geben. Darüber hinaus bräuchten wir ein System, das das Risiko von schlechten Wetterbedingungen oder auch von Überproduktion auf mehreren Schultern verteilt wird. Bislang fehlt aber der politische Wille, darüber zu sprechen.
Über 30 Prozent der Obst- und Gemüseernten nimmt der Handel den Landwirten gar nicht erst ab, weil sie Schönheitsfehler haben. Der Discounter Penny steuert jetzt entgegen und hat seit Mai unförmiges Obst und Gemüse im Sortiment. Ist das ein Schritt in die richtige Richtung oder eine PR-Nummer?
Wenn Penny das konsequent macht, und nicht nach wenigen Monaten wieder aussteigt, ist das ein guter Ansatz. Nötig wäre aber auch, dass die Verbraucher aufgeklärt werden. Nur einen Sack mit krummen Möhren hinzulegen, wird nicht reichen. Das Problem muss von vielen Seiten angepackt werden. In Holland gibt es einen anderen interessanten Ansatz: Dort sammelt ein Lebensmittelhändler alles übrig gebliebene Obst und Gemüse ein und verkocht es zu Suppen, Eintöpfen und Soßen, die er anschließend in Gläsern verkauft. Auch so lässt sich der Verschwendung entgegenwirken.
Mit Slowfood setzten Sie sich auch dafür ein, dass nachvollziehbar ist, woher das Essen stammt. Ließen sich dadurch auch Lebensmittelskandale vermeiden?
Im Endeffekt ja. Denn Lebensmittelskandale entstehen erst durch lange Produktionsketten, die immer intransparenter werden. Für mich ist der Pferdefleischskandal in der Lasagne das beste Beispiel: Am Ende konnte niemand so genau sagen, wo eigentlich das Pferdefleisch dazugekommen ist. Wir wollen wieder eine Urtransparenz und Vertrauen zwischen den Menschen herstellen, die die Lebensmittel erzeugen und denjenigen, die sie essen. So treten sie auch wieder in eine Beziehung miteinander ein. Das Essen ist uns so nah. Wenn wir die Verantwortung dafür abgeben, sollten wir schon sehr genau wissen, wer sie für uns trägt.