Ullrich Kroemer

Freier Sportjournalist (Print, Online), Leipzig

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RB-Trainer Beierlorzer: Rangnicks verlängerter Arm - SPIEGEL ONLINE

Dietrich Mateschitz meldet sich nicht oft zu Wort. Wenn der Red-Bull-Gründer doch mal was zum Thema Fußball sagt, ist es ihm ernst. So zum Beispiel während des Lizenzgerangels mit der Deutschen Fußball-Liga ( DFL) vor einem Jahr, als der Multimilliardär drohte, das Bundesliga-Projekt in Leipzig platzen zu lassen. Oder wie am vergangenen Wochenende, als Mateschitz so deutlich wie kein Red-Bull-Mitarbeiter zuvor den Aufstieg in die Bundesliga bereits in dieser Saison als Ziel formulierte.

"Wir haben das in Leipzig immer mit 'raschestmöglich' definiert. Und ja, geplant wäre der Aufstieg für heuer", hatte Mateschitz der "Kleinen Zeitung" aus Österreich gesagt. Kurz darauf erfuhr Alexander Zorniger von Sportdirektor Ralf Rangnick und Präsident Oliver Mintzlaff, dass er als Trainer bei RB Leipzig keine Zukunft hat. Die beiden hatten zuvor natürlich Rücksprache mit dem mächtigen "Didi" gehalten.

Das Trio war nur ein Spiel nach der Winterpause zu der Auffassung gelangt, dass Zorniger nicht mehr der richtige Mann für die Aufstiegsmission ist. "Es war nicht einmal Stagnation, es war ein Rückschritt, was die Entwicklung in den letzten neun Spielen angeht", sagte Rangnick.

Nun drängt sich die Frage auf, weshalb ausgerechnet der Trainer-Nobody Achim Beierlorzer derjenige sein soll, der den derzeitigen Zweitliga-Siebten RB Leipzig doch noch zum ersehnten Aufstieg führen kann.

Ein Musterschüler wie Rangnick selbst

Der Name Beierlorzer war bislang vor allem süddeutschen Fußballkennern ein Begriff. Bertram Beierlorzer, Bruder des neuen RB-Interimscoaches, spielte in den Achtzigerjahren für Nürnberg, Bayern München und den VfB Stuttgart. Der neue RasenBallsport-Cheftrainer und frühere Mittelfeldspieler Achim Beierlorzer kickte in Fürth lediglich drittklassig. Als Trainer dagegen katapultierte sich der 47-Jährige in den vergangenen Jahren rasant nach oben. Die Ausbildung zum Fußballlehrer absolvierte er im vergangenen Jahr mit 1,0. Musterschüler sind bei Rangnick besonders willkommen, er war selbst einer.

RB wurde auf den Gymnasiallehrer aufmerksam, als Beierlorzer noch Trainer der U17 der SpVgg Greuther Fürth war. Während eines Nachwuchs-Bundesligaspiels zwischen Leipzig und Fürth fiel den Verantwortlichen auf, dass sich die Systeme beider Teams ähnelten. Bei einem Gespräch im Hotel Sonnenhof im schwäbischen Großaspach, Rangnicks bevorzugtem Verhandlungsort, überzeugten sich beide Seiten voneinander. Seit Sommer lässt Beierlorzer seinen Job als Lehrer für Sport und Mathematik ruhen und arbeitet erstmals in seiner Karriere als Vollzeittrainer.

Beierlorzer gilt als akribischer, kluger Coach, den vor allem seine positive Ausstrahlung auszeichnet. "Er ist ein toller Trainer und Mensch, ein absolut optimistischer Typ", sagt Nachwuchskoordinator Frieder Schrof. Der gebürtige Erlanger sei ein Teamplayer, der "neue Leidenschaft" bei der Mannschaft entfachen wolle, sagt Rangnick: "Mich hat vor allem die Art und Weise begeistert, wie unsere U17 spielt."

Dennoch ist Beierlorzers Ad-hoc-Beförderung zum Zweitligachefcoach ein Wagnis; sein bislang hochklassigstes Trainerengagement hatte er bei Bayernligist SC 04 Schwabach. Aber dass Rangnick die Mission Bundesliga-Aufstieg mit einem derart unerfahrenen Trainer plant, hat mehrere Gründe:

Erstens habe eine externe Lösung laut Rangnick nie zur Debatte gestanden. Um sich mitten in der Saison einen Trainer ohne Stallgeruch ins Haus zu holen, hat der Sportdirektor zu komplexe Anforderungen. Zweitens dürfte ein prominenter Trainer für die neue Saison bereits in den Startlöchern stehen. Die Verhandlungen mit Thomas Tuchel sollen fortgeschritten sein. Nachfragen zum früheren Mainzer Coach moderierte Rangnick nur halbherzig ab, obwohl Beierlorzer auf dem Podium direkt neben ihm saß. Drittens darf man davon ausgehen, dass Rangnick künftig noch näher an die Mannschaft rücken will, um selbst stärker Einfluss zu nehmen. "Ich habe Achim alle Unterstützung angeboten, die ich ihm geben kann", sagte er. So wird Rangnick wohl künftig bei Spielen auf der Trainerbank statt auf der Tribüne sitzen. Man habe das bereits "grob diskutiert" ließ der Ex-Hoffenheimer wissen.

Kurzzeitig habe der bisweilen überehrgeizige Sportdirektor sogar darüber nachgedacht, die Mannschaft selbst zu trainieren. Er verwarf den Gedanken nur deshalb, weil das die Arbeit eines neuen Trainers im Sommer erschwert und ein Doppelengagement als Sportdirektor und Trainer zugleich ein schlechtes Licht auf ihn und den Klub geworfen hätte.

So taugt der unerfahrene Beierlorzer neben seinen zweifelsfrei vorhandenen Qualifikationen perfekt als Rangnicks verlängerter Arm. Und warum sollten Beierlorzer und RB auch nicht von Rangnicks Erfahrung profitieren? Mitten in der Saison einen besseren Supervisor für die Aufstiegsmission zu finden als Rangnick selbst, ist kaum möglich. Ullrich Kroemer

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