Gran Canaria hat ein schweres Jahr hinter sich. Die Insel lebt vom Tourismus, doch die Hotels stehen leer. Hoffnung machen nun Remote Worker. Also Beschäftigte, die ihren Job von überall aus machen können. Gran Canaria will eine Alternative zum klassischen Home-Office anbieten. Gleiche Arbeit, aber Sonnenschein und Meer. Für Melissa Vettel ist das inzwischen Alltag. Seit einem Monat ist ihr Arbeitsplatz die Dachterrasse eines Guesthouses - auf unbestimmte Zeit. Ihre Wohnung in Berlin hat sie untervermietet.
Melissa Vettel, Web-Projektleiterin: "Jetzt im Januar habe ich mich dazu entschlossen, für ein paar Wochen nach Las Palmas zu gehen, um dort zu arbeiten. Dass es die Kanaren sind, war für mich schon von vornerein klar. Also zum einen, weil die Fälle doch sehr gering sind, weil sich Corona so ein bisschen abschotten lässt durch die Tests, die man vor der Reise machen muss."2020 blieb Gran Canaria von Corona lange weitgehend verschont. Mitte Dezember zog die Infektionskurve dann an, aktuell schwankt die 7-Tage-Inzidenz wieder um die 50. Touristen dürfen einreisen, müssen allerdings einen negativen PCR-Test vorweisen, der nicht älter als 72 Stunden ist. Die Bundesregierung rät von nicht notwendigen Reisen auf die Kanaren ab. Unethisch findet Melissa Vettel ihr Verhalten trotzdem nicht.
Melissa Vettel, Web-Projektleiterin: "Also es ist ja so, dass es Corona momentan überall auf der Welt gibt, und überall gibt es Maßnahmen. Und ich finde, dass es eigentlich egal ist, wo man sich in Europa aufhält, insofern man sich an die Maßnahmen hält. Grundsätzlich fühle ich mich sehr sicher. Für mich war es am Anfang ein bisschen befremdlich, dass man Masken auf den Straßen tragen muss, aber daran gewöhnt man sich auch sehr schnell."Die aktuellen Corona-Maßnahmen auf Gran Canaria sind im Vergleich zu Deutschland in einigen Punkten härter, in anderen lascher. So gilt grundsätzlich eine Maskenpflicht und eine Ausgangssperre von 23:00 bis 6:00 Uhr. Dafür dürfen sich bis zu sechs Personen treffen und Restaurants sind geöffnet.
Auch Co-Working-Spaces haben unter besonderen Auflagen weiterhin auf. Jarmo Kruse hat hier einen Platz gemietet. Er hat während der Corona-Pandemie gemerkt, dass ihn sein Job in der Finanzbranche nicht mehr erfüllt. Nach der Kündigung ging es nach Gran Canaria. Hier probiert er etwas ganz Neues aus.
Jarmo Kruse, im Sabbatical: "Ich habe mich bewusst entschieden, eine Auszeit zu nehmen und möchte einfach erkunden, was man machen kann. Gerade bin ich dabei, eine Programmiersprache zu lernen. In Las Palmas hat man die Vorzüge einer großen Stadt, die lebendig ist, am Meer liegt und man hat hier einen schönen Strand, um surfen zu gehen, aber auch abgeschiedene Gegenden. Ein Leben lang als Digitaler Nomad sehe ich mich eher nicht, aber es ist einmal schön, einen komplett anderen Lebensentwurf zu sehen, und zu sehen, wie andere Leute ihr Leben leben".Nacho Fernandez hat 2014 den ersten Co-Working-Space auf Gran Canaria eröffnet, in den vergangenen Jahren kamen vier Co-Living-Places hinzu. Und jetzt die Pandemie.
Nacho Fernandez, CEO repeople: "Insbesondere diesen Winter gab es eine Explosion von Remote Workern, die die Kanarischen Inseln und vor allem Gran Canaria besucht haben. Die Corona-Pandemie hat einen großen Einfluss darauf, dass es viel mehr Digitale Nomaden gibt. Wir nennen sie Unternehmer-Nomaden, weil viele Unternehmen ihren Mitarbeitern aufgrund von Corona erlaubt haben, remote zu arbeiten. Zuerst von zuhause, aber viele haben die Flexibilität wahrgenommen, woanders hinzugehen und die Kanarischen Inseln zu besuchen".Die Regierung der Kanarischen Inseln hat eine halbe Millionen Euro in eine Kampagne investiert, um innerhalb von fünf Jahren 30.000 Remote Worker auf die Insel zu locken. Alberto Ávila ist Marketing-Direktor für touristische Projekte auf den Kanaren und leitet die Kampagne. Die visiert vor allem eine junge und flexible Zielgruppe an.
Alberto Ávila, Marketing-Direktor: "Remote Worker sind in der Regel qualifiziert, zwischen 25 und 45 Jahre alt und haben eine Karriere vor sich. In der Regel ist ihnen Lebensqualität wichtiger als Jobsicherheit. Außerdem suchen sie nach einem entschleunigten Lebenstempo und wollen schöne Orte entdecken. Wichtig: Ohne jegliche Familienverantwortung. "Steuerlich ändert sich für Remote Worker, die im Ausland für ein deutsches Unternehmen arbeiten erstmal nichts. Erst ab einem Aufenthalt von 183 Tagen, also frühestens nach sechs Monaten an einem Ort, fallen Einkommenssteuern in Spanien an.
Nach Feierabend schlendert Mellissa Vettel oft durch die Gassen von Las Palmas. Die Berlinerin schätzt vor allem die Abwechslung, die die Hauptstadt trotz Corona-Beschränkungen bietet. Dass die 32-Jährige ihre Koffer packen konnte, um nun hier zu leben, sieht sie als Privileg.
Melissa Vettel, Web-Projektleiterin: "Ich bin sehr dankbar, dass ich nach der Arbeit einfach hier ins Café und ins Restaurant kann, noch irgendwie einen Kaffee trinken, mich mit ein, zwei Freunden treffen kann, dass ich am Wochenende wandern oder surfen gehen kann. Trotzdem ist mir natürlich bewusst, dass das nicht alle Leute machen können und ich sehr privilegiert bin gerade."Fern- statt Home-Office: Es könnte ein großer Trend werden. Und für die kriselnde Tourismusbranche auf Gran Canaria ein kleiner Lichtblick.