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Mal passt ein Sicherheitskonzept für eine Veranstaltung auf zwei Seiten, mal sind für ein Festival mit prominentem Besuch mehrere Ordner voller Papier nötig. Doch eins bleibt gleich: Wirklich fertig ist das Konzept für die Sicherheit eines Ereignisses nie. Auch dann nicht, wenn die letzten Anweisungen verteilt wurden und die Veranstaltung bereits begonnen hat. "Die Sicherheitsarbeit hört nie auf", sagt der Konstanzer Rechtsanwalt Daniel Schlatter. Er ist als Event Security und Safety Manager tätig und sorgt bei Veranstaltungen für die Sicherheit. Und das, bis die Veranstaltung vorbei ist: "Jede Minute kann sich etwas ändern und ich muss dann schnell darauf reagieren", erklärt der 43-Jährige.
Vor 20 Jahren organisierte Schlatter eigenverantwortlich seine erste Veranstaltung. "Sobald jemand eine leitende Funktion innehat, beschäftigt er sich automatisch auch mit dem Thema Sicherheit", sagt Schlatter, der sich selbst wegen seiner jahrelangen Erfahrung schon zu den "Dinosauriern der Branche" zählt.
Eben deshalb weiß Schlatter auch eins ganz sicher: das Thema Sicherheit betrifft alle Organisationsteile des Veranstalters - von der Gastronomie über die Hygiene bis hin zu den Ordnern am Einlass. "Sicherheit betrifft alles und alle Änderungen betreffen auch die Sicherheit", schildert Schlatter. "Man kann keine Sicherheit bei Veranstaltungen organisieren ohne Kenntnisse in der Veranstaltungstechnik und -organisation zu haben." Dabei helfen ihm seine technische Ausbildung sowie die Arbeit als Jurist.
Vor fünf Jahren übernahm Schlatter zum ersten Mal die Sicherheitsarbeit beim Seenachtfest in Konstanz. "Es ist schön, auch eine Veranstaltung in der eigenen Stadt zu machen", sagt Schlatter, der schon den Papstbesuch in Freiburg 2011 als Sicherheitsexperte begleitete und für das Metal-Festival Wacken ein Verkehrskonzept entwickelte. Auch wenn das Seenachtfest zahlenmäßig kleiner ist, sei nicht weniger Planung notwendig: "Der Anspruch ist bei jeder Veranstaltung der gleiche", sagt er.
Beim Seenachtfest ist vor allem die Publikumslenkung ein wichtiger Punkt in der Sicherheitsplanung: "Die Ströme müssen so gelenkt werden, dass es nicht zum Gedränge kommt", sagt Schlatter. Der besondere Anspruch dabei: Eine hohe Fluktuation bei nur einer Unterführung und Bahnübergängen als Zugängen. Ob er auch in diesem Jahr für Sicherheit sorgen wird, ist noch unklar. Denn der Veranstalter des Festes hat gewechselt. Zunehmend arbeitet Schlatter auch am Thema Sicherheit fernab von Veranstaltungen, zum Beispiel an der kommunalen Sicherheit in Konstanz. "Die Frage ist, wie die Innenstadt funktionsfähig bleiben kann", sagt er.
Vor allem zwei Ereignisse hatten nachhaltigen Einfluss auf seine Tätigkeit: das Loveparade-Unglück in Duisburg 2010 und der Anschlag in Ansbach 2016. Der tödliche Ausgang der Techno-Veranstaltung Loveparade deckte zahlreiche Probleme in der Planung der Veranstaltung auf. "Das Unglück hat gezeigt, was passiert, wenn Grundsätze der Planung nicht berücksichtigt werden", sagt Schlatter. "So etwas hat das Veranstaltungsdeutschland vorher noch nicht erlebt."
Mit dem Selbstmordanschlag bei einem Musikfestival im bayrischen Ansbach im Juli 2016 rückte auch der Terror als mögliche Gefahr ins Bewusstsein des Sicherheitsexperten: "Das hat gezeigt, dass es auch die Event-Welt hier bei uns treffen kann", sagt er. Diese Vorfälle hätten aber nicht nur Einfluss auf die Veranstalter gehabt, sondern ebenso auf das Publikum: "Wenn so etwas passiert, verändert das auch das Bewusstsein der Menschen", erklärt Schlatter. Mehr denn je sei deshalb das "Präsenz zeigen" heutzutage bei Veranstaltungen wichtig. Sollte das Sicherheitspersonal früher noch möglichst wenig hervorstechen, tragen Ordner heute Leuchtwesten, um den Besuchern aufzufallen.
Obwohl Schlatter alles dafür tut, dass seine Veranstaltungen reibungslos ablaufen, bleibt ein Restrisiko: "Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht", erklärt er. Was bleibt sind akzeptierte Risiken, wie Schlatter sie nennt. Bei Veranstaltungen unter freiem Himmel ist das beispielsweise das Wetter. So wie extreme Wetterlagen fallen auch Brände, die bauliche Sicherheit oder Terror unter den Oberbegriff der Ereignislagen mit hohem Schadenspotenzial. "In solchen Fällen muss man Pläne zum Räumen und Evakuieren immer in der Tasche haben", sagt Schlatter.
Dafür werden mögliche Szenarien schon vorab durchgespielt, um im Ernstfall reagieren zu können. Ein Abbruch der Veranstaltung sei meist die letztmögliche Wahl: "Das würde große Personenbewegungen bedeuten und genau die soll es ja nicht geben", erklärt er. Vorab und auch während einer Veranstaltung ist die Aufklärung der Besucher für das Funktionieren des Events wichtig. Für ihre eigene Sicherheit müssen dabei auch die Besucher selbst etwas tun: Denn jeder Veranstalter könne davon ausgehen, dass sie einige Risiken auch selbst einschätzen können. "Die Menschen wissen mit Wetter umzugehen, bringen Sonnen- und Regenschutz und festes Schuhwerk mit", erläutert Schlatter.
Sechs Monate Planung im Voraus sind für den Sicherheitsexperten ein guter Zeitraum, um sein Konzept auszuarbeiten. Die Konzeption sei auch schneller möglich, zu früh damit anzufangen sei hingegen nicht ratsam: "Je weiter weg ich von dem Event bin, desto weniger Planungssicherheit habe ich", erklärt Schlatter. Der wichtigste Aspekt bei der Sicherheit sei stets die Antwort auf die Frage: "Mit wem habe ich zu tun?", sagt Schlatter. Dafür müsse er genau wissen, wann die Besucher kommen, was sie machen und wann sie wieder gehen.
Mit diesen Überlegungen sei es für ihn möglich, einen stabilen Grundbetrieb herzustellen. Vor Ort ist Schlatter stets dahinter, dass alles funktioniert: "Ich versuche, den Fehler zu finden, bevor er zum Tragen kommt", sagt er. Wenn es dann doch zum Ernstfall kommt, muss der Verantwortliche eine Entscheidung treffen - mit möglichen Folgen. Oder wie Schlatter sagt: "Ich muss auch den Arsch in der Hose haben, es dann durchzuziehen."
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