Vivien Götz

Freie Journalistin, Studentin , Raum Düsseldorf

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Etwas vom eigenen Glück zurückgeben

Rund um die Uhr ein offenes Ohr: Bei Liane Herrling können die Mitglieder des Sozialverbandes jederzeit anrufen. (Foto: Vivien Götz)

Ehrenamtliche Helfer bleiben meistens im Hintergrund. Deshalb stellt die „Schwäbische Zeitung“ derzeit immer wieder Menschen vor, die sich in Kressbronn für die Allgemeinheit engagieren. Für den fünften Teil dieser Serie haben wir Liane Herrling getroffen. Sie ist seit 2010 Vorsitzende des Sozialverbandes Vdk in Kressbronn.

Zum Sozialverband Vdk kommen die meisten Menschen erst, wenn sie sich schon in einer Notlage befinden. Das war auch bei Liande Herrling nicht anders. Sie hatte einen Sportunfall, wurde arbeitsunfähig und bekam Probleme mit der Rentenversicherung. „Die Krankenkasse hat mir gesagt, in meinem Zustand sei ich auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar und die Rentenversicherung kam in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis, ich sei zu faul zum Arbeiten“, erinnert sich die 64-Jährige. Mit der rechtlichen Unterstützung des Sozialverbandes konnte Liane Herrling ihre Rentenansprüche schließlich geltend machen. Danach blieb sie, wie so viele andere, passives Mitglied.

2009 zog sich Liane Herrlings Vorgängerin aus Altersgründen zurück und es drohte die Schließung des Ortsverbandes, sollte sich keine Nachfolgerin finden. „Das hat mich damals erweicht und ich habe mich dann zur Wahl gestellt“, erinnert sich Liane Herrling. Seitdem hat sich einiges getan. Die Mitgliederzahl der Ortsgruppe Kressbronn ist in neun Jahren von 84 auf 340 gewachsen. Bei all dem Erfolg ist Herrling eines besonders wichtig, „Ich stehe hier nicht alleine, sondern mit all meinen Vorstandskollegen, ohne die das alles gar nicht möglich wäre“, sagt sie mit viel Nachdruck.

Der Sozialverband Vdk hat sich in den 1950er-Jahren in erster Linie als Vertretung der Kriegsversehrten gegründet. Heute ist er die größte gemeinnützige und überparteiliche Interessenorganisation der Sozialversicherten in Deutschland. Die Kernkompetenz des Verbandes ist das Sozialrecht und die Rechtsberatung. Die hauptamtlichen Anwälte des Verbandes beraten und vertreten die Mitglieder und klagen manchmal bis vor das Bundessozialgericht. Wer ein Problem mit Rentenansprüchen, Reha-Aufenthalten oder den Ansprüchen auf Betreuung hat, kann sich an den Sozialverband wenden.

In diesem System ist die Ortsgruppe in Kressbronn die erste lokale Anlaufstelle. Liane Herrling und ihre Vorstandskollegen hören den Menschen zu und klären ab, in wie weit der Sozialverband bei den vielen individuellen Problemen helfen kann. Wer den rechtlichen Beistand des Sozialverbandes in Anspruch nehmen will, den vermittelt Liane Herrling an die Servicestelle in Friedrichshafen.

Persönliche Betreuung

Die Arbeit der Ortsgruppe geht aber weit über die Vermittlung rechtlicher Hilfe hinaus. „Bei neuen Mitgliedern schaue ich möglichst persönlich vorbei, um zu klären, ob eine persönliche und intensive Betreuung nötig ist“, erzählt Herrling. Sie und ihre Kollegen machen Krankenbesuche, sind Tröster, Begleiter und Mutmacher. „Hinter den Türen sieht es oft schlimmer aus, als man sich das vorstellen kann. Ich denke oft ,jetzt hab ich wirklich alles gesehen’, aber es gibt immer nochmal einen drauf“, erzählt sie. Gerade hat sie für eine Seniorin einen Augenarzttermin gemacht, da die Frau vorher kaum mehr in der Lage war, ihre eigene Post zu lesen. Ein anderes Mal haben sie und ihre Kollegen einer schwer kranken Frau den letzten Wunsch erfüllt, noch einmal Fahrrad fahren zu können. „Wir haben einen Heimtrainer organisiert – die Frau ist dann recht bald verstorben, aber wir konnten ihr nochmal eine Freude machen“, erinnert sich die 64-Jährige.

Die Arbeit für den Sozialverband habe sie bescheiden gemacht, erzählt Herrling. „Ich merke, dass ich mein eigenes Glück viel mehr zu schätzen weiß und ich bin sehr, sehr dankbar, dass es mir heute so gut geht“, stellt sie fest. Mit ihrem Engagement für die Menschen, die oft völlig verzweifelt bei ihr anrufen oder auch einfach mal plötzlich vor der Tür stehen, wolle sie etwas von diesem Glück zurückgeben. „Wenn man sieht, dass man jemandem wirklich helfen konnte, das ist das schönste“, sagt sie.

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