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Glosse

Landliebe

Auf die Welt gekommen in München, aufgewachsen in München, in München auf den Journalismus gestoßen - aber runterkommen auf dem Land. Das ist die Paradoxie von Städtern wie mir.
Die feiernden Massen der WM sind weit weg, stattdessen muht es dumpf aus dem Kuhstall. Alpendohle und Feldgrille singen im Duett. Die Sonne geht irgendwo hinter Sindelsdorf unter, das Abendrot taucht das Blaue Land in zartes Rosa. Und durch das Kochler Moor ist ein einzelner Glockenschlag zu hören. Wäre ich nicht im Urlaub, mit dem dritten Glas Weißwein auf dem Balkon und jenseits aller Eilmeldungen, dann wäre so viel Kitsch kaum zu ertragen. Doch in meinem tranceartigen Zustand der Entspannung lassen sich auch die knatternden Traktoren und selbst Lilly, der kläffende Nachbarsköter, ertragen. Dieser, nein, mein Balkon wird zur Festung der Ruhe.
Zumindest bis um 5:47 Uhr. Dann beginnt die Blaumeise im Busch gegenüber vom Schlafzimmerfenster ihr Lied zu singen. Und ich wünsche mir dir Münchner Betonwüste zurück. Aber nur ein ganz klein wenig.