Verena Fücker

freie Journalistin & Redakteurin, München

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Artikel

„The Winner Takes It All" - Die USA wählen

Mitt Romney gegen Barack Obama - so lautet das Duell der Stunde. Schon lange war ein Präsidentschaftswahlkampf in den USA nicht mehr so spannend wie dieses Jahr. Barack Obama, der Amtsinhaber, wirbt mit Infrastrukturprogrammen und dem Ausbau erneuerbarer Energien. Romney hingegen macht Obama dafür verantwortlich, dass die Wirtschaftskrise in den USA immer noch wie ein Schatten über dem Land hängt. Für ihn besteht die einzige Möglichkeit dies zu verändern darin, dass sich der Staat möglichst wenig in die Wirtschaft einmischt.


Obama und Romney stehen sich unversöhnlich gegenüber

Dass der US-Bundeshaushalt dringend Einsparungen braucht, ist beiden klar. Auch in diesem Jahr fehlen mehr als eine Billion Dollar. Obama möchte das fehlende Geld beim Militär einsparen und die Reichen stärker zur Kasse bitten. Mitt Romney hält dies für Sozialismus. Er möchte höhere Steuern mit aller Macht verhindern und lieber dem Staat eine Schlankheitskur verpassen. Außerdem hat er sich dafür ausgesprochen, die von Obama durchgeführte Gesundheitsreform wieder rückgängig zu machen. Allerdings hat er während seiner Zeit als Gouverneur von Massachusetts ein recht ähnliches Gesundheitssystem ebendort unterstützt.


Nicht nur dieses Statement hat Romneys Glaubwürdigkeit geschadet. Und egal, um welchen politischen Themenbereich es geht, Obama und Romney stehen sich unversöhnlich gegenüber. Für die Amerikaner bedeutet das nicht gerade eine einfache Wahlentscheidung, zumal der Präsident der wichtigste, dominanteste und sichtbarste Teil der amerikanischen Regierung ist. Doch seine Wahl ist uns hier in Europa fremd. Während man in Deutschland direkt die Partei wählt, die beispielweise den Bundeskanzler stellen soll, ist die Wahl in Amerika indirekt. Man wählt Wahlmänner, nicht den Präsidenten. Die Wahlmänner wählen dann stellvertretend den Präsidenten.


Kandidatenkür in den Primaries

Dafür geht es im Vorfeld der Wahl demokratischer zu als in Deutschland. Bevor der jeweilige Präsidentschaftskandidat von seiner Partei ernannt wird, muss er sich gegen mehrere Kandidaten in den Vorwahlen, den sogenannten „Primaries", durchsetzen. Jeder Amerikaner ab 18 Jahren darf wählen, vorausgesetzt der Wähler ist weder inhaftiert noch wurde ihm aufgrund einer Verurteilung das Wahlrecht entzogen. Wer wählen möchte, muss sich zunächst registrieren lassen - entweder als Wähler der Demokraten oder der Republikaner oder aber als unentschlossener Wähler.


Ist dies geschehen, darf beispielsweise jeder registrierte Republikaner für seinen favorisierten republikanischen Präsidenten abstimmen. Der siegreiche Kandidat wird dann auf einem Parteitag zum Präsidentschaftskandidaten ernannt. Obwohl es auch unter den Demokraten, der Partei von Amtsinhaber Barack Obama, mehrere Kandidaten gab, war seine Nominierung dieses Jahr nur reine Formsache, da er der amtierende Präsident ist und das Vertrauen seiner Partei genießt. Sollte Obama allerdings Präsident bleiben, so stehen in vier Jahren im Vorfeld der nächsten Wahlen auch hier neue Vorwahlen an, weil Obama dann seine zweite Amtszeit hinter sich hat und ein amerikanischer Präsident nur zwei Mal hintereinander kandidieren darf.


„Swing States" sind Zünglein an der Waage

Der Präsident selbst wird erst am 17. Dezember von den Wahlmännern gewählt. Vorher, eben am Dienstag, steht die Wahl der Wahlmänner. Insgesamt werden 538 Wahlmänner in das sogenannte „Electoral College" gewählt. Jeder Staat verfügt, je nach Einwohnerzahl bzw. Anzahl von Abgeordneten, die ihn im Repräsentantenhaus vertreten sind, über eine bestimmte Anzahl an Wahlmännern, mindestens aber drei. In den meisten Bundesstaaten gilt das „Winner Takes It All"-Prinzip, das festgelegt, dass die Wahlmänner eines Bundesstaates dem Kandidaten zugeordnet werden, der die relative Mehrheit, also der die meisten Stimmen, dieses Staates erhalten hat. Die meisten Staaten sind traditionell dem einen oder dem andern Lager zuzuordnen. Staaten, die nicht eindeutig zuzuordnen sind, werden „Swing States" genannt. Sie sind meistens das entscheidende Zünglein an der Waage.


Glaubt man den Hochrechnungen der New York Times, steht ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Kandidaten bevor. Barack Obama bekäme demnach 243 Wahlmänner, Mitt Romney könnte 206 Wahlmänner für sich gewinnen. Um am Ende jedoch Präsident der Vereinigten Staaten zu werden sind 270 Wahlmänner nötig. Es bleibt also bis zum Ende spannend, wer welchen „Swing State" für sich gewinnen kann. Gerade bei solch einer knappen Ausgangslage versuchen beide Lager, möglichst trickreich der anderen Partei zu schaden. Nicht nur die Nachwirkungen von Hurrikan Sandy oder die Angst vor technischen Problemen bei den Wahlcomputern oder Hackerangriffe auf deren Software könnten den Ausgang der Wahl erheblich beeinflussen.


Ungereimtheiten bei der Wahl

Im Schlüsselstaat Florida hat beispielsweise der republikanische Gouverneur Rick Scott die Wahlperiode von 14 auf acht Tage verkürzt. Die Demokraten in Florida fühlen sich an die Wahl von 2000 erinnert, als der Supreme Court, das höchste amerikanische Gericht, entscheiden musste, wer in Florida und somit auch in den gesamten Vereinigten Staaten die Wahl gewonnen hat. Sie entschieden für den Republikaner George W. Bush. Auch andere republikanisch geführte Staaten haben ihr Wahlrecht in den letzten Jahren so geändert, dass sie die Frühwahlperiode einschränken können.


Im „Swing State" Virginia wurde laut „Spiegel Online" erst kürzlich ein Mann verhaftet, der angeblich mehrere Tausend Wählerstimmen in demokratisch-geprägten Wahlbezirken vernichtet haben soll. Er soll von den Republikanern angeheuert worden sein. Was sich immer mehr nach Dritter Welt anhört, kann am Ende über den „mächtigsten Mann der Welt" entscheiden. Bleibt zu hoffen, dass alles fair bleibt und der richtige Mann gewinnt.

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