von Wyn Matthiesen
Egal ob RIN, Peter Fox oder Nena: Beim Produzenten-Team KitschKrieg stehen die Stars der deutschen Musikszene Schlange. Nun haben sie ihr gleichnamiges Debütalbum veröffentlicht. Es wirkt wie eine Konferenz mit vielen prominenten Gesichtern - allerdings ist auch ein Mörder dabei.
Folgt man KitschKrieg bei Instagram, konnte man in der vergangenen Woche den Eifer des Produzenten-Trios spüren: Gestresst und dennoch guter Laune signierte das KitschKrieg-Team, bestehend aus Fizzle, Fiji Kris und °awhodat°, Platte für Platte ihres gleichnamigen Debütalbums persönlich, während es aus den Boxen in der Lagerhalle "K-K-K-K-Kitschkrieg" tönte. Das "Do It Yourself"-Image ist fest verankert im Marketingkonzept und auch der Retro-Style wird zelebriert: Mehrere tausend Sets - bestehend aus einem Tonträger auf CD oder Vinyl und einem Fotobuch gespickt mit Vintage-Portraits der Album-Features - hat das Team in nur einer Woche zusammengestellt.
Fotobuch, Album sowie der Instagram-Filter: Die Welt von KitschKrieg ist schwarz-weiß. Die Portraits des Buches sind gezeichnet von einem ikonischen Industrielook und zeigen eindrucksvoll, dass sich auf diesem Album eine generationenübergreifende Mischung der Crème de la Crème des deutschen Pop/Rap versammelt: Peter Fox, Jan Delay und Nena finden hier genauso Platz wie Bonez MC, RIN und AnnenMayKantereit. Sie alle wollen mit dem angesagten Produzenten-Team zusammenarbeiten - und das nicht ohne Grund. Denn in den vergangenen vier Jahren hat KitschKrieg den deutschen HipHop im Sturm erobert. Wie gelang dem Trio dieser rasante Aufstieg?
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Als sich Fizzle, Fiji Kris und °awhodat ° 2015 zusammenschließen, soll ein Wandel her: weg vom deutschen Reggae, hin zu amerikanisch inspiriertem HipHop. Und dann stößt das Produzenten-Trio auf den Mann, ohne den der Aufstieg von KitschKrieg nicht erzählt werden kann: Ronny Trettmann.
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Die Karriere des Sängers und Rappers steht zu dieser Zeit am Scheideweg. Sascha Richter, so sein bürgerlicher Name, tourt seit Jahren ohne nennenswerten Erfolg als Prototyp-Ossi mit Reggae auf Sächsisch durchs Land, er ist fast pleite. Doch dann beginnt eine Erfolgsstory, die in der deutschen Rapgeschichte ihresgleichen sucht. Musikgenre, Optik, Songtexte: KitschKrieg erfindet den bereits 41-jährigen Musiker komplett neu.
Aus Ronny Trettmann wird einfach nur Trettmann. Seine warme, raue Stimme harmoniert perfekt mit den kühlen Beats des Produzenten-Trios. KitschKrieg fusioniert erfolgreich amerikanischen Trap, ein HipHop-Subgenre, mit britischem Techno und Dancehall-Einflüssen, eine auf Reggae aufbauende HipHop-ähnliche Musikrichtung. Die Mischung aus Rave, Leichtfüßigkeit und Herzschmerz funktioniert: Trettmanns Debütalbum "DIY" hält sich fast anderthalb Jahre in den Albumcharts.
Ihrer Sound-Ästhetik bleiben die Berliner Produzenten auch auf "KitschKrieg" treu. Die Tracks, von denen fünf schon vorab veröffentlicht wurden, spiegeln ihr innovatives Soundkonzept wider: Mystik und Minimalismus treffen auf Dancehall, Techno und Autotune.
Dazu schafft es KitschKrieg, unterschiedliche Musikrichtungen und Künstler zu vereinen, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen. So trifft Macho-Gehabe auf gesellschaftskritischen Rap, Beachvibe auf Berghain-Techno, Oldschool auf Newschool und Nena auf Gzuz.
Ein Gipfeltreffen der MusikergenerationenHipHop-Legende Max Herre und Rap-Newcomer Skinnyblackboy zeigen auf "Sonora", wie gut verschiedene Musikergenerationen miteinander harmonieren können. Die geheimnisvollen, dunklen Beats vermitteln ein Gefühl von Schwerelosigkeit, die von Max Herres kryptischen Zeilen verstärkt werden. Skinnyblackboys Strophe überzeugt anschließend mit lebendigem Flow. Er wechselt das Tempo seiner Zeilen gekonnt und ist damit ein erfrischendes Pendant zu Max Herres Conscious-Rap.
Auch die Kollaboration zwischen Kool Savas und dem fast 20 Jahre jüngeren RIN, "Oh, Junge", kann sich sehen lassen. Zwar mag der Beat durch seine Hektik zunächst etwas gewöhnungsbedürftig daherkommen. Gleichwohl ist der Song gerade deshalb interessant, weil er den Generationskonflikt unter Rappern thematisiert. Kool Savas' Zeilen lassen sich als Seitenhieb gegen die neue Deutschrap-Szene interpretieren: "Dein Autotune kapituliert / Der Wichser klingt wie 'ne besoffene Orgel."
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Jan Delay auf "17:30" Savas' Beschreibung sehr nah kommt. Dessen Stimme wurde auf dem Song derart frisiert - besonders in den Höhen des Refrains wirkt es wie ein Kampf gegen die Software. Aber genau das zeichnet KitschKrieg auch aus: Diversität und Widersprüche. Nichts passt in eine Schublade - und unterstreicht ihre Innovation.
Doch stellenweise übertreiben sie damit auch - wie auf dem Track "Nein du liebst mich nicht". Der Song ist eine Zusammenarbeit mit dem Berliner DJ Modeselektor und dem österreichischen Rapper Crack Ignaz. Der Name des Songs enthält bereits sämtliche Lyrics: Mehr Text als "nein du liebst mich nicht" rappt - wenn man das überhaupt so nennen mag - der Österreicher darin nicht.
Der innovativste Track auf dem Album kommt vom Newcomer-Rapper Jamule: "Unterwegs". Es ist ein Cover des Seeed-Hits "Aufstehn!". Dabei demonstriert KitschKrieg ihr Talent, mehrere Genres in einem Song zu vereinen. Der Song schwankt zwischen Reggae, Dancehall und Rap, ohne dabei den roten Faden zu verlieren. Dazu lädt der Flow des Newcomers geradezu zum Tanzen im jamaikanischen Kingston ein.
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Für das Highlight des Albums sorgen allerdings zwei Veteranen: Trettmann und Peter Fox, der für KitschKrieg übrigens seine zwölfjährige Pause als Solokünstler unterbricht. Die Stimmen der beiden harmonieren, während sie über die vorherrschende "Ich bin der Geilste"-Mentalität herziehen. Sie zeigen auf, was schiefläuft in den Aufnahmestudios: Prahlerei, Macho-Gehabe und Materialismus. Was der Seeed-Frontmann vom Geprotze mit Sportautos hält, macht er deutlich: "AMG in Mattschwarz (Yeah) / Fahr' ihn an die Wand (Hm) / Ist für mich nicht relevant (Nee)".
Warum darf ein verurteilter Mörder performen?Trotz der Fox-Kritik kommt das Album nicht ohne eigene Prahlerei aus. Auf "International Criminal" bedienen Bonez MC und der jamaikanische Dancehall-Künstler Vybz Kartell klassische Deutschrap-Klischees: "Nagelneue Glock bestellt, pflanze weiter Ot im Zelt / Überall mein Fußabdruck, Freiheit für den Boss der Welt", rappt das Mitglied der 187 Straßenbande darin.
Es ist jener Widerspruch, der sich durch KitschKriegs Musik zieht: Kritik wie an Materialismus oder Macho-Gehabe - doch gleichzeitig bekommen diese Themen ihren Raum. Progressiv ist das nicht. Zumal mit Vybz Kartell einem verurteilten Mörder eine Bühne gegeben wird. Wie das Feature aus dem Gefängnis überhaupt zustande kam, bleibt auch ein Rätsel.
Nichtsdestotrotz ist das Debütalbum von KitschKrieg schon jetzt eines der besten des Jahres. Die renommierten, aber ungewöhnlichen Künstler-Kombinationen wirken erfrischend. Doch keiner prägt dieses Album so, wie ihr Schützling Trettmann. Der Sound des Albums passt weiterhin perfekt zu dem melancholisch anmutenden, hageren Mann mit der (natürlich schwarz-weißen) Sonnenbrille. Sein eingängiges Pop-Feature "Irgendwo" mit der großen Nena ist deshalb ein gelungener Abschluss des Albums. Und selbst der NDW-Ikone verpasst das Trio die KitschKrieg-DNA. Minimalistisch wie man sie kennt, wird aus "irgendwie, irgendwo, irgendwann" einfach nur "irgendwo" - Hauptsache, Trettmann ist dabei.