Sam Riley: Ich finde "Was wäre, wenn..."-Fragen immer spannend. Wir stellen uns diese Fragen ja auch über unser eigenes Leben. Der Mensch hat einfach ein Interesse daran. Die gleichnamige Romanvorlage zu "SS-GB" ( von Len Deighton, Anm. d. Red.) wurde aber schon in den 1970ern geschrieben. In Großbritannien gab es sogar während des Kriegs schon ähnliche Geschichten und Filme. Heute bewegt sich die Politik wieder in entgegengesetzte Extreme, weswegen es immer noch spannend ist, über so eine Sache nachzudenken.
Sie leben jetzt schon einige Jahre in Berlin. Haben Sie durch Berlin eine andere Verbindung zur deutschen Geschichte?Ich bin mir der Geschichte jetzt bewusster. Die Deutschen sind auch sehr darauf bedacht, ihre Geschichte lebendig zu halten, damit diese Sachen nicht vergessen werden. Ob das jetzt Denkmäler sind oder der Geschichtsunterricht in der Schule. Das ist etwas, worauf ich bei den Deutschen wirklich sehr stolz bin. Als ich das erste Mal 2006 bei der Fußball-WM in Deutschland war, erzählte mir meine Frau, dass das eines der ersten Male war, dass die Menschen die Flagge geschwenkt haben - als Zeichen, dass sie die Nationalmannschaft unterstützen und nicht aus nationalistischen Gründen. Ich konnte das gar nicht glauben. In England schwenken sie ständig Flaggen.
Ihre Rolle als Kommissar Douglas Archer spricht in der Originalversion teilweise Deutsch. Sie leben zwar in Berlin, trotzdem sind Sie in der Sprache noch nicht so sicher. Wie war es für Sie, mal wieder auf Deutsch zu drehen?Es war toll, denn es war alles schon vorgeschrieben. Also klinge ich wirklich so, als könnte ich richtig gut Deutsch. Ich mag auch diese Ära, die Zeit des Film Noire, die Hüte und Anzüge und das Detektivgenre. Und mir hat gefallen, dass der Kommissar deutsch sprechen sollte. Ich dachte nur: Das ist verrückt! Das will ich! Andersherum finde ich es glaubwürdiger, dass alle Deutschen Figuren auch wirklich von Deutschen gespielt werden. Wenn Briten versuchen, einen deutschen Akzent nachzumachen, ist das immer etwas lächerlich. Kate Bosworth ist ja auch Amerikanerin und spielt in "SS-GB" eine Amerikanerin.
In der Serie erklären Sie auch Ihrem Sohn und dessen Freund, wie die Welt unter den Nazis funktioniert - als die beiden das Abzeichen eines SS-Manns von Ihnen haben wollen. Sie haben selbst einen fast vierjährigen Sohn. Erklären Sie ihm schon, was gerade in der Welt los ist?Eine der großartigen Sachen an der Kindheit ist die Unschuld. Ich möchte meinen Sohn schon bis zu einem bestimmten Grad schützen. Er ist ja erst vier. Und ich persönlich bin Optimist. Ich denke, diese Dinge kommen und gehen und fühle mich immer noch optimistisch.
Im Februar 2017 haben Sie in einem BBC-Interview gesagt: "Ich glaube, Deutschland wäre das letzte Land in Europa, das zu einer rechtspopulistischen Politik zurückkehrt." Sind Sie vom Ausgang der Bundestagswahlen jetzt enttäuscht?Das ist ja etwas, was gerade auf der ganzen Welt passiert: Es gibt offensichtlich in jedem Land einen großen Teil der Bevölkerung, der sich ungehört oder unbeachtet fühlt - und dann kommt politisch so etwas dabei raus. Ich glaube und hoffe aber immer noch, dass so etwas nicht noch einmal passiert.
Douglas Archer ist Ihre erste Hauptrolle in einer Fernsehserie. Wie unterscheidet sich das von den Dreharbeiten für einen Film?Es geht schneller. Wenn man einen Film macht, sitzt man oft rum und muss warten. Dann arbeitet man für einen kurzen Moment. Das kann sehr frustrierend sein. Trotzdem ist es ein toller Job. Aber beim Fernsehen... Das habe ich vorher nicht realisiert: Ich habe das Skript gelesen und festgestellt, dass ich in fast jeder Szene zu sehen bin. Mein Ego ist ins Unermessliche gewachsen. Ich dachte: Das wird super! Nach ein paar Wochen habe ich dann aber festgestellt, dass es ziemlich erbarmungslos ist. Man muss an einem Tag so unglaublich viel Material filmen, dass man non stop dran ist. Aber ich mag das. Dann fühlt man sich zumindest so, als würde man arbeiten und nicht den ganzen Tag nur in sein Handy starren.
Allgemein hat man das Gefühl, Sie spielen lieber dunkle Rollen, wie Ian Curtis in "Control" oder Bösewichte wie Brad Blutbad in "Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt". Warum mögen Sie solche Rollen so gerne?Keine Ahnung. Mein Opa will immer, dass ich mehr Komödien spiele, und meine Mutter auch. Die tut mir Leid, weil ich in meinen Filmen so oft sterbe. Sie kann meine Filme nie richtig genießen. Ich finde diese Rollen auch nicht unbedingt besser als andere. Vielleicht habe ich einfach ein Gesicht, das zu diesen Rollen passt. Oder es liegt daran, dass die Leute mich jetzt oft mit Ian Curtis assoziieren. Diese Rollen sind aber oft etwas interessanter. Im wahren Leben ist es gut, der Nice Guy zu sein, aber vor einer Kamera macht es viel mehr Spaß, den Bösen zu spielen.
"SS-GB" läuft ab 14.11.2017 um 20:15 Uhr auf RTL Crime.