Vera Gasber

Videojournalistin, Mobile Reporterin & selbstständige Dozentin, Wien

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Schulbesuch eines Zeitzeugen | ´Niemand dachte, dass Juden (...) vernichtet werden in Gaskammern´

Sechs Tage lang besuchten rund 80 Holocaust-Überlebende Wien und Österreich. Die Plattform Erinnern.at organisierte und betreute in diesem Zusammenhang Schulbesuche der Überlebenden, damit Klassen ab der 8. Stufe die Möglichkeit bekommen, Geschichte direkt zu erfragen.

Einer von ihnen, Zwi Nigal, besuchte am 8. November 2018 seine ehemalige Schule. Er hieß bis zu seiner Flucht nach Israel Hermann Heinz Engel. In der Schule erzählt er aus seiner „für seine Generation typischen" Biografie: Bis 15 verlief seine Jugend „normal", wie er selbst sagt, also „was heißt schon normal als Jude in Wien, jedenfalls als offiziell gleichberechtigter Staatsbürger". Dann kam im Jahr 1938 der Anschluss. In der Schule änderte sich einiges: Der Direktor wechselte, das Kruzifix wurde durch ein Hitlerbild ausgetauscht, die Lehrer begrüßten SchülerInnen mit „Heil", die Kinder antworteten mit „Hitler". Nur Juden war das verboten, sie blieben stumm.

Ein Deutschlehrer pflegte die beste Klassenarbeit vorzulesen. Zwi war gut in Deutsch. Deshalb wurde seine Arbeit vorgetragen. Am Ende sagte der Lehrer: „Schade, dass wieder ein deutschfremdes Element die beste Arbeit geschrieben hat".

Zwi und seine Familie wurden nach dem Anschluss aus der Wohnung vertrieben. Er wurde in ein Jugendprojekt nach Israel aufgenommen, seinen Vater sah er nach dem Abschied nie mehr wieder, seine Mutter flüchtete mit einem Schiff und schaffte es erst nach dem Krieg nach Israel.

Mittlerweile ist Zwi Nigal 68 Jahre verheiratet, „natürlich mit einer israelischen Soldatin, nicht so eine verwöhnte Wienerin", hat zwei Söhne, sieben Enkel und vier Urenkel.

„Das ist mein persönlicher Sieg über Hitler, der alle Juden vernichten wollte."

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