In der Serie "Kontoauszug" stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie monatlich auf die Seite legen. Hier berichtet der 31-jährige Tino Beerlaub*, der als Trainee im Projektmanagement einer Beratungsfirma in Brüssel arbeitet.
Beruf: Seit September bin ich Trainee in einer Beratungsfirma in . Sie ist darauf spezialisiert, Unternehmen dabei zu helfen, sich um Fördergelder der Europäischen Union zu bewerben. Denn die Fördertöpfe der EU sind zwar groß, doch die dazugehörigen Bewerbungsverfahren sind kaum zu durchschauen. Consulting-Firmen können dabei unterstützen - und das ist nun auch meine Aufgabe.
Bei uns geht es vor allem um Projekte im Energiebereich, um erneuerbare Energien und Energiespeicherung. Wenn ein Unternehmen beispielsweise Batterien entwickeln möchte, um Solarenergie zu speichern und damit Busse im öffentlichen Nahverkehr zu betreiben, kann es Unterstützung durch EU-finanzierte Programme bekommen. Wir sagen der Firma, welche das sind und wie das geht. Auch die Kommunikation mit den Brüsseler Behörden übernehmen meistens wir.
Als Trainee im Projektmanagement lerne ich unterschiedliche Berufsbereiche kennen: Finanzen, Verwaltung, interne Kommunikation, Pressearbeit, eine lange Liste. Oft arbeite ich meinen Vorgesetzten zu, darf aber auch selbst Verantwortung übernehmen und die Kundinnen und Kunden mitberaten. Deshalb hoffe ich, nach dem Trainee-Programm, das ein Jahr dauert, als Junior Project Manager übernommen zu werden. Aktuell bewirbt sich meine Firma auf mehrere Projekte. Wenn wir den Zuschlag bekommen, habe ich gute Chancen, langfristig angestellt zu werden. Die Gespräche über eine Verlängerung werden wir bald führen. Und selbst, wenn sie mich nicht übernehmen, will ich in Brüssel bleiben. Die Branche wird weiter wachsen, der Job hat Zukunft.
Ausbildung: Nach dem Abitur habe ich erst Politikwissenschaft studiert, nach rund einem Jahr aber wieder abgebrochen. Danach bin ich für ein Freiwilliges Soziales Jahr nach Mexiko gegangen, wo ich für ein Bildungsprojekt gearbeitet habe. Wir sind mit einem Bus in die ärmeren Stadtviertel von Mexiko-Stadt gefahren, um mit den Kindern dort zu malen und basteln - ihnen also etwas Abwechslung in ihrem nicht immer einfachen Alltag zu bieten. Zurück in Deutschland habe ich ein Bachelorstudium in Sinologie begonnen. Um meine Sprachkenntnisse zu verbessern, habe ich ein Semester lang in Peking studiert, bevor ich 2016 mein Studium abgeschlossen habe. Im Anschluss habe ich zwei Jahre in Peking gelebt. Dort war ich befristet bei chinesischen Consulting-Firmen angestellt, die mit europäischen Unternehmen zusammenarbeiteten. Meine Aufgabe war es, sie über die Abläufe in Europa zu beraten - egal ob es um Investments oder Stipendien für Studierende ging. Die Jobs waren mäßig gut bezahlt, dafür habe ich bei dieser länderübergreifenden Arbeit gemerkt, dass mich der Bereich internationale Beziehungen und Entwicklungszusammenarbeit besonders interessiert. Berufe in diesem Segment haben immer auch eine soziale Komponente, man tut etwas für die Gesellschaft. Solche Werte sind mir wichtig. Unternehmensberatung muss ja nicht automatisch böse sein. Zurück in Europa habe ich deswegen in dem Bereich noch einen Master gemacht. Die meiste Zeit habe ich dafür in Turin studiert, unterbrochen von einem Auslandssemester in London.
Als ich mein Studium im Jahr 2020 endgültig abgeschlossen hatte, war im Corona-Lockdown und die Lage auf dem Arbeitsmarkt entsprechend schlecht. Ich habe mehr als 160 Bewerbungen an Arbeitgeber in verschiedenen Ländern geschickt, aber nur Absagen bekommen. Es war eine sehr frustrierende Zeit. Eine Zeit lang habe ich von meinem Ersparten gelebt - als das aufgebraucht war, die Frage: Wohin mit mir? Nichts von dem, was ich mir aufgebaut und vorgenommen hatte, war mehr möglich. Meine Familie hat mich aufgefangen, sonst hätte ich nicht weitergewusst. Aber auch die Reserven meiner Eltern sind nicht unendlich. Weil ich weiter nur Absagen bekam, habe ich nur noch zwei Möglichkeiten gesehen: mich auf eine schlecht bezahlte Promotionsstelle zu bewerben und in die Forschung zu gehen, obwohl ich dort nie wirklich hinwollte - oder Hartz IV zu beantragen. Ich hatte sogar schon einen Termin bei der Arbeitsagentur vereinbart. Glücklicherweise habe ich kurz davor das Angebot aus Brüssel bekommen. Da war die Erleichterung natürlich riesig, die lange Suche hat mich wirklich sehr belastet.
Arbeitszeit: Vertraglich vereinbart sind in meinem Job 38 Stunden Arbeitszeit. Wenn eine Deadline für ein Projekt ansteht, arbeite ich länger. Dafür gibt es andere Wochen, die entspannter sind. Aktuell bin ich drei Tage in der Woche im Homeoffice und zwei Tage im Büro.
Bruttoeinkommen: Als Trainee verdiene ich monatlich 850 Euro brutto. Sonstige Einnahmen habe ich nicht.
Nettoeinkommen: In Belgien zahle ich momentan keine Steuern, denn hier gibt es eine Sonderregel für Trainees. Wer weder Praktikant noch Festangestellter ist, profitiert davon. Deshalb liegt auch mein Nettoeinkommen bei 850 Euro. Versicherungskosten werden bisher nicht abgezogen, denn seit ich in Brüssel angekommen bin, warte ich auf meine Registrierungskarte. Ohne sie kann ich keine belgische Krankenversicherung abschließen. Aktuell bin ich deshalb noch bei meiner deutschen Krankenversicherung gemeldet. Dort zahle ich den Mindestbeitrag in Höhe von rund 170 Euro. Das ist aber nur ein Übergangszustand. Wie viel ich mit der Registrierungskarte für die Versicherung zahlen muss, weiß ich noch nicht.
Falls ich bei meinem Arbeitgeber übernommen werde, kann ich als Junior-Projektmanager mit einem Einstiegsgehalt von rund 2.000 Euro brutto rechnen. Das ist nicht astronomisch hoch, aber doch ein großer Sprung für mich. Wenn ich ein paar Jahre im Beruf arbeite, kann sich diese Zahl wahrscheinlich vervierfachen.
Meine Ausgaben
Wohnen: Die Zusage für die Trainee-Stelle kam plötzlich. Ich habe dann schnell online nach einer Wohnung gesucht. Ohne vor Ort zu sein, war das nicht einfach, aber über diverse Facebook-Gruppen wurde ich fündig. Jetzt lebe ich zusammen mit einem Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft nahe meiner Arbeit. Aktuell zahle ich für Miete plus Nebenkosten 450 Euro für mein Zimmer; Küche und Bad teilen wir uns.
Lebensmittel: Bisher war ich in Brüssel nicht auswärts essen, außer mal belgische Pommes an einem Stand. Essengehen gibt weder mein Budget her, noch hatte ich durch die Corona-Beschränkungen und die Homeofficesituation besonders viele Möglichkeiten dazu. Meistens koche ich zu Hause, Lebensmittel kaufe ich möglichst günstig im Supermarkt. Wenn ich ins Büro gehe, nehme ich mir mein Mittagessen mit. Das spart mir viel Geld. Mit 100 Euro fürs Essen komme ich im Monat aus.
Mobilität: Weil meine Wohnung in der Nähe des Büros liegt, gehe ich fast alle Wege zu Fuß. Ich habe weder Auto noch Fahrrad. Wenn doch mal eine Strecke länger ist, nehme ich ein Sharing-Bike. Die stehen hier an jeder Ecke und kosten nur einen Euro pro Tag, wenn man weniger als 30 Minuten fährt. Und auch den öffentlichen Nahverkehr nutze ich eher selten. Fahrradmiete und Ticketkosten zusammengerechnet dürften zehn Euro im Monat ergeben.
Handy und Internet: Die Kosten für das WiFi sind in der Miete enthalten. Mein Handy läuft über einen alten Vertrag für 7,99 Euro, der die Kosten für Telefon und mobiles Internet umfasst.
Hygieneprodukte: Auch hier beschränke ich mich auf das Notwendigste: Zahnpasta, Shampoo und Rasierzeug – alles von der Hausmarke des Drogeriemarkts. Alle drei Monate gehe ich zum Friseur, aber auch das ist für Männer eher günstig. Deshalb schätze ich, dass ich nicht mehr als 15 Euro durchschnittlich für Hygieneprodukte ausgebe.
Kleidung: Ich habe sicherlich seit zwei Jahren keine neue Kleidung gekauft. Sogar für den neuen Job muss mein alter Anzug aus Peking reichen. In den letzten Monaten hat meine Familie gebrauchte Kleidung an mich weitergegeben oder ich habe zu Weihnachten einen neuen Pulli geschenkt bekommen. Ich trage immer dieselben ausgewachsenen Jogginghosen – durch den Lockdown fällt es ja kaum auf, ich bin ja selten draußen. Mittlerweile merke ich aber, dass ich bald ein paar Sachen neu kaufen muss. Aber dafür war bisher einfach kein Geld da. Stattdessen habe ich angefangen, kaputte Hosen zu flicken, wenn sie einen Riss haben. Mittlerweile kann ich ganz passabel nähen.
Freizeit/Sport: Wegen der Kontaktbeschränkungen bin ich viel zu Hause. So nervig das ist, bin ich so zumindest weniger verlockt, Geld auszugeben. Bei Netflix und Amazon Prime nutze ich den Account meines Vaters, Spotify ist kostenlos, wenn man die Werbung erträgt. Außerdem kann man Musik bei YouTube hören. Das einzige kostenpflichtige Abo, das ich schon sehr lange habe, ist für die Zeitung Le Monde diplomatique. Weil ich dort noch den Studententarif zahle, kostet das Print-Abo 36 Euro im Jahr, also monatlich drei Euro. Sonst habe ich kreative Wege gefunden, um Kosten zu senken: Epic Games, die Entwickler des Computerspiels Fortnite, bieten zum Beispiel einmal pro Woche ein Gratisspiel an. Oder der Game Pass: Das ist eine Art Abonnementdienst für viele Xbox-Spiele und kostet eigentlich einen Euro im Monat – wenn man ihn aber frühzeitig storniert, bekommt man sein Geld zurück. Im nächsten Monat kann man dann einen neuen Account erstellen und das Ganze noch einmal machen. Ich spare, wo es irgendwie geht. Seit ich in Brüssel bin, war ich allerdings wieder öfter im Kino. Einmal im Monat zahle ich hierfür acht Euro pro Karte. Außerdem gehe ich viel spazieren, um die Stadt kennenzulernen. Insgesamt gebe ich für meine Freizeitgestaltung etwa 15 Euro im Monat aus.
Reisen: Meine Freundin wohnt in Italien, ich besuche sie, so oft es geht – einmal im Monat klappt das. Mit Billigfliegerverbindungen zahle ich hin und zurück nur 20 Euro. Ansonsten gab es im vergangenen Jahr nur eine weitere Reise: eine Woche Urlaub in Apulien. Mit Freunden war ich in der Nebensaison dort, wir haben die Kosten geteilt und bei allem auf den Preis geschaut. Dieser Kurzurlaub hat rund 350 Euro gekostet. Auf den Monat heruntergebrochen ergeben sich mit den Besuchen bei meiner Freundin Reisekosten von etwa 50 Euro.
Versicherung: Weil das Geld fast immer knapp ist, habe ich kaum Versicherungen. Eine Schlüssel- oder Berufsunfähigkeitsversicherung wirken auf mich wie der pure Luxus. Ich habe aktuell nicht einmal eine Haftpflichtversicherung. Das ist ein Risiko, das ist mir klar, aber was soll ich machen?
Altersvorsorge: Auch eine private Altersvorsorge kann ich mir nicht leisten. Ich habe lediglich einen verbliebenen Notgroschen: Vor Jahren habe ich günstig in Bitcoins investiert. Leider ist der Wert meines Wallets in der letzten Zeit wieder gesunken, von rund 3.000 Euro auf etwa 2.500 Euro. Trotzdem ist es beruhigend, das Geld zu haben.
Was am Ende übrig bleibt
Ich bin froh, wenn am Ende des Monats eine Null auf meinem Kontoauszug steht. Nicht immer hat das in den letzten Monaten geklappt. Sobald Extrakosten hinzugekommen sind und etwas Unvorhergesehenes passiert ist, war das Konto schnell im Minus. Mit dem Job in Brüssel ist das besser geworden.
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