Das Coronavirus verändert für viele Menschen, wie und wo sie arbeiten. Und auch, wie viel Geld sie verdienen. Wer Glück hat, kann im Homeoffice arbeiten. Für Freiberufler brechen Aufträge weg, sie wissen nicht, wie sie ihre Miete bezahlen sollen, andere mussten ihre Geschäfte schließen und hoffen auf finanzielle Unterstützung. In der Serie "Kontoauszug" stellen wir Menschen vor, die genau davon erzählen: Was heißt Corona für meine Arbeit - und für mein Konto? Hier berichtet der 33-jährige Michael Rat*, der als Grundschullehrer im Münchner Umland arbeitet.
Beruf: Ich bin Lehrer einer ersten Klasse in einer Grundschule. Bis auf Religion unterrichte ich alle Schulfächer, sogar Werken. Das heißt, die Kinder verbringen den gesamten Schultag mit mir. In höheren Klassen gibt man auch Fächer ab, aber bei den Kleinen unterrichte ich wegen des Lehrermangels fast alles.Ausbildung: Ich bin einen sehr linearen Weg gegangen: Grundschule, Gymnasium, Abitur. Eigentlich wollte ich Gymnasiallehrer werden, habe aber bei einem Orientierungspraktikum vor Studienbeginn gemerkt, dass mich die Arbeit mit den Jüngeren mehr reizt. Die Grundschulklasse, die ich besucht habe, hatte einfach Lust auf Schule. Die Kinder waren gut drauf, haben gelacht und sich gefreut, wenn die Lehrerin etwas erklärt hat. Das war für mich wegweisend. Deshalb habe ich im Anschluss sieben Semester Grundschullehramt studiert. Das ist ein sogenanntes nicht vertieftes Studium und deshalb zwei Semester kürzer als bei Gymnasiallehrern. Im achten Semester habe ich mein Examen gemacht und danach zwei Jahre Referendariat abgeleistet, bevor ich ohne Umschweife verbeamtet wurde und als Lehrer meine erste eigene Klasse bekommen habe.
Arbeitszeit: Im Normalfall unterrichte ich als Grundschullehrer 28 Wochenstunden. Man steht also 28-mal 45 Minuten vor der Klasse. Weil meine Frau ein Kind bekommen hat, bin ich aktuell in familienbedingter Teilzeit und arbeite deshalb nur 24 Wochenstunden. Die Unterrichtszeit hat mit der tatsächlichen Arbeitszeit aber nur bedingt zu tun. Das hängt von der einzelnen Klasse ab, vom aktuellen Schulstoff und davon, ob man gerade eine Probe geschrieben hat oder Hefte und Arbeitsblätter korrigieren muss. Meine tatsächliche Arbeitszeit schwankt deshalb zwischen 32 und - in wirklich stressigen Wochen - auch mal 45 Stunden. Ich kenne aber auch Kolleginnen, die kommen locker auf 50 bis 60 Stunden in der Woche. Mehr Geld bekommt man dafür nicht. Wie sehr sich also jeder Einzelne engagiert und zeitlich in die Unterrichtsvorbereitung investiert, das ist jedem selbst überlassen. Für mich spielt die Work-Life-Balance eine große Rolle, deshalb komme ich selten auf mehr als 45 Arbeitsstunden in der Woche.
In der Pandemie arbeite ich allerdings mehr als vorher. Meine Schule hat auf Wechselunterricht umgestellt: Das heißt, meine Klasse wurde in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Gruppe ist Montag, Mittwoch und den halben Freitag in der Schule. Die andere Hälfte der Klasse hat Dienstag, Donnerstag und den restlichen Freitag Präsenzunterricht. Für uns Lehrer bedeutet doppelte Arbeit, weil wir Unterricht vor der Präsenzklasse halten und gleichzeitig Aufgaben für die Schüler zu Hause vorbereiten müssen, die sie alleine erledigen können. Das macht die Planung für jede Woche so kompliziert, weil ich immer überlegen muss: Was macht Gruppe 2, die gerade nicht in der Schule ist? Meine Stärken liegen eher im Didaktischen und weniger im Organisatorischen, deshalb brauche ich dafür meist recht lang. Oft arbeite ich deshalb noch einen Tag am Wochenende. Für mich ist der Wechselunterricht langwieriger und nerviger als die Zeit vorher.
Was mir Sorgen bereitet: Ich habe finanziell keinerlei Einbußen, mir fehlt der Sport als Ausgleich zum Job und der Unterricht ist jetzt anstrengender, aber ich bin durch Corona nicht in meiner Existenz bedroht. Und auch die Ansteckungsgefahr beunruhigt mich aktuell wenig. Das war zu Beginn der Pandemie anders. Man muss aber sagen, dass ich als Beamter meinem Arbeitgeber zur Treue verpflichtet bin. Wenn es heißt, wir müssen in die Schulen kommen, dann müssen wir kommen - ob man sich Sorgen macht oder nicht. Deshalb denke ich mittlerweile schon gar nicht mehr an das Ansteckungsrisiko. Natürlich haben die Kinder Masken auf und ich als Lehrer auch, das ist bei uns Normalität geworden.
"Ich befürchte, dass die Unterschiede zwischen den Kindern größer werden." Michael Rat, 33, GrundschullehrerSorgen mache ich mir eher um die Kinder an meiner Schule. Der Abstand zwischen denen, die mitkommen, und denjenigen, denen das nicht gelingt, wird immer größer. Ich habe von Kolleginnen gehört, dass Kinder, bei denen zu Hause wenig oder kein Deutsch gesprochen wird, in der Zwischenzeit die deutschen Wörter für bestimmte Dinge vergessen haben. Ich befürchte, dass die Unterschiede zwischen Familien, in denen die Kinder intensiv gefördert werden, und solchen, in denen das nicht gemacht wird oder nicht möglich ist, größer werden. In meinen Augen ist es eine Illusion, dass die Kleinen ihre Aufgaben im Homeschooling alleine erledigen.
Bruttoeinkommen: Weil ich in Teilzeit bin, werde ich für 24 Unterrichtsstunden bezahlt. Brutto bekomme ich dafür 3.480 Euro.
Nettoeinkommen: Netto bleiben mir davon 2.820 Euro. Zusammen mit meiner Frau, die auch Lehrerin ist, habe ich ein gemeinsames Konto. Sie liegt eine Gehaltsstufe über mir, wir haben deshalb ein gemeinsames Haushaltseinkommen von rund 6.000 Euro.
Sonstige Einnahmen: Unsere einzige sonstige Einnahme ist das Geld, das wir vom Staat für unser Kind bekommen. Das sind einmal 250 Euro Kindergeld und zum anderen das bayerische Familiengeld in Höhe von 200 Euro. Zusammen sind das 450 Euro pro Monat.
Kind: Zugleich verursacht ein Kind auch Kosten: 350 Euro zahlen wir für die Kita. Dazu brauchen wir Windeln, Schnuller, Spielzeug. Und dann kaufen wir ständig neue Kleidung, weil die alten Sachen nicht mehr passen. Zusammengerechnet sind das sicher 450 bis 500 Euro im Monat, also ziemlich genau die Summe, die wir vom Staat bekommen.
Miete: Wir zahlen keine Miete, weil wir im vergangenen Jahr für 780.000 Euro ein Haus gekauft haben. Das ist ein Reihenendhaus mit 150 Quadratmetern Wohnfläche samt Garten, Garage und Carport. Wir haben 112.500 Euro angezahlt, den Rest finanzieren wir über einen Kredit, der uns 1.500 Euro im Monat kostet – für die nächsten 36 Jahre. Als Lehrer haben wir aber finanzielle Sicherheit, deshalb haben wir uns dazu entschieden. Es ist quasi eine Investition in uns selbst und die nächste Generation, weil in diesem Haus bis zu drei Kinder Platz haben. Nebenkostenabrechnungen haben wir bisher noch keine bekommen, wir schätzen aber, dass das noch einmal 300 Euro monatlich sind. Ich zahle also 150 Euro davon, dazu kommen 750 für den Kredit, insgesamt also 900 Euro im Monat für unser Haus.
Lebensmittel: Für
Lebensmittel geben wir im Monat rund 700 Euro aus. Mein Anteil wären
also 350 Euro. Das ist deshalb so wenig, weil wir fast nur zu Hause
kochen – und auch das meist günstig. Eier kaufen wir in einem kleinen
Laden um die Ecke, alle anderen Lebensmittel kaufen wir im Supermarkt.
Das reicht vollkommen, um abends Nudeln mit Gemüse zu kochen. Zum
Fußballschauen holen wir Pizza. In die Schule nehme ich mir meist ein
belegtes Brot mit oder kaufe beim Bäcker eine Semmel für zwischendurch.
An vielen Tagen esse ich tagsüber auch einfach gar nichts. Das ist zwar
nicht gut, aber was will man machen, wenn keine Zeit ist, bis man wieder
zu Hause ist. Essen für Lehrer ist in unserem Berufsalltag gar nicht
eingeplant. Theoretisch haben wir zwar 20 Minuten Pause, aber bis
Nachfragen geklärt sind und alle Kinder das Klassenzimmer verlassen
haben, sind die fast wieder vorbei. Hinzu kommen Dienste als
Pausenaufsicht oder die Versorgung von Schülerinnen und Schülern, die
sich verletzt haben und verarztet werden müssen. Eine Mittagspause, wie
sie Menschen in einem Bürojob haben, gibt es bei uns nicht.
Kleidung: Die meiste Zeit des Jahres kaufe ich mir gar keine Klamotten. Wenn ich dann mal neue Schuhe oder einen Pulli brauche, gebe ich etwas Geld aus. Ich gehe auch einfach ungern shoppen, das macht mir keinen Spaß. Onlineshopping kommt mir sehr entgegen. Lieber bestelle ich Kleidung und probiere sie in Ruhe an, als mich in die enge Umkleide bei H&M zu quetschen. Wenn ich eine Hose gefunden habe, die mir gefällt und die mir passt, kaufe ich die gleich dreimal. Zwei liegen dann im Schrank, bis die erste kaputt ist. Ich bin ein sehr pragmatischer Einkäufer. Auf den Monat gerechnet komme ich maximal auf 50 Euro. Und das auch nur, wenn ich ein Paar Fußballschuhe pro Saison mit einrechne.
Hygieneprodukte: Auch
hier bin ich sehr spartanisch. Mittlerweile schneidet mir meiner Frau
die Haare – bei einem Kurzhaarschnitt macht das kaum einen Unterschied
und spart das Geld für den Friseur. Salopp gesagt brauche ich deshalb
nichts außer Rasierklingen und Zahnpasta. Zählt man dann noch Deo und
Duschgel dazu, komme ich auf maximal 20 Euro im Monat.
Telefon und Internet: Wir
zahlen 39 Euro für Telefon und Internet zu Hause. Mein Anteil daran
wären also knapp 20 Euro. Zusätzlich kostet die Flatrate meines
Handyvertrags 16 Euro monatlich. Aufaddiert sind das 36 Euro im Monat
für mich.
Abos: Wir leisten uns ein Sky-Abo. Ein Freund der Familie arbeitet bei Sky, deshalb sind wir in einem Family&Friends-Programm, das Mitarbeiter vermitteln können. Deshalb zahlen wir für alle verfügbaren Pakete – also Sport, Entertainment und so weiter – 40 Euro im Monat. Eigentlich nutzen wir davon aber nur das Bundesliga- und Champions-League-Angebot. Außerdem haben wir ein Spotify-Family-Konto. Das kostet noch einmal 15 Euro pro Monat. Und schließlich habe ich ein Lotto-Abo, das kostet 14 Euro im Monat. Das sind für mich also 41,50 Euro.
Transport: Es gibt
eine S-Bahn-Station bei uns im Ort, aber die nutze ich eigentlich nur,
wenn ich mich abends mit Freunden treffe. Und das kam in den vergangenen
fünf Monaten genau zweimal vor. Es lohnt sich also kaum, die
ÖPNV-Kosten mit einzurechnen. Fast alle Wege fahre ich mit dem Auto, das
sind rund 50 Kilometer am Tag, wenn ich in die Schule fahre. Rechnet
man ein paar Extrafahrten mit ein, komme ich auf monatlich rund 300 Euro
Spritkosten. Wir haben zwei Autos, beide schon etwas älter und mit
einer günstigen Teilkasko-Versicherung. Im Durchschnitt kann man so
vielleicht noch einmal 20 Euro drauflegen für weitere Kosten. Zusammen
lande ich bei 320 Euro Transportkosten im Monat.
Freizeit: Früher sind wir gelegentlich zum Skifahren in die Berge gefahren, aber seit unser Kind auf der Welt ist, machen wir das nicht mehr. Vor Corona habe ich einmal pro Woche Beachvolleyball gespielt. Das hat jedes Mal einen Zehner gekostet, also rund 40 Euro im Monat. Zudem spiele ich in einem Fußballverein, für den ich 12 Euro Mitgliedsbeitrag zahle, und in einem Team der Freizeitliga Royal Bavarian Liga. Hier kommen noch einmal 10 Euro pro Monat dazu. Außerdem habe ich ein Playstation-Plus-Abo für mein Privatvergnügen. Das kostet mich acht Euro im Monat. Zusätzlich kaufe ich mir alle drei Monate ein neues Playstation-Spiel für 50 Euro. Das ergibt zusammengerechnet monatliche Kosten von ungefähr 85 Euro. Mehr ist es nicht, mein Leben ist aktuell überschaubar spannend: Ich bin meistens bis 14 Uhr in der Schule, danach muss ich das Kind aus der Kita abholen und bespaßen. Da immer mehr Arbeit ins Wochenende fällt, bleibt mittlerweile weniger Freizeit.
Reisen: Für 6.500 Euro haben wir uns vor zwei Jahren einen alten Wohnwagen gekauft, mit dem wir seitdem verreisen. Der kostet uns 80 Euro für die Versicherung pro Jahr, sonst verursacht er unterm Jahr keine Kosten. Mit dem Wohnwagen sind wir im Inland, in Italien oder Frankreich unterwegs. Je nach Reiseziel ist das unterschiedlich teuer: Mit Hänger braucht das Auto 11 Liter Sprit pro 100 Kilometer, da kommt ganz schön was zusammen. Dazu die Stellplatzgebühren am Campingplatz, Lebensmittel, etc. In Südfrankreich haben wir für zweieinhalb Wochen sicher 2.500 Euro gezahlt, das war aber auch besonders viel. Für einen normalen Urlaub würde ich mit 1.500 bis 2.000 Euro für uns beide zusammen rechnen. Runtergebrochen auf mich wären das also durchschnittlich 900 Euro für den Campingurlaub. Außerdem fliegen wir einmal im Jahr nach Ägypten. Das hat meist 1.300 Euro pro Person gekostet. Wir haben auch für November schon gebucht und hoffen, dass das möglich sein wird. Und abschließend besuchen wir meist drei- bis viermal pro Jahr die Familie meiner Frau in Norddeutschland. Wenn wir fliegen, kostet das rund 150 Euro pro Person und Flug, also 300 Euro Gesamtkosten pro Besuch. Rechnet man das alles zusammen, gebe ich rund 3.200 Euro im Jahr für Urlaube aus, also 275 Euro monatlich.
Investments und Sparen: Für
mein Kind investiere ich 50 Euro im Monat in einen Sparplan. Außerdem
habe ich ein Aktiendepot, dessen Wert allerdings stark schwankt. Ich
habe zu Beginn der Pandemie HelloFresh-Aktien gekauft, die um 160%
zugelegt haben. Gleichzeitig hatte ich Wirecard-Aktien, die nichts mehr
wert sind. Das Depot hat mittlerweile einen Wert von ungefähr 50.000
Euro und verursacht keine Kosten. Als Beamte sind wir beide
pensionsberechtigt und dadurch im Alter abgesichert, deshalb haben wir
keine private Altersvorsorge oder ähnliches. Es bleibt also bei 50 Euro
monatlich.
Versicherungen: Als Beamter bin ich privat krankenversichert. Mein Beitrag liegt bei 240 Euro monatlich. Außerdem habe ich eine Berufsunfähigkeitsversicherung für 48 Euro im Monat. Zusätzlich habe ich eine Schlüsselverlustversicherung wegen der Schulhausschlüssel und eine Privathaftpflichtversicherung für 60 Euro jährlich. Unser Haus ist gegen alle Elementarschäden versichert. Die Gebäudeversicherung kostet 450 Euro im Jahr. Mein Anteil samt meinen weiteren Versicherungen liegt deshalb bei 315 Euro im Monat.
Was am Ende übrig bleibt
Abzüglich aller Kosten bleiben mir monatlich 400 Euro auf dem Konto. Das reicht nicht für große Sprünge, aber zusammen mit dem Einkommen meiner Frau sind wir als Familie gut abgesichert.
*Der Name des Protagonisten wurden geändert, ist der Redaktion aber bekannt.
Wenn Sie uns auch erzählen möchten, was Sie beruflich machen, wie viel Sie verdienen und was die Corona-Krise für Sie verändert hat, schreiben Sie uns an kontoauszug@zeit.de.
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