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Rap-N-Blues Autorencharts: Vanessa's Tops und Flops 2017

Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Zeit also, einmal einen musikalischen Rückblick zu wagen. Passend dazu stellen wir in den nächsten Tage unsere Tops und Flops 2017 vor. Den Anfang macht heute RAB-Autorin Vanessa.


Weitere Charts: Can's Tops & Flops 2017 Marie's Tops & Flops 2017 Top10 Alben 2017

1.Ich und mein Bruder - Mädness & Döll
VÖ: 10. März 2017 | Album Stream & Review


Mädness und Döll haben meiner Meinung nach DAS Kollabo-Album 2017 abgeliefert. Man merkt den beiden Brüdern die Lust an der Musik an, die „Jetzt erst recht"-Stimmung und bekommt das alles mit einem Haufen Selbstkritik geliefert. Die Fragen und Aussagen regen zum Nachdenken an, ohne ins Jammern abzudriften. „Ich und mein Bruder" ist kein Sammelsurium von Tracks, sondern ein einheitliches Gesamtwerk, dass einen Einblick in die Gedankenwelt der beiden liefert. Obwohl das Kollabo-Album im März rauskam, läuft es auch im Dezember noch regelmäßig bei mir.

2. Ungerächte Welt - PTK
VÖ: 30. Juni 2017 | Album Stream & Review


PTK steht schon immer für Rap mit Inhalt. Das beweist er auch mit dem Album „Ungerächte Welt". Gesellschaftskritik, Wut und klare Worte machen die allgemeinen Merkmale des Albums aus. PTK redet nicht nur, er setzt auch vieles von dem um, worüber er in seinen Tracks erzählt. „Ungerächte Welt" steht sicher nicht für Selbstprofilierung und Leichtigkeit. Viele finden sich in den Lyrics vermutlich sogar selbst wieder - und das nicht immer auf eine positive Art und Weise. Im Endeffekt hilft es das eigene Verhalten zu reflektieren und zu hinterfragen.

3. #DIY - Trettmann

VÖ: 29. September 2017

An der #DIY-EP von Trettmann kam dieses Jahr vermutlich niemand vorbei! Aber das auch vollkommen zurecht. Autotune und ich sind auch im Jahr 2017 immernoch keine großen Freunde geworden, aber Trettmann hat mich der ganzen Thematik ein großes Stück näher gebracht. Auf der EP geht es nicht um Geld und „Bitches". Die Lyrics sind autobiografisch und authentisch und der Sound ist eingängig und einzigartig.

4. tru. - Cro
VÖ: 08. September 2017 | Album Stream & Review


Die größte Überraschung für mich dieses Jahr ist das Cro-Album „tru." Ich habe ohne große Erwartungen reingehört und war sofort überzeugt davon. Die LP ist reflektiert, erwachsen und selbstkritisch - wenn man ein paar fragwürdige Äußerungen ausklammert. Ich konnte die LP drei Wochen am Stück durchhören ohne es dabei satt zu haben. Das ist nur bei wenigen Alben der Fall.

5. Schuss - Schote
VÖ: 31. März 2017

„Arroganter Rapper, weil ich keine anderen hör'." Die Schuss-EP habe ich mindestens einen Monat in der Dauerschleife gehört. Wenn ich mal nicht wusste, was ich hören soll, dann lief die Schote EP. Insgesamt ist das Release thematisch stimmig und die arrogante Haltung zieht sich wie ein roter Faden durch das komplette Album. Dabei prahlt Schote nicht mit „Autos, Ketten und Euros", sondern einfach mit seiner ignoranten Arschloch-Haltung. Wenn man mal an sich selbst zweifelt, sollte man die EP hören, denn etwas von dieser Attitüde färbt auf jeden Fall ab. Meine Track-Empfehlung: „Kunst".

6. Justus Jonas - Pimf

VÖ: 03. Februar 2017

Das VBT fand in meinem kleinen Rapkosmos aufgrund von Zeitmangel und Nostalgie-Liebe in diesem Jahr nicht so richtig statt. Außerdem gibt es wenige Battlerapper, die auch gute Tracks zustande bekommen. Aber spätestens mit „So weit so gut" rückte Pimf (Interview) immer mehr in meinen Fokus. Auch das gesamte Album „Justus Jonas" hat zum Release den Nerv meine „Quarterlife-Crises" getroffen. Das Album hinterlässt offene Fragen und ein Gefühl zwischen den Momenten „wir können noch alles erreichen!" und „was habe ich bisher überhaupt erreicht?"

7. Dreifarbenhaus - Bausa
VÖ: 21. April 2017

Bausa kannte ich bereits durch seine Featureparts auf dem Album von Rapsta und Meezy. Doch dieses Jahr schien dann auch endlich sein Solo-Jahr zu werden. Niemand kam an Bausa vorbei. Das Intro des Albums „Dreifarbenhaus" ist ein Seelenstriptease, der für Gänsehaut sorgt. Der Track „Pyramiden" ist mein Favorit auf dem Album. Ansonsten hat jeder Track Ohrwurm-Potential ohne zu Nerven.

8. Einzimmervilla - BRKN
VÖ: 18. August 2017

Als Mieterin einer „Einzimmervilla" passt der Track „Ein Zimmer" perfekt zu mir und sorgte dafür, dass ich durch meine 25 qm-Wohnung tanzte. Insgesamt punktet das ganze Album mit dem typischen BRKN-Sound. Doch anstatt vielerlei Dinge einfach nur abzufeiern, ist der positive Vibe bei diesem Album nicht mehr so leicht zu finden. Doch wir wissen ja: „alles wird gut bis zur letzten Zeile".

9. Sternzeichen Hass - Audio88
VÖ: 26. Mai 2017


Ich mag die Anti-Alles-Haltung von Audio88. Mit den Überspitzungen streut er Salz in die Wunde der Gesellschaftsklischees. Die Entwicklung von Hip-Hop und Rap-Fans wird thematisch aufgegriffen, ohne komische Vergleiche zu ziehen. Das Ansprechen der „Trends" zeigt meist schon, wie lächerlich diese eigentlich sind. Es sind typische Audio88-Tracks ohne große Überraschungen. Außerdem sind auf der EP Lakmann, Morlockk Dilemma, Megaloh und doz9 vertreten. Meine Track-Empfehlung: „Direkter Vergleich".

10. Komplexität - Ebow
VÖ: 17. November 2017


Ebows Album „Komplexität" ist eine Mischung aus Culture-Clash, Feminismus und Sozialkritik, gemischt mit dopen Beats. Sie sprengt die Klischees gegenüber muslimischen Frauen, spielt mit ihrer deutsch-türkischen Herkunft und bringt die Komplexität beider Welten auf das Album. Außerdem ist der Sound auch definitiv tanzbar.

Flops 2017

1. Der Track „Erdbeerwoche" von KC Rebell, Summer Cem & Elias


An diesem Track ist einfach alles falsch! Abgesehen davon, dass niemand, der älter als 12 Jahre ist, das Wort „Erdbeerwoche" verwendet, ist hier von einem falschen Timing die Rede, so als könnte man das als Frau planen. Wir schreiben das Jahr 2017 und es gibt tatsächlich erwachsene Männer, die ein Problem mit menstruierenden Frauen haben und mit veralteten Klischees um sich werfen. Wenn man bedenkt, dass die Zielgruppe dieser Rapper minderjährig ist, will ich gar nicht wissen, wie viele Frauen sich jetzt noch mehr unwohl fühlen, wenn sie ihre Tage bekommen.

2. antiMarteria
VÖ: 07.Juni 2017 | Review

An diesem Film waren einfach zu viele kreative Köpfe beteiligt, weswegen vieles einfach zu verworren war. Die Message, die der Film rüber bringen möchte, ist gut, wird aber durch zu viele Metaphern, Produkt- und Trackplatzierungen verschleiert. Leider sind an dem Film nur die ganzen Bilder gut, der Inhalt leider nicht.

3. NXTLVL - Azad
Letztes Jahr habe ich mich noch gefreut, dass Azad auf seinem Album „wie der alte Azad klingt". Doch dann sprang der Frankfurter dieses Jahr auf den Trap-Hype auf und ich fragte mich bei jedem neuen Video immer nur: „Warum?!" Versteht mich nicht falsch, Rapper können und sollen sich weiterentwickeln. Aber zwischen Weiterentwicklung und das machen, was gerade funktioniert, ist ein großer unterschied.

4. Royal Bunker - Sido & Kool Savas
Eigentlich hätte ein Kollabo-Album von den beiden Größen Kool Savas und Sido richtig gut werden können. Eigentlich. Aber jeder Track wirkt berechnet, fast immer ist eine Sing-Sang-Hook mit im Spiel und wirklich krasse Bars sind leider auch nicht zu finden. Nichts, aber auch wirklich nichts - außer der Titel - hat mit dem Royal Bunker zu tun. Ich weiß, dass das auch nicht der Anspruch war, aber warum dann dieser Albumtitel? Um noch ein paar alte Fans für das Album zu begeistern?

5. Die Performance von Team „New Level"
Der Red Bull Soundclash war sowas wie ein Generationen-Duell. Team Reality Check gegen Team New Level. Aber anstatt mit einer guten Performance glänzte Team New Level nur mit unfassbar vielen und guten Gästen, doch selbst die konnten das Publikum nicht umstimmen. Mit ihrer Respektlosigkeit schnitten sie sich am Ende sogar ins eigene Fleisch und abgesehen von der Fangemeinde, war der Rest der Sporthalle Hamburg auf der Seite des Teams Reality Check.

Musik-Highlight des Jahres
Ein kleiner Teil meines Herzens ist in Stuttgart geblieben und somit ist es kein Wunder, dass ich seit dem ersten Album der Orsons am Start bin. Also war das „10 Jahre Die Orsons"-Konzert in Berlin ein Pflichttermin! Die erste Hälfte stand ganz im Zeichen der früheren Jahre. Maeckes in Baggy und Cap war ein definitiv nostalgischer Anblick. Spätestens als er und Plan B (aka Bartek) „White Trash" performten, war der Flashback komplett. Die vier Jungs spielten ihr Best-Of einmal quer durch alle Jahre durch und das Publikum war bei jedem Track textsicher!

Darüber hinaus war das Konzert mit vielen Highlights gespickt. Kool Savas kam auf die Bühne und performte „Brainwash" mit Kaas und war danach genauso schnell weg, wie er gekommen ist. Die Orsons bekamen ihre goldene Schallplatte überreicht und Barteks Dankesrede war fast so lang wie das gesamte Konzert, aber mindestens genauso schön. Der Gänsehautmoment des ganzen Konzerts war aber, als das gesamte Publikum die Hook von „Jetzt" sang und gar nicht mehr damit aufhören konnte.

Throwback? Hier könnt ihr euch Vanessa's Autorencharts von 2016 durchlesen.



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