Einem Bericht des Schwedischen Fernsehens zufolge hat die dänisch-schwedische Molkereigenossenschaft Arla jahrelang die Pässe von ausländischen Gastarbeitern in Saudi-Arabien beschlagnahmt. Die Non-Profit-Organisation Swedwatch verurteilt das Vorgehen scharf.
„Es liegt uns sehr am Herzen, dass alle unsere Mitarbeiter über ein gutes Arbeitsumfeld verfügen und sich ganz ihrer Arbeit widmen." Ein Satz aus dem Verhaltenskodex der Großmolkerei Arla, den Enthüllungen des Schwedischen Fernsehen nun in einem anderen Licht erscheinen lassen.
900 Menschen arbeiten für Arlas Tochterfirma in Saudi-Arabien, darunter 600 Gastarbeiter aus anderen Ländern, die zum Geldverdienen in den Golfstaat gezogen sind. Doch viele von ihnen könnten gar nicht mehr ausreisen, selbst wenn sie wollten, denn ihre Pässe sind von der Molkerei beschlagnahmt worden.
Dabei hat sich Arla der sogenannten Corporate Social Responsibility verschrieben, also Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt, und brüstet sich mit einem demokratischen System: Jeder der derzeit 13.500 Eigentümer habe eine Stimme in der Unternehmensdemokratie. Die meisten von ihnen kommen aus Schweden, Dänemark, Großbritannien, Deutschland, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden.
In Deutschland und den Niederlanden zusammen sind 3.300 Bauern Anteilseigner bei Arla. In Deutschland gehört Arla zu den drei größten Molkereien, nach den Fusionen mit Hansa Milch, der Milch-Union Hocheifel und der Übernahme der Allgäuland-Käsereien. Aber Arla produziert weltweit, unter anderem in Katar, Bahrain - und eben in Saudi-Arabien.
Swedwatch ist eine Non-Profit-Organisation, die die globalen Auswirkungen von schwedischen Firmen auf Umwelt und Menschenrechte untersucht. Die Büroleiterin von Swedwatch, Viveka Riksberg, sagte im Schwedischen Fernsehen:
„Es ist eine ernste Angelegenheit, weil es Menschen in ihrer Freiheit beschneidet. Man kann den Job nicht wechseln, man wird abhängig vom Arbeitgeber. Das System ist dazu da, um Menschen unter Kontrolle zu halten."
In diesem Frühjahr hatte der Präsident des Arla-Verwaltungsrats, Åke Hantoft, in einem Interview mit dem Schwedischen Fernsehen noch gesagt, dass er die Praxis nicht kenne, Pässe zu beschlagnahmen.
In einem neuen Statement gab Arla nun an, dass man der gängigen Praxis von Firmen in Saudi-Arabien folge - also nur eine von vielen sei, die auf diese Weise mit ihren Angestellten umgehe. Arla hat mindestens zehn Jahre lang die Pässe der Gastarbeiter eingezogen. Und das bricht nicht nur mit Arlas eigener Ethik-Policy. Es widerspricht auch einem saudischen Urteil, das verbietet, Pässe von Gastarbeitern einzuziehen.
Doch Vorrang vor dem Arbeitsrecht hat in der Regel das Kafala-System. Es hat wegen der Zustände auf den Baustellen zur Fußball-WM 2022 in Katar negative Berühmtheit erlangt. Kafala bedeutet, dass für die Einreise in die Golfstaaten ein sogenannter Sponsor benötigt wird, meist der Arbeitgeber. Er hat dann das Recht, über den Aufenthaltsort des Arbeitnehmers zu befinden. Das System ist in der Vergangenheit häufig als sklavenähnlich kritisiert worden.
Die Kommunikationschefin von Arla, Astrid Gade Nielsen, sagte dem Schwedischen Fernsehen zu den Vorwürfen gegenüber Arla: „Ich verstehe, dass man diese Form von Kritik anbringt. Es ist eine Praxis, der wir und andere Unternehmen gefolgt sind. Und diese Praxis werden wir jetzt untersuchen und eine Lösung finden."
Wenige Stunden nach dem Interview hat Arla angekündigt, dass man das eigene Vorgehen überdenkt und den Gastarbeitern ihre Pässe zurückgibt - ein plötzliches Einlenken nach zehn Jahren.