Katalonien als Vorbild für Bayern? Auch hierzulande träumen einige von einer Abspaltung des Freistaates von Deutschland. Hier erfahren Sie alles rund um die Rahmenbedingungen eines bayerischen Deutschlandausstieges - und was unsere User vom Bayxit halten.
München - Bereits nach dem Brexit, also nach dem beschlossenen Austritt der Briten aus der EU, wurden in Bayern vereinzelt Stimmen laut, die einen Ausstieg Bayerns aus der Bundesrepublik Deutschland forderten. In ganz Europa mehrten sich daraufhin die Unabhängigkeitsbestrebungen einzelner Regionen von ihren Ländern oder der EU. Am aktuellen Beispiel von Katalonien, zeigt sich, wie weit diese Bestrebungen gehen können. In Bayern fordern derzeit keine maßgeblichen politischen Kräfte eine Abspaltung, kleine Parteien, wie die Bayernpartei treiben die Diskussion dennoch voran. Doch welche Folgen hätte ein sogenannter Bayxit für Bayern und Deutschland? Inwieweit unterscheidet sich der Freistaat von der restlichen Bundesrepublik und welche rechtlichen Grundlagen gibt es für einen Bundesstaaten-Exit? Im Vergleich Bayern und Katalonien werden einige Gemeinsamkeiten deutlich, die hierzulande als positives Signal für einen Bayxit interpretiert werden könnten.
Geschichte: Widerwillige UnterordnungDie Ablehnung der spanischen Zentralgewalt hat in Katalonien eine lange Tradition. Ihren Höhepunkt fand sie im Spanischen Bürgerkrieg (1936-39), als Katalonien sich zur wichtigsten Bastion gegen den heraufziehenden Faschismus unter Francisco Franco entwickelte.
Während der Franco-Diktatur (1939-75) wurden Katalonien dann sämtliche Sonderrechte aberkannt, das Katalanische verlor den Status einer Amtssprache und wurde aus dem öffentlichen Leben verdrängt.
Nach der Diktatur erkämpften sich die Katalanen den Status einer "autonomen historischen Gemeinschaft". Katalonien hat inzwischen weitgehende Autonomierechte im Bildungs- und Gesundheitssystem, zudem eine eigene Polizeieinheit, die Mossos d'Esquadra.
In Bayern hat die ablehnende Haltung gegenüber einer zentralen - und preußischen - Verwaltung ebenso lange Tradition. Nach dem Ende des Deutschen Bundes 1866 und mit Beginn des deutschen Krieges, kämpfte das Königreich Bayern an der Seite von Österreich gegen die Preußen.
Nach Ende des Krieges versuchte sich das Königreich außerhalb der Bündnisse, süddeutsch und norddeutsch, zu bewegen, unterzeichnete aber widerwillig das Schutz und Trutzbündnis mit Preußen. Erst 1870 trat Bayern dem deutschen Reich bei, sicherte sich aber Vorrechte wie die Beibehaltung einer eigenen Armee, Außenpolitik und Diplomaten.
Nach dem ersten Weltkrieg und mit Zusammenbruch der Wittelsbacher Monarchie wurde der Freistaat Bayern ausgerufen. Während des zweiten Weltkrieges verlor Bayern die Eigenstaatlichkeit. Bis heute hat sich das Bundesland zumindest nominell diesen Zusatz bewahrt.
Referendum und StimmungIn dem Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens stimmten 90 Prozent der Teilnehmer für eine Unabhängigkeit Kataloniens. Die Wahlbeteiligung lag allerdings bei lediglich 43 Prozent, viele Gegner einer Unabhängigkeit boykottierten die Abstimmung.
In Bayern liegt die Zustimmung zur Abspaltung des eigenen Bundeslandes bei 32 Prozent, das ergab eine Umfrage von YouGov im Auftrag der Bild-Zeitung. Eine entsprechende Volksabstimmung zur Abspaltung wurde nicht zugelassen. Eine Beschwerde dagegen lehnte das Bundesverfassungsgericht ab.
Bayern, die deutsche WirtschaftsmachtEine wohl treibende Kraft für die Abspaltung der Katalanen ist die wirtschaftliche Stärke im Vergleich zum Rest des Landes und die hohen Abgaben an die spanische Zentralregierung. Katalonien ist so groß wie Belgien, umfasst nur 6,3 Prozent der Landesfläche Spaniens, stellt aber 16 Prozent der Bevölkerung und erwirtschaftet ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Auch Bayern ist ein sehr erfolgreicher Wirtschaftsstandort verglichen mit den anderen Bundesländern. Im Freistaat werden rund 18,1 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen sind es 21,4 Prozent. Also 3,3 Prozentpunkte Unterschied zu Bayern, obwohl in NRW 6,5 Prozent mehr Menschen leben als in Bayern. (Quelle: VGRdl, Zahlen für 2016)
5,82 Milliarden Euro zahlt Bayern von insgesamt 10,62 Milliarden Transferzahlungen. Damit schultert Bayern 55 Prozent der finanziellen Last durch den Länderfinanzausgleich. Einige der größten Firmen in Deutschland, wie BMW, Siemens, Audi haben ihren Sitz in Bayern.
Gibt es eine rechtliche Grundlage für den Bayxit?In der spanischen Verfassung gibt es einen eigenen Artikel, der sich mit Autonomiebestrebungen befasst. Der Artikel 155 besagt, dass die Regionalregierungen des Landes dazu verpflichtet sind, die Verfassung und das allgemeine Interesse Spaniens einzuhalten. Tut eine der 17 autonomen Regionen dies nicht, kann die Regierung in Madrid die Regionalregierung entmachten.
Der Artikel berechtigt die Zentralregierung, die „erforderlichen Maßnahmen" zu ergreifen, um die autonome Gemeinschaft „zur zwingenden Erfüllung dieser Verpflichtungen und zum Schutz besagten Allgemeininteresses anzuhalten".
Ein ausdrückliches Verbot eines einseitigen Austritt aus der Bundesrepublik Deutschland findet sich im deutschen Grundgesetz nicht. Doch im Gegensatz zu einem Staatenbund, innerhalb dessen einzelne Mitglieder den Zusammenschluss aufkündigen könnten, ist Deutschland ein Bundesstaat. Die Bundesländer ordnen sich dem Zentralstaat unter und besitzen keine eigene Souveränität.
So wurde beispielsweise auch eine geplante Volksabstimmung abgewiesen, in der die Bayern über eine Abspaltung vom Rest von Deutschland entscheiden sollten. Ein Bürger hatte gegen die Ablehnung Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Das sprach am 16. Dezember 2016 ein Grundsatzurteil zum Thema Abspaltung von Bundesländern.
Konkret heißt es in der Begründung des Bundesverfassungsgerichts: „In der Bundesrepublik Deutschland als auf der verfassunggebenden Gewalt des deutschen Volkes beruhendem Nationalstaat sind die Länder nicht ,Herren des Grundgesetzes'. Für Sezessionsbestrebungen einzelner Länder ist unter dem Grundgesetz daher kein Raum. Sie verstoßen gegen die verfassungsmäßige Ordnung."
Mögliche Folgen eines BayxitsDie Folgen einer Abspaltung sind wenig vorhersehbar. In der Diskussion um Katalonien und im Rahmen der Austrittsverhandlungen von Großbritannien mit der EU gibt es allerdings wiederkehrende Tendenzen, die ein ungefähres Bild der möglichen Konsequenzen zeigen. Im Fall von Katalonien kündigten bereits mehrere Großbanken ihren Wegzug aus der nordspanischen Region an. Viele Unternehmen könnten sich dem anschließen. Denn ein Abspaltungsprozess würde jahrelange rechtliche Unsicherheit bedeuten, das können und wollen viele Firmen nicht mittragen. Würde sich Bayern unabhängig erklären, befände sich der Staat inmitten von Ländern, mit denen es noch keinerlei Abkommen hätte, wie zum Beispiel Freihandelsabkommen.
Ein Austritt aus Deutschland würde zudem einem Austritt aus der EU nach sich ziehen. Bayern müsste, wie alle anderen Länder auch, eine Mitgliedschaft beantragen. Der Aufnahmeprozess - würden denn alle Mitgliedsländer zustimmen - dauert mehrere Jahre. Für diese Zeit sollten die Bayern eine eigene Währung bereithalten, denn ohne EU auch kein Euro. Abwandernde Firmen und Banken, schwächelnde Wirtschaft und immense Kosten für den Aufbau einer eigenen Verwaltung - das alles klingt kaum nach dem Start in eine rosige Zukunft.
Wie ein möglicher Bayxit ablaufen könnte, mit dieser Thematik haben sich die Chiemgauer Geschwister Andreas und Tanja Schmidbauer humorvoll befasst - auf ihre ganz eigene Art: In der aktuellen Mundart-Komödie „Austreten" sorgt ein Versprecher des bayerischen Ministerpräsidenten für ungeahnte politische Folgen für ganz Deutschland.
Das sagen unsere UserWir haben Sie gefragt: Wäre ein unabhängiges Bayern sinnvoll? Das Ergebnis überrascht. Fast 70 Prozent der User, die abgestimmt haben, würden einen Bayxit begrüßen. Sie sagen: „Ich würde ein unabhängiges Bayern begrüßen, damit wir nicht mehr Zahlmeister für die anderen Bundesländer sind" (37,89 %) oder „Auf alle Fälle. Außer der Sprache haben wir eher wenig gemeinsam mit der deutschen Restbevölkerung, wir haben unsere eigenen Traditionen, Kulturen und Bräuche" (30,92 %). Gegen eine Abspaltung sprechen sich lediglich nicht einmal 30 Prozent der Umfrage-Teilnehmer aus. Sie antworteten: „Das wäre eine wirtschaftliche Katastrophe nicht nur für Deutschland, sondern auch für Bayern" (22,5 %) und „wir Deutschen sollten uns lieber auf gemeinsame Stärken besinnen, als sich mit so einem Quatsch zu befassen" (6,57 %).
vf/mae mit Material von AFP/Video: Glomex