Musikalisch steht die Woche ganz im Zeichen des Eurovision Song Contest, mit Halbfinals und dem großen Finale am Samstag in Wien. Während der ESC in Deutschland vor sich hin dümpelt, ist das Interesse hierzulande größer. Und das nicht nur, weil der Favorit in diesem Jahr aus Schweden kommt.
Das Torget, eine Bar in der Stockholmer Altstadt. Es ist der Abend des ersten Halbfinals des Eurovision Song Contests. Einige Dutzend haben sich hier versammelt, um gemeinsam die Show auf der Leinwand anzuschauen, nicht alle haben Sitzplätze bekommen. Dabei ist es erst das Halbfinale ohne schwedische Beteiligung.
Schon allein der Vorwettbewerb Melodifestivalen, bei dem seit 1958 der Teilnehmer am Eurovision Song Contest bestimmt wird, ist ein riesiges Ereignis in schwedischen Wohnzimmern. Fredrik beschreibt es so: „Es ist ein großes Volksfest. Etwas wo sich die Familien, Freunde versammeln. Wo man mit dem eigenen Favoriten mitfiebert. Man bekommt das Lied zu hören, das später beim ESC ins Rennen geht. Und außerdem treten die besten Komponisten gegeneinander an."
Nach sechs Runden Melodifestivalen steht der schwedische Teilnehmer beim ESC dann fest. Beim ESC ist die Stimmung genauso gut, sagt Fredrik, nur der Rahmen ist ein anderer.
„Beim ESC tritt der schwedische Interpret gegen Europa an und unterliegt dem Urteil des restlichen Kontinents. Es wäre natürlich toll, wenn man da auch Erfolg hätte."
Erinnerung an die KindheitJohan verbindet mit dem ESC vor allem ein Gefühl der Geborgenheit: „Für mich, und ich glaube auch für andere, war es viele Jahre lang ein Familienevent. Viele Schweden sind damit aufgewachsen. Das haben wir als Kinder zusammen geschaut mit Mama, Papa und Geschwistern. Etwas, was man damit verbindet mit diesem sicheren Umfeld, in dem man aufwächst. Es ist ein Teil von zu Hause, eine Verlängerung der Kindheit."
Schweden hat den ESC bereits fünfmal gewonnen, zuletzt 2012 mit Loreens „Euphoria", nur Irland siegte häufiger. In diesem Jahr tritt der 28-jährige Måns Zelmerlöw mit dem Song „Heroes" für Schweden an - und er ist der Favorit. Aber erst einmal muss er das Halbfinale am Donnerstag in Wien überstehen.
Was Måns Chancen ausmacht? Für Johann ist es die richtige Mischung: „Er ist brillant, er ist ein erfahrener Melodi- und Eurovision-Enthusiast. Er hat die richtige Einstellung und das richtige Auftreten und ich denke, er hat eine gute Chance zu gewinnen."
Auch Maria aus Finnland hat am Abend ins Torget gefunden. Sie drückt der finnischen Band die Daumen, die später am Abend den Finaleinzug aber verpassen wird. In Finnland sei der Hype nicht so groß sagt sie, immerhin habe man mit Lordi einmal gewonnen, sonst verfolge sie den ESC eher mit einem bittersüßen Gefühl. Beim Finale hofft sie auf gute Stimmung in Stockholm: „Am Samstag beim Finale hoffen wir, dass wir eine gute Bar finden, in der noch mehr Leute schauen. Ich habe gehört, dass die Leute in Schweden sehr am ESC interessiert sind."
Großes TV-EventZwar ist die Begeisterung in Schweden nicht überall so groß wie am Abend im Torget, aber es ist immer noch ein riesiges Event. 2014 hatte der ESC eine Einschaltquote von 83 Prozent - in Deutschland waren es rund 35.
Neben Måns als Interpret und der breiten Unterstützung der Zuschauer gibt es noch ein drittes schwedisches Element beim ESC - nämlich diejenigen, die bei den Auftritten anderer Teilnehmerländer mitwirken. An sechs der Auftritte allein beim ersten Halbfinale haben Schweden mitgewirkt, vor allem bei der Komposition - aber einige sind auch Chormitglieder oder Choreograf.
Johan ist stolz darauf, dass in Schweden seit den 50ern auch vonseiten der Politik viel Wert auf die musikalische Bildung gelegt wird. Daher sei Stockholm heute auch eine der fünf Musikhauptstädte weltweit, sagt er: „Viel Musik wird in Schweden produziert und auch exportiert. Viele machen auch Musik für das Melodifestivalen oder den ESC."
Was man häufig vergisst: Offiziell ist der ESC ein Wettbewerb der Komponisten. Und viele von ihnen kommen aus Schweden. Vielleicht trifft der Eurovision Song Contest hier auch deshalb das Gehör vieler Leute.