Ilona, Max, wie ist es Euch nach der Auszeichnung von Max als „Aufsteiger des Jahres 2016" ergangen?
Max Strohe: Die Nominierung traf mich völlig unvorbereitet und war noch aufregender als die Auszeichnung selbst. Wir saßen gerade beim Essen, als die E-Mail mit der Nominierung eintraf. Dann kam die erste Pressekonferenz meines Lebens, und ich war total nervös.
Ilona Scholl: Keiner von uns durfte mitkommen, weil das Max noch nervöser gemacht hätte. Unsere Nachbarn, die Jungs vom „Herz & Niere", waren aber dort und haben uns quasi per Live-Newsfeed heimlich mit Bildern, Videos und Informationen versorgt. Als wir später erfahren haben, dass Max tatsächlich „Aufsteiger des Jahres" wird, durften wir wochenlang nichts sagen. Wir waren erst mal überwältigt und sind in einen alkoholinduzierten Rausch gefallen. Wir haben uns gefühlt wie Heidi Klums dünne Mädchen, die vor der Ausstrahlung dichthalten müssen.
Auf der Gala habe ich mit einem ramponierten Fuß stillgesessen und Mäuschen gespielt, während Max gekocht hat und auf der Bühne war. Als ich die Laudatio gehört habe, ist mir klargeworden, dass das wirklich alles echt ist. Ich habe realisiert, was alles passiert ist in diesem einen Jahr, und ich habe leise in mich reingeheult.
Die Auszeichnung hat eine Wirkung in der Stadt. Wo steht Ihr nun?
Ilona Scholl: Die Auszeichnung der „Berliner Meisterköche" hat uns einen richtigen Bekanntheitsschub gebracht. Die Medien haben uns viel mehr erwähnt. Inzwischen kommen auch viele Gäste mit gastronomischem Hintergrund. Und auch die Foodies kommen. Also alle, die ein kulinarisches Interesse haben. Man schaut, was wir machen. Max Strohe: Wir sind auch mittwochs und donnerstags gut besucht. Wir hatten im vergangenen Jahr ohnehin kein wirkliches Sommerloch. Nun kommen noch viel mehr Gäste.
Liegt die Messlatte dadurch höher?
Ilona Scholl: Wir haben festgestellt, dass wir als Typen wirklich nicht hip und cool sind, also müssen wir uns auch nicht so inszenieren. Ganz gleich, ob mit oder ohne Auszeichnung. Wir sind herzhafte, warme Leute, und das ist auch, was unsere Gäste mit uns verbinden und von uns erwarten.
Max Strohe: Ja, die Messlatte liegt natürlich höher. Es kommen viel mehr Menschen mit einschlägiger kulinarischer Erfahrung zu uns. Die sind was gewohnt, und man muss ihnen etwas bieten. Insgesamt ist der Anspruch gestiegen. Der, den die Leute an uns stellen und unser eigener an uns ebenfalls.
Ilona Scholl: Wir sind routinierter geworden. Nach einem guten Jahr wissen wir, welche Abläufe wie richtig gut funktionieren, welche Wege notwendig oder überflüssig sind. Wir haben aber auch die Hektik aus unseren Köpfen herausgenommen und gemerkt, dass wir etwa das Telefon leiser stellen können. Wir sind aber auch keine Kathedrale in unserer fröhlichen Bude hier. Dieses ehrfurchtgebietende und heilige Essen wollen die Leute heutzutage auch nicht mehr.
Unsere Gäste sind selbstbewusst genug, um locker zu sein beim Essen. Und sie vertrauen uns, wenn sie zu uns kommen. Wenn wir sagen, wir haben ein großes Stück vom Presa-Iberico-Schwein, da machen wir was draus, dann glauben sie uns das und bestellen es. Wir haben aber auch echt gute Leute in der Küche, richtige Nerds. Die wissen damit etwas anzufangen.
Hat sich die Karte verändert?
Max Strohe: Wir haben die Karte weiterentwickelt. Wir haben jetzt drei Amuses und nicht nur einen Macaron. Das Brot war vorher als einzelner Gang ins Menü integriert. Jetzt ist es extra und die Grundlage. Dazu gibt's dann etwa „Weggelaufenes Gänseschmalz". Das Brotbacken selbst überlassen wir aber denjenigen, die das richtig gut können. In unserem Fall also dem großartigen Arnd Erbel aus Nürnberg.
Ilona Scholl: Das Brot heißt jetzt danach, was es ist. Es ist die „Grundlage". Das macht das Warten aufs Essen entspannter. Wir schaffen den Unterzucker damit offiziell ab.
Max Strohe: Die Menüs gibt's mit fünf oder sieben Gängen. Unsere große Neuerung in diesem Jahr ist, dass wir ein vegetarisches Menü anbieten. Unser Menü mit Fleisch und Fisch bleibt natürlich trotzdem.
Ilona Scholl: Unsere bisherige À-la-Carte-Karte fällt weg. Wir sprechen vorab mit unseren Gästen am Telefon und fragen, ob Unverträglichkeiten vorliegen. Dabei haben wir herausgefunden, dass 90 Prozent unserer Gäste ein Menü und viele auch gern vegetarisch essen wollen. Wir haben jetzt ein Füllhorn mit insgesamt 14 Gerichten.
Habt Ihr Euer Team vergrößert?
Ilona Scholl: Wir haben uns personell ein bisschen verändert. Simon Dienemann, der ehemalige Küchenchef vom VAU, ist zu uns gekommen. Max und Simon haben sich kennengelernt und festgestellt, dass sie gern zusammen kochen. Das machen sie jetzt seit November bei uns. Simons Freundin, Lisa-Marie Kleemeier, ebenfalls aus dem ehemaligen VAU, arbeitet nun auch bei uns im Service.
Insgesamt sind wir immer noch drei Köche und ein Spüler. Mit mehr Menschen würden wir uns in unserer briefmarkengroßen Küche sonst gegenseitig auf die Füße treten. Im Service sind wir vier feste Leute und eine Aushilfe. Wir sind immer noch eine kleine Truppe, dafür sind unsere Leute aber richtig gut, und wir haben unsere Aufgabengebiete noch besser strukturiert. Wir wollen übrigens ab Herbst erstmals einen Koch oder eine Köchin ausbilden. Noch haben wir keinen Azubi. Wir würden uns also freuen, wenn sich jemand bei uns melden mag.
Ihr wurdet als Anwärter auf einen Stern im Guide Michelin gehandelt. Seid Ihr enttäuscht, dass es nicht geklappt hat?
Max Strohe: Quatsch. Es ist absolut überwältigend, dass es überhaupt Menschen gab, die uns in dieser Liga vermutet hätten. Wir hatten den Laden noch nicht mal ein Jahr in Betrieb. Als wir ihn aufgemacht haben, war ein Stern nicht einmal ein Fernziel. Wir dachten, wir können froh sein, wenn wir das erste Jahr wirtschaftlich überleben.
Wie seid Ihr in dieses Jahr gestartet?
Ilona Scholl: Wir haben langsam das Gefühl, dass alles funktioniert, was wir machen. Darüber freuen wir uns volle Lotte. Das bedeutet mehr Freiheit, mehr Chancen und mehr Arbeit. Aber das ist auch genau das, was wir machen wollten. Es ist super, dass wir den Laden im genau richtigen Moment aufgemacht haben und dass er bei unseren Gästen so gut ankommt.
Info:
Tulus Lotrek
Fichtestraße 24
10967 Berlin-Kreuzberg
Telefon 030-41956687
Öffnungszeiten: Di. bis So. 18 bis 24 Uhr, Küchenschluss 23 Uhr
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