Frau Blömer, gerade zu Weihnachten möchten Menschen Gutes tun, auch indem sie Geld spenden. Wie spende ich richtig?
Es kommt ganz darauf an, was ich bewirken und in welchem Bereich ich mich engagieren möchte. Zunächst sollte sich jeder überlegen: Wofür möchte ich geben? Will ich aktuell etwas für Flüchtlinge tun oder mich beispielsweise für Kinder oder Obdachlose einsetzen? Wenn ich mir eine entsprechende Organisation ausgesucht habe, informiere ich mich am besten intensiv auf deren Webseite. Seriöse Organisationen informieren umfassend und transparent über ihre Aktivitäten. Auf gar keinen Fall sollte ich mich von Spendenwerbung unter Druck setzen lassen. Wer spenden will, hat immer das Recht, sich in Ruhe zu informieren und erst dann zu entscheiden.
Was ist sinnvoller: Gebe ich lieber einmalig einen größeren Betrag, oder verteile ich mein Engagement besser auf verschiedene Organisationen?
Eine zunehmende Zahl der Spender sagt: Ich spende regelmäßig. Das ist für beide Seiten gut. Für die Spender, die ein Projekt ihrer Wahl unterstützen und für die Organisationen, die auf solche regelmäßigen Spenden angewiesen sind, denn sie arbeiten ja auch kontinuierlich in ihren Projekten, nicht nur einmalig. Bei großen, medial begleiteten Katastrophen wie dem Taifun „Haian" oder beim Erdbeben in Nepal steigt das Spendenvolumen zwar sofort massiv an, wenn die Kontonummer einer Hilfsorganisation direkt in der Tagesschau eingeblendet ist - allerdings ist nicht jede Katastrophe medial begleitet, und oft wird Unterstützung dringend auch an anderer Stelle gebraucht.
Ich möchte, dass mein Geld genau für ein bestimmtes Projekt verwendet wird. Ist es gut, zweckgebunden zu spenden?
Wir empfehlen, genau das nicht zu tun. Denn es kann immer Gründe geben, warum das Geld nicht zweckgebunden eingesetzt werden kann, zum Beispiel wegen politischer Instabilität in einem Land. Wenn Sie zweckgebunden spenden und Ihre Spende kann nicht verwendet werden, ist der Empfänger in Deutschland verpflichtet, mit dem Spender Kontakt aufzunehmen, um zu klären, ob die Spende für andere Projekte verwendet werden darf. Dazu erhalten Sie ein Schreiben oder einen Anruf. Gibt der Spender sein Einverständnis nicht, muss das Geld zurücküberwiesen werden. Das ist ein sehr hoher Aufwand. Daher empfehle ich, mich für eine Organisation zu entscheiden, der ich vertraue.
Wenn seriöse Organisationen so umfassend und transparent informieren, wie Sie sagen: Warum werden dann nach wie vor Spendenbriefe verschickt?
Wir wissen aus Befragungen: Wer nicht gefragt wird, der spendet nicht. Nur sehr wenige Menschen folgen von sich aus dem Impuls zu spenden. Deshalb bitten Organisationen explizit um Spenden - auf der Straße, in Briefen, Mailings oder mit Anrufen. Einfach, weil es funktioniert. Ich kenne mein eigenes Spendenverhalten: Ich sitze vor der „Tagesschau", nehme eine Katastrophe wahr. Aber vom Gedanken bis zur Tat ist es dann womöglich ein weiter Weg. Erhalte ich aber einen Brief mit dem Appell: „Helfen Sie jetzt!" von einer mir bekannten Organisation, überweise ich sofort.
Von welchen Summen reden wir überhaupt? Ab welcher Summe ist eine Spende angemessen und sinnvoll?
Der durchschnittliche Spender gibt laut der „Bilanz des Helfens 2014" der Gesellschaft für Konsumforschung und des Deutschen Spendenrates pro Spendenakt 36 Euro und das bis zu sechs Mal im Jahr. Da kommen also bis zu 216 Euro pro Spender jährlich zusammen. Aber jeder gibt, soviel er kann. Es ist auf jeden Fall besser, sich auf ein Thema zu konzentrieren und dafür eine größere Summe zu geben als diese in viele kleine Beträge aufzusplitten.
Welche Rolle spielen denn wirklich große Einzelspenden in Deutschland?
Großspenden können für viele größere Projekte eine sehr gute Anschubfinanzierung sein. Wir haben hier aber noch nicht so viele Großspender wie zum Beispiel in den USA, wo menschenfreundliches Engagement bei Vermögenden einfach dazu gehört. Es wird dort viel gegeben, und es wird selbstverständlich darüber gesprochen. In Deutschland dagegen leben wir nach dem Motto „Über Geld spricht man nicht". Das führt dazu, dass viele Reiche gar nicht wegen großer Spenden angesprochen werden. Kleine Spenden sind bei Vermögenden jedoch nicht relevant. Mein Kollege Andreas Schiemenz hat sich genau damit befasst und festgestellt, dass Vermögende gezielt um größere Summen für sinnvolle Projekte angesprochen werden wollen. Sie wollen mit ihrer Spende etwas Konkretes bewirken können. Da ist also noch genügend Arbeit für uns professionelle Fundraiser. Wir sollten Vermögende offensiv und zielgerichtet für den guten Zweck ansprechen, denn um Geld für den guten Zweck zu bitten, ist nichts Ehrenrühriges.
Warum bitten Organisationen oft so offensiv um Geld? Neben der aufdringlichen Wirkung verursacht das doch hohe Kosten in der Werbung.
Das kann ich so nicht sehen. Gemeinnützige Organisationen stehen in einem großen Wettbewerb um Aufmerksamkeit insgesamt, aber auch untereinander. Um überhaupt wahrgenommen zu werden, braucht es Werbung, ob auf der Straße oder per Brief. Greenpeace gäbe es beispielsweise nicht ohne Straßenwerbung, denn deren spektakuläre Aktionen sind häufig kostspielig. Und wer würde sich wünschen, dass es Greenpeace nicht gäbe? Fundraising, also gut organisiertes, professionelles Spendensammeln, zielt darauf ab, Menschen um Unterstützung für den guten Zweck zu bitten und das kann auch mit Aufmerksamkeit fördernden Mitteln geschehen. Niemand sollte dabei genötigt werden, etwas zu geben. Das ist ein großer Unterschied. Wo viel gespendet wird, kann manchmal die Versuchung groß werden, nicht seriös mit Spenden umzugehen.
Wie stellen Organisationen sicher, dass das nicht geschieht?
Ich behaupte, dass nicht einmal ein Prozent der in Deutschland jährlich gespendeten fünf bis sieben Milliarden Euro veruntreut wird. Der Deutsche Fundraising Verband hat Grundregeln für eine ethische Spendenwerbung aufgestellt. Jedes Verbandsmitglied verpflichtet sich, einen 19-Punkte-Kodex zu befolgen. Dazu gehört es, dass Organisationen transparent arbeiten und sich verpflichten, keinen Druck auszuüben, die Weitergabe von Spenderdaten zu unterlassen und die eingeworbenen Mittel effizient zu verwenden. Außerdem ist Arbeit auf Provisionsbasis tabu.
Wie viel von meiner Spende kommt denn konkret in einem Projekt an?
Ich erkläre das am besten so: Wenn ich einen Euro komplett ins Projekt gebe, dann ist er einmalig ausgegeben und weg. Zudem ist unklar, wovon etwa die Buchhaltung, Steuerberater und der Versand der Zuwendungsbestätigungen bezahlt werden sollen. Dazu gibt es in Deutschland ganz klare Vorgaben und gesetzliche Auflagen, denen Organisationen Folge leisten müssen. Gebe ich jedoch 66 Cent, also zwei Drittel von meinem Euro, ins Projekt und nutze ein weiteres Drittel für die Verwaltung, Öffentlichkeitsarbeit und Spenderwerbung, so habe ich nach drei Jahren erfahrungsgemäß drei Euro aus dem einen Euro gemacht. Denn Organisationen arbeiten meist an Projekten, die länger als ein Jahr laufen. Mit diesem eher unternehmerischen Denken kann ich meinen Spenden-Euro mehren und mehr bewirken. Das ist für mich eine nachhaltige und sinnvolle Arbeit mit dem Geld der Spender.
Aber es heißt doch immer, hohe Verwaltungs- und Werbungskosten sollten vermieden werden.
Ich halte es für höchst unseriös, zu behaupten: „100 Prozent Ihrer Spende gehen in das Projekt." Zumindest bei längerfristig arbeitenden Organisationen ist das so nicht haltbar. Genau das den Spendern zu erklären, ist eben auch Aufgabe von Organisationen. Es ist sicher ein gut gemeintes Ansinnen, möglichst viel Geld in Projekte geben zu wollen, gerade wenn Ehrenamtliche sich spontan engagieren. Aber es ist auch immer wieder zu beobachten, dass das Ehrenamt schnell an seine Grenzen kommt. Deshalb ist professionelle Organisation mit allem Drum und Dran notwendig, gerade damit Projekte nicht wegen Überforderung der Helfer eingehen und nicht langfristig fortgesetzt werden können.
INFO
Spenden in Deutschland
Das Spendenvolumen in Deutschland wird in unterschiedlichen Statistiken für das Jahr 2014 auf fünf bis sieben Milliarden Euro geschätzt. Laut der „Bilanz des Helfens", herausgegeben von der Gesellschaft für Konsumforschung und dem Deutschen Spendenrat, spendeten 33 Prozent der deutschen Bevölkerung. 49 Prozent der Spender geben regelmäßig - als Mitglieder oder Dauerspender in einer Organisation - Tendenz steigend.
Mit 80 Prozent ist die Spendenbereitschaft für humanitäre Zwecke am größten. In anderen Bereichen wie Tierschutz, Umweltschutz, Denkmalschutz oder Kultur ist sie vergleichsweise gering. Die durchschnittliche Spende lag im Jahr 2014 bei 216 Euro, aufgeteilt auf bis zu sechs Einzelspenden. Bislang spenden nur zwei bis fünf Prozent aller Besucher von Webseiten sofort online; die meisten nutzen ihr eigenes Online-Banking oder einen Überweisungsträger auf Papier.