Menschen oder Dinge verschwinden zu lassen gehört zu den beliebtesten Tricks vieler Magier: Ein Komplize setzt sich in eine »verzauberte« Box und nach einem gestenreichen Zauberspruch ist er verschwunden. Achtung, Spoiler: Die Lösung liegt meist im Boden.
Genau dort möchten Ingenieure künftig noch etwas ganz anderes im großen Stil verstecken – und zwar Plastikmüll. Denn wie die Zauberkünstler haben auch sie noch nicht den richtigen Spruch gefunden, um Dinge tatsächlich vollständig aufzulösen.
In den vergangenen Jahrzehnten ist die weltweite Plastikproduktion immer weiter angestiegen – ungeachtet aller Nachhaltigkeitstrends. 76 Kilogramm Kunststoffabfälle produzieren Menschen in Deutschland jährlich pro Kopf, allein 38 Kilo davon sind Verpackungsmüll. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. (BDE) rechnet coronabedingt mit einem weiteren Anstieg: Take-away-Essen wegen geschlossener Restaurants, Versandhandel statt Shopping in der Fußgängerzone. Zurück in den Kreislauf geht davon noch immer nur ein Bruchteil.
Die Methode spart Rohstoffe und reduziert CO2-Ausstoß
Das Hauptargument der Hersteller: Vor allem Alltagsplastik kann so in den Straßen eine neue Verwendung finden, von der PET-Flasche bis zum Joghurtbecher. Fast 400.000 Plastikflaschen haben in einem 1,5 Kilometer langen Straßenabschnitt nach Bauart der US-Firma »TechniSoil Industrial« Platz. Das klingt so verlockend, dass die Stadt Los Angeles jetzt ihre Busspuren durch Plastikasphalt ersetzen will. Und in manchen Regionen Indiens ist es sogar Pflicht, Recyclingplastik im Straßenbau zu nutzen.
Probleme und Chancen bei Plastikbaustoffen
Fachleute befürchten auch, dass das Befahren Mikroplastikpartikel freisetzen könnte. Die Entwickler des Verfahrens widersprechen: Das Plastik werde dauerhaft mit den anderen Bestandteilen verschmolzen. Die Radwege von »Plastic Road« sind nach Firmenangaben extra mit einer dünnen Außenschicht versehen, die verhindern soll, dass Mikroplastik frei wird. Für Gewissheit können hier am Ende aber nur Langzeituntersuchungen sorgen.
Während Straßenbauer und Umweltverbände noch darum ringen, ob diese Art des Plastikrecyclings der richtige Weg ist, haben es andere längst auf die nächste Ebene gehoben. Denn nicht nur im Asphalt von Straßen lässt sich Recyclingplastik verbauen, sondern auch in Häusern. Als sogenannte »Bauhohlkörper« werden Kugeln aus recycelten Kunststoffen miteinbetoniert. Die Gebäude sind dadurch leichter, die Methode spart Beton und verringert damit auch den CO2-Ausstoß.
Ganz ohne den klimaschädlichen Baustoff kommen Konzepte aus, die derzeit Menschen in Kolumbien oder Kenia erproben: Aus alten Autoreifen und Plastik entstehen Bausteine für richtige Häuser – eine Art Lego in groß. Gerade in Ländern des Globalen Südens, in denen Plastikmüll oft auf offenen Deponien landet, verbindet das Verfahren 2 Vorteile: Es entstehen haltbare Baustoffe zum kostengünstigen Bau von Schulen, Wohn- oder Krankenhäusern, gleichzeitig entlastet es die oft überfüllten Mülldeponien.
Dabei ist aber auch klar: Weder Gebäude noch Straßenbeläge halten ewig. Wie der Komplize im doppelten Boden des Zauberers muss auch das Plastik irgendwann wieder aus seinem Versteck hervorkommen. Der Königsweg liegt also trotz allen Erfindergeistes immer noch in der Müllvermeidung.