In der Serie "Kontoauszug" stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie monatlich auf die Seite legen. Hier berichtet die 37-jährige Mia Brandes*, die als Oberärztin in einer Klinik arbeitet.
Beruf: Ich arbeite als Oberärztin in einer größeren Klinik in Baden-Württemberg mit stationären, teilstationären und ambulanten Patienten mit psychischen Erkrankungen. Man kann sich das als ganz klassischen Klinikalltag vorstellen: Patientinnen und Patienten kommen zu uns, wir behandeln sie und entscheiden dann, ob wir sie danach entlassen können - oder ihnen empfehlen, sich länger bei uns behandeln zu lassen.
"Die Wissensvermittlung passiert oft nebenbei." Mia Brandes, 37, OberärztinIch bin allerdings nicht mehr so oft in die direkte Behandlung eingebunden. Stattdessen habe ich die Fachärztinnenaufsicht für die Ärztinnen und Ärzte meiner Station inne, bin bei den Visiten dabei und stehe für Rückfragen zur Verfügung. Außerdem gehört zu meinen Aufgaben die Wissensvermittlung an die Assistenzärztinnen und -ärzte. Oft passiert das nebenbei durch Fragen während der normalen Krankenhausarbeit, es finden aber auch Konferenzen und Fortbildungsveranstaltungen für die angehenden Fachärztinnen und -ärzte statt.
Aktuell bin ich viel damit beschäftigt, immer wieder neue Pandemieanweisungen der Klinikleitung an die Mitarbeitenden weiterzugeben. Gerade in meinem Beruf merke ich, wie viele Menschen von betroffen sind. Als Ärztin sehe ich täglich, wie schlimm die Krankheit ist und wundere mich, warum zum Beispiel noch immer Weihnachtsmärkte geöffnet sind. Wenn ich von Kolleginnen höre, was gerade auf der Intensivstation los ist, verstehe ich nicht, wieso sich Menschen nicht impfen lassen.
Ausbildung: Nach dem Abitur habe ich ein Krankenpflegepraktikum absolviert. Anschließend habe ich sechs Jahre lang Humanmedizin studiert, ein Semester davon war ich in Skandinavien. Nach dem Studium habe ich meine Doktorarbeit fertig geschrieben und bin anschließend einige Zeit durch Südostasien gereist. Nach meinem letzten Examen musste ich einfach den Kopf freikriegen. Da mir klar war, dass ich auch mit einer Unterbrechung keine Probleme hätte, eine Stelle zu finden, habe ich mir diese Zeit genommen.
Danach habe ich meine Fachärztinnenweiterbildung an einer Klinik begonnen. Sie dauert in Vollzeit eigentlich fünf Jahre. Weil ich aber damals mit zwei meiner drei Kinder in Elternzeit war, hat die Weiterbildung bei mir neuneinhalb Jahre gedauert. Beim dritten Kind war ich nicht mehr in Elternzeit, weil ich diese Phase endlich zu Ende bringen wollte. Dabei hat mich mein Mann unterstützt, dank des Mutterschutzgesetzes hat das ganz gut geklappt.
Während der Weiterbildung zur Fachärztin habe ich in der Klinik als Stationsärztin in der direkten Patientenversorgung gearbeitet. Dazu habe ich - weitestgehend in meiner Freizeit - eine Psychotherapieausbildung gemacht und wurde in fachspezifischen Bereichen geschult; am Rande auch allgemein in Bereichen wie dem Wissen über das deutsche Gesundheitswesen. 2020 habe ich dann die Facharztprüfung gemacht, zwei Monate später eine Oberärztinnenstelle angetreten. Nicht bei allen Fachärztinnen und -ärzten läuft das so: Viele lassen sich in einer Praxis nieder oder arbeiten als Fachärzte in einer Klinikstation. In meinem Fall war eine passende Oberärztinnenstelle ausgeschrieben, auf die ich mich beworben habe und genommen wurde.
Arbeitszeit: Laut Vertrag arbeite ich 28 Stunden pro Woche, das entspricht 70 Prozent einer Vollzeitstelle. Dabei bleibt es aber selten: Überstunden kommen fast immer dazu, häufig arbeite ich eher 80 Prozent. Bei mir werden alle Überstunden erfasst, die kann ich dann als Freizeitausgleich nehmen oder auch ausbezahlt bekommen. Ich übernehme zudem viele Rufbereitschaftsdienste im Monat. Bis zu 14 Mal im Monat habe ich auch nachts und am Wochenende Rufbereitschaft. Formal ist das keine Arbeitszeit, es sei denn, ich werde angerufen. Viel lässt sich dann telefonisch klären, eher selten muss ich wirklich in die Klinik kommen - vielleicht einmal in drei Monaten. Wenn eine Patientin oder ein Patient beispielsweise am Wochenende auf eigenen Wunsch entlassen werden will und sich die Diensthabende im Vordergrunddienst unsicher ist, ob wir das verantworten können, mache ich mir zum Teil ein persönliches Bild der psychischen Verfassung. Denn die ist manchmal am Telefon schwer zu beurteilen. Für ein Wochenende wegfahren oder ohne Handyempfang ins Kino gehen kann ich während der Rufbereitschaft nicht. Eine gewisse Grundanspannung bleibt an diesen Tagen definitiv bestehen.
Brutto: Laut Tarifvertrag verdiene ich rund 5.430 Euro im Monat. Durch Wochenendschichten und Sonderdienste kommen im Jahresdurchschnitt noch einmal 1.430 Euro dazu, zusammen sind das also 6.860 Euro Bruttoeinkommen. Durch die Sonderzahlungen schwankt dieser Betrag leicht von Monat zu Monat.
Netto: Abzüglich aller Steuern und Abgaben bleiben durchschnittlich 4.665 Euro übrig. Außerdem läuft das Kindergeld auf meinem Konto ein, das sind 663 Euro für drei Kinder. Zusammengerechnet ergibt das 5.328 Euro. Ich lebe mit meinem Mann zusammen, er verdient aktuell aber deutlich weniger, deshalb zahle ich einen Großteil unserer Ausgaben. Wir haben getrennte Konten.
Meine Ausgaben
Wohnen: Wir wohnen aktuell zur Miete in einer 170 m² großen Wohnung mit fünf Zimmern. Dafür zahlen wir eine Warmmiete von 1.450 Euro. Kosten für Müll und Versicherungen sind darin schon enthalten. Für Heizung und Strom kommen noch einmal rund 200 Euro dazu. Zusammen ergibt das also 1.650 Euro monatlich. Diese Kosten übernehme ich komplett.
Lebensmittel: Ich gehe nicht an allen Tagen, aber regelmäßig in der Krankenhauskantine essen. Das Essen dort kostet relativ wenig und als Vegetarierin bestelle ich oft nur die Beilagen, das macht es noch günstiger. Pro Mahlzeit zahle ich deshalb nur 1,40 Euro. Auf den Monat gerechnet komme ich so auf 25 Euro für das Kantinenessen. Zu Hause geht mein Mann einkaufen und übernimmt auch einen Großteil der Kosten für Lebensmittel. Ich schieße pro Monat rund 200 Euro für Lebensmittel hinzu. Mit Kindern macht Essengehen ohnehin nur bedingt Spaß, durch Corona wurde das nicht besser. Wir gehen also nur sehr selten auswärts essen oder bestellen etwas. Im Durchschnitt sind das vielleicht 20 Euro im Monat. Stattdessen kochen wir zu Hause. Dafür beziehen wir eine Ökokiste mit Gemüse und frischem Brot, den Rest kaufen wir dazu. Weil die Kinder in der Mittagsbetreuung warm essen und ich in der Kantine, gibt es manchmal auch ganz klassisch kaltes Abendbrot. Zusammengerechnet liegt mein Anteil an den Lebensmittelkosten bei 245 Euro.
Mobilität: Mein Mann übernimmt die Kosten für unser gemeinsames Auto. Er zahlt die Kfz-Versicherung und tankt auch. Selbst nutze ich das Auto auch nur selten. Ich fahre jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit – 15 Kilometer hin, 15 zurück, egal ob es regnet oder die Sonne scheint. Das tut der Umwelt und der Gesundheit gut. Immer wieder kaufe ich deshalb Ersatzteile wie ein neues Schutzblech oder Kettenöl. Alles, was relativ unkompliziert geht, also Schläuche oder Mäntel, repariere ich selber. Für kompliziertere Probleme gebe ich das Rad in die Werkstatt. Außerdem brauche ich immer mal wieder neue Fahrradkleidung. Kürzlich habe ich eine neue Regenjacke gekauft, aber solche einmaligen Kosten verteilen sich. Auf den Monat gerechnet schätze ich, dass ich 30 Euro für das Thema Fahrrad ausgebe. Den ÖPNV nutze ich nur sehr selten und gebe maximal 50 Euro im Jahr aus, etwa vier Euro monatlich. Macht insgesamt 34 Euro pro Monat.
Handy/Internet: Die Kosten in Höhe von 30 Euro für unseren Festnetzanschluss samt Internet übernimmt mein Mann. Deshalb bleibt nur mein Handyvertrag für 9,99 Euro übrig.
Körperpflege: Ich gehe vielleicht einmal im Jahr zum Friseur, sonst schneide ich mir die Haare selber. Die Kosten dafür sind also nicht sehr hoch. Auch nutze ich keinerlei Make-up, deshalb bleiben nur die Basics: Seife, Duschgel, Deo und mal eine neue Haarbürste. So komme ich auf durchschnittlich sieben Euro im Monat.
Kleidung: Für Kleidung würde ich monatlich 50 Euro veranschlagen. Vieles versuche ich zu reparieren und upzucyceln. Ich habe zwei Kisten mit Kleidung aus den letzten zehn Jahren im Schrank. Manchmal kürze ich eine lange Hose mit einem Schnitt, den man heute nicht mehr so trägt, zu einer kurzen Hose. Ich flicke auch Kleidung oder mache daraus etwas für die Kinder. Außerdem behalte ich meine Kleidung relativ lange. Meinen Wintermantel trage ich seit fünf Jahren und noch immer kriege ich Komplimente dafür und höre die Frage, wo man den kaufen kann. Mir ist es zudem wichtig, dass die Produktionsbedingungen nicht menschenunwürdig sind, meistens ist dann auch die Qualität besser.
Freizeit: Mit dem Job und drei Kindern bleibt nur wenig Zeit für klassische Freizeitaktivitäten. Wenn die Kinder abends im Bett sind, bin ich oft so müde, dass ich noch Zeitung lese und das war's. Ich habe ein digitales Zeitungsabo, das kostet mich 27 Euro im Monat. Netflix habe ich nicht. Mit den Kindern schauen wir Sendungen in den Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen oder bei YouTube. Mehr Zeit bleibt meist gar nicht. Bei Spotify nutze ich den Familienaccount meiner Schwester kostenlos mit. Hin und wieder gehe ich ins Museum, aber im Corona-Jahr 2021 kann man selbst das vernachlässigen.
Kinder: Bei drei Kindern fallen eine ganze Menge Kosten an. Rechnet man Kinderkleidung, Spielsachen und Geschenke zusammen, komme ich auf rund 350 Euro im Monat. Hinzu kommen die Ausgaben für Kinderbetreuung inklusive Essensgeld: noch mal 350 Euro im Monat. Außerdem bekommen meine beiden größeren Kinder Klavierunterricht und sind Mitglieder im Sportverein, dafür sind monatlich 150 Euro fällig. Zusammengerechnet ergeben sich so Kosten in Höhe von etwa 860 Euro. Da auch das Kindergeld auf mein Konto eingezahlt wird, übernehme ich diese Kosten.
Reisen: In der Regel machen wir einen größeren Familienurlaub pro Jahr. Fliegen finde ich aus ökologischen Gründen nicht mehr zeitgemäß, deshalb bleiben wir meist in Deutschland. Mit den Kindern sind zudem weite Autofahrten nicht ideal. In den letzten Jahren waren wir beispielsweise jeweils für zwei Wochen an der Ost- oder Nordsee. Dann mieten wir in der Regel eine Wohnung in einer Familienferienstätte. Die werden meistens von gemeinnützigen Trägern betrieben und haben den Vorteil, dass sie relativ kostengünstig sind und es dort viele andere Kinder zum Spielen gibt. Dort leisten wir uns oft die Vollpension, weil es für uns Eltern sehr erholsam ist, wenn man nicht einkaufen und kochen muss. Wenn wir neben dem großen Urlaub verreisen, übernachten wir meist bei Familie oder Freunden, dafür fallen keine Kosten an. Bricht man das alles auf den Monat herunter, kosten diese Urlaube 250 Euro. Auch diese Ausgaben übernehme ich alleine.
Versicherungen: Zusätzlich zu meiner Krankenversicherung habe ich eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Dafür zahle ich 165 Euro im Monat. Zudem habe ich eine Berufshaftpflichtversicherung für die Freizeit. Als Ärztin bin ich dazu verpflichtet, erste Hilfe zu leisten und kann auch dafür belangt werden, wenn ich dabei etwas falsch mache. Das deckt diese Versicherung ab, sie kostet 6,60 Euro im Monat. Außerdem habe ich eine Privathaftpflichtversicherung, die für die ganze Familie 5,80 Euro kostet. Und 9,75 Euro zahle ich für meine Hausratversicherung. Zusammen gebe ich also 187,15 Euro für Versicherungen aus.
Altersvorsorge: Die Kosten für die Berufsständische Versorgung und die Betriebsrente werden von meinem Gehalt abgezogen. Zusätzlich zahle ich 240 Euro im Monat in Rentenversicherungs- und Wertanlageprodukte ein, die ich fürs Alter vorgesehen habe. Beispielsweise investiere ich in einen Fonds für ökologisch orientierte Aktien.
Spenden: Ich spende auch immer wieder Geld an gemeinnützige Vereine, zuletzt an UNICEF. Auf den Monat gerechnet sind das 16 Euro.
Was am Ende übrig bleibt
Wenn ich alle Kosten abziehe, bleiben mir am Monatsende 1.750 Euro übrig. Weil es in einer Familie mit drei Kindern immer wieder vorkommt, dass etwas Unvorhergesehenes aufkommt und plötzlich die Waschmaschine das Badezimmer flutet, stellt dieses Geld ein sehr beruhigendes Polster dar.
*Der Name der Protagonistin wurde geändert, weil sie ihre Privatsphäre schützen möchte. Ihr Name ist der Redaktion aber bekannt.
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