Ein Besuch in der Ausstellung "Women of Colour" von Joséphine Sagna.
Joséphine Sagnas Vater kommt aus dem Senegal, ihre Mutter ist Deutsche. Sie ist in Deutschland geboren, in einem 2000-Seelen-Dorf aufgewachsen. Die 30-Jährige kennt die Vorurteile gegen Menschen mit anderer Hautfarbe und Alltagsrassismus.
Das greift sie jetzt in ihrer Kunst auf, indem sie schwarze Frauen, also "Women of Colour", auf ihre Bilder holt. Alle neun ausgestellten Werke sind in den vergangenen zwei Jahren entstanden, Acryl auf Leinwand. Mit Titeln wie "Necklace and Nipples" oder "Don't tell me to smile".
An den Barwänden hängen expressionistische, fragmentierte Kunstwerke mit teils versteckter Schrift. Auf dem Porträt einer Frau steht "I LIKE YOUR HAIR" rechts unten in der Ecke. "Ich habe ihre Frisur immer wieder übermalt, bis sie mir gefallen hat", sagt Joséphine.
Es dauert eine Weile, bis man jedes Bild komplett erfasst hat. Immer tauchen neue Schrift-Schnipsel, Linien und Formen auf. Man muss genauer hinschauen, Schicht für Schicht erkunden.
Meist lässt die Künstlerin sich von Frauen auf Instagram inspirieren - aber nicht von den gewohnten Modeltypen. Joséphines Figuren präsentieren sich stark, in selbstbewussten Posen. Mit ihrer Kunst möchte sie dem westlichen Schönheitsideal etwas entgegensetzen.
„Die Tage, an denen ich langes, blondes, glattes Haar haben wollte, sind vorbei."
Künstlerin Joséphine Sagna hat dies unter ein Instagram-Seflie gepostet.
"Wieso darfst du Nigger sagen und ich nicht?" / "Darf ich deine Haare anfassen?" / "Ihr habt halt dicke Popos."
Joséphine hat es bei der Arbeit und in der Uni erlebt: Rassismus findet überall statt, jeden Tag.Am Ende waren es zu viele Bemerkungen für die Wand. "Ich war erst erschrocken und dann befreit", sagt Joséphine. Das Abbilden habe den Worten zwar auch Macht gegeben, aber so sei es leichter gewesen, sie zu verarbeiten.
„Wir hatten die Idee, einen Afrika-Tag zu machen und unsere traditionelle Kleidung zu tragen. Das wäre cool gewesen. Meine Chefin sagte dazu: 'Dann mache ich mir einen Knochen ins Haar.'"
Joséphine hatte ihre Chefin direkt darauf hingewiesen, dass solche Aussagen rassistisch sind. Denn das impliziere ja, dass Menschen in Afrika primitiv seien. "Ich fühlte mich ehrlich angegriffen", sagt Joséphine. "Ich möchte nicht, dass jemand so über Menschen denkt, nur weil sie eine andere Herkunft oder Hautfarbe haben."
In solchen Momenten bekomme sie einen Kloß im Hals. Sie werde schnell emotional, wolle aber nicht, dass es jemand merkt. Am schlimmsten sei es, wenn sie sich wie bei dem Mittagsessen noch erklären müsse und trotzdem nicht verstanden werde. Viele würden reagieren wie die Chefin, sowas koste Kraft. "Mir ist nicht jedes Mal nach Diskutieren", sagt sie, "aber wenn ich nichts sage, macht es vielleicht niemand."
Trotzdem stellt Joséphine sich manchmal die Frage, ob sie Alltagsrassismus überhaupt anprangern darf.
"Ich bin doch noch privilegiert, weil ich einen hellen Hautton habe", sagt sie. Dabei kämpfe auch sie - das "Brown Girl" - mit rassistischen Bemerkungen.
Politisch würde sie sich als Schwarze bezeichnen, im Senegal werde sie dagegen als weiße Frau wahrgenommen. Das sei für sie weniger die Beschreibung der Hautfarbe, sondern eine Identitätsfrage. "Ich bin irgendwo dazwischen", sagt Joséphine. "Ich fühle beide Seiten." Ihr Vater habe sie als kleines Mädchen immer wieder gefragt, was von beidem sie nun sei. "Ich wollte mich schon damals nicht entscheiden, also antwortete ich: braun."
Mit ihrer Kunst möchte Joséphine niemanden direkt und offensichtlich anklagen. Sie glaubt: "Positive Emotionen bewirken mehr." Auch bei ernsten Themen wie Rassismus.